Evangelikale als Aufklärer an Schulen: Senat sieht kein Problem
Ein evangelikaler Verein klärt in Bremer Schulen über Abtreibungen auf. Im Landtag erklärt die Bildungssenatorin, sie habe keine Einwände.
Dort wurde bekannt, dass der Verein mittlerweile „Menschenskinners“ heißt, laut Vereinsregister seit Ende Oktober. Die Homepage hingegen wurde erst vor Kurzem umgestaltet und ist nun in Regenbogenfarben gehalten. Seitdem ist auch erst der neue Vereinsname sichtbar. Im Untertitel heißt er „Christen engagiert für Kinder und Eltern“. Ende November hatte die taz über ein „Unterrichtsprojekt“ des Vereins berichtet, das den Namen „Schwanger schaf(f)t Konflikt“ trägt. Der Verein sagt in seiner Selbstdarstellung, er wolle Schwangerschaftsabbrüche verhindern und „das Leben von Kindern vor und nach der Geburt schützen“.
Zu diesem Zweck betreibt „Menschenskinners“ unter anderem ein Mutter-Kind-Haus sowie eine Schwangerenberatung, in der „alternative Wege“ zu einem Schwangerschaftsabbruch aufgezeigt werden sollen. Und eben das Unterrichtsprojekt für neunte und zehnte Klassen mit den Themen: „Das Leben vor der Geburt“, „Verhütung und Verantwortung“, „Schwangerschaftskonflikt“, „Abtreibung und Alternativen“. In einem Artikel von 2015 für das Magazin der Freien Evangelischen Bekenntnisschule (FEBB) schreibt der Verein über sein Projekt: „Wir klären auch über Abtreibung auf und machen deutlich, dass dies für uns keine Lösung des Konfliktes ist.“
Nach dem taz-Artikel vom November wollte die Grünen-Fraktion von der Bildungssenatorin wissen, wie der Senat die Mitwirkung des evangelikalen Vereins an der Sexualerziehung bewerte. Die Frage beantwortete Bogedan in der Bürgerschaftssitzung im Januar mit Verweis auf das Bremische Schulgesetz.
„Nach Paragraf 5 Absatz 2 soll Schule erziehen zur Bereitschaft, sich für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen und Minderheiten in ihren Eigenarten zu respektieren, sich gegen ihre Diskriminierung zu wenden und Unterdrückung abzuwehren“, heißt es in der schriftlichen Antwort. Dem Senat würden keine Anhaltspunkte vorliegen, dass der Verein dagegen verstieße.
Kein Neutralitätsgebot
Die Initiatorin der Frage, die queerpolitische Sprecherin der Grünen Kai Wargalla, hakte in der Sitzung nach, was genau den Verein für die sexualpädagogische Arbeit qualifiziere und wie sichergestellt sei, dass er neutral über das Konfliktthema Schwangerschaftsabbruch informiere. Die erste Frage ließ die Bildungssenatorin unbeantwortet.
Der taz hatte die Projektleiterin Beatrix Fäsenfeld gesagt, sie und ihre Kollegin hätten Seminare an evangelikalen Akademien wie „Team F“ und „Ignis“ belegt. Die sind allerdings nur in der Eheberatung tätig, weil Sexualität nach Auffassung fundamentalistischer Christ*innen nur in heterosexuellen Ehen gelebt werden darf. Ein weiteres Tätigkeitsgebiet der Akademien: Die Behandlung „sexueller Identitätsstörungen“. Gemeint ist Homosexualität.
Zur Frage der Neutralität sagte Bogedan, das Projekt müsse nicht neutral sein. Wichtig sei die Vor- und Nachbereitung im Unterricht. Dass also den Schüler*innen die Möglichkeit gegeben werde, das Gehörte einzuordnen und zu verstehen, dass es unterschiedliche Sichtweisen gebe, wie Bogedan auf Nachfrage einer weiteren Grünen-Abgeordneten erklärte.
Doch inwiefern das geschieht, ist unklar. Die beiden öffentlichen Schulen, an denen nach Auskunft der Bildungssenatorin das Unterrichtsprojekt regelmäßig stattfindet, wollen sich nicht äußern. Die taz hatte beide, die Werkschule Huchting und die Oberschule In den Sandwehen in Bremen-Nord, gefragt, wie es zu der Kooperation gekommen sei und wie das Projekt in den Unterricht eingebettet werde. Die Schulleiter baten um Verständnis, dass sie dazu nichts sagen wollen.
Die Bildungssenatorin versprach nun in der Bürgerschaft, die Schulaufsicht werde weiter prüfen, inwiefern „rechtlich vorgegebene Bindungen“ eingehalten würden. Die Opposition will das Ergebnis dieser Überprüfung nicht abwarten. Zwei CDU-Abgeordnete und ein FDP-Abgeordneter verlangten von der Senatorin, den Verein vorab von dem Verdacht reinzuwaschen, gegen rechtliche Grundsätze zu verstoßen. Dabei haben sie insofern recht, als der Staat die „Lebensschützer“-Position teilt. Schwangerschaftsabbrüche gelten als Straftat, das Bundesverfassungsgericht hat 1993 eine „Austragungspflicht“ der Schwangeren festgestellt.
Die Grünen hatten auch wissen wollen, ob der Verein mit den Schüler*innen über das so genannte Post Abortion Syndrome (PAS) spreche. Fundamentalist*innen wie die „Ärzte für das Leben“ behaupten, das PAS sei eine „seelische Erkrankung nach Abtreibung mit psychosomatischer Symptomatik“. Es gibt keine medizinische Fachgesellschaft, die einen wissenschaftlichen Nachweis für die Existenz dieses „Syndroms“ gefunden hat und es als Krankheit klassifiziert.
Die Bildungssenatorin sagt, das PAS sei kein Thema im Unterrichtsprojekt – der taz hatte die Projektleiterin etwas anderes gesagt. Auf seiner Homepage bietet der Verein Frauen, „die abgetrieben haben“, einen „Aufarbeitungskurs“ an und listet Symptome auf, die identisch sind mit denen, die auf einschlägigen Internetseiten als klassische PAS-Symptome genannt werden.
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