#Eurovision am Dnipro Folge 5: Lob der Ukraine
Die ukrainische Hauptstadt profiliert sich glaubwürdig als ein Teil Europas. Vor dem ESC wirkt sie als Ort der Freiheit und der Freisinnigkeit.

Gesungen wird auch noch: Robin Bengtsson repräsentiert Schweden auch im Finale des ESC Foto: dpa
Russland hat so gut wie alles unternommen, um den Eurovision Song Contest (ESC) in der Ukraine madig zu machen. Aber es hat alles nichts gefruchtet, auch nicht, dass Europa nicht in Solidarität verfiel, weil die Kiewer Sicherheitsbehörden der russischen ESC-Sängerin Julia Samoilowa die Einreise verweigerten.
Sie ist Teil des russisch-industriellen Popmusikkomplexes und trat als eine von ihnen, als russische Einheizerin, auf der besetzten Krim auf. Solche Russen möchte man in der Ukraine nicht sehen: Das war nur zu verständlich.
Auch die Meldung, russische Medienvertreter erhielten keine ESC-Akkreditierung, stimmt nur halb. In Kiew sind russische Journalisten durchaus meinungsfreudig tätig – sie stehen bloß nicht auf den Lohnlisten von Sputniki oder Russia Today, sondern sind unabhängig.
Außerdem: Wenn russische Medien behaupten, in Kiew sei der ESC wie ein militärisches Ereignis organisiert, fällt das auf sie selbst zurück. Der Wahrheit jedenfalls entspricht es nicht. In Kiew, einer in der Tat sehr schönen Stadt, der die meisten Schäden dereinst von der Wehrmacht beigebracht wurden, wird ein ziemlich gastfreundlicher ESC abgehalten.
Kiew profiliert sich beim ESC glaubwürdig als ein Teil Europas und als ein Ort der Freiheit
Die ukrainische Hauptstadt profiliert sich glaubwürdig als ein Teil Europas, als ein Ort der Freiheit und der Freisinnigkeit. Schwule Männer, beispielsweise, wissen den Unterschied sehr zu schätzen: Der Moskauer ESC 2009 war atmosphärisch das unangenehme Gegenteil.
Kiew zeigt sich in diesen Tagen von seiner besten Seite. Es empfiehlt sich, die Mühe des Kampfes in der Ukraine um Freiheit von totalitären Regierungsformen ernst zu nehmen. Und nicht in jedem Nationalisten am Dnipro – und die gibt es hier reichlich – gleich Naziurenkel zu erkennen.
Russland wollte dieses prestigeträchtige Event der Ukraine nicht gönnen – und überträgt es jetzt nicht einmal. Macht nix: Die kommen schon wieder, nächstes Jahr. Wer sich exkludiert, kriegt beim ESC immer eine zweite Chance.
#Eurovision am Dnipro Folge 5: Lob der Ukraine
Die ukrainische Hauptstadt profiliert sich glaubwürdig als ein Teil Europas. Vor dem ESC wirkt sie als Ort der Freiheit und der Freisinnigkeit.
Gesungen wird auch noch: Robin Bengtsson repräsentiert Schweden auch im Finale des ESC Foto: dpa
Russland hat so gut wie alles unternommen, um den Eurovision Song Contest (ESC) in der Ukraine madig zu machen. Aber es hat alles nichts gefruchtet, auch nicht, dass Europa nicht in Solidarität verfiel, weil die Kiewer Sicherheitsbehörden der russischen ESC-Sängerin Julia Samoilowa die Einreise verweigerten.
Sie ist Teil des russisch-industriellen Popmusikkomplexes und trat als eine von ihnen, als russische Einheizerin, auf der besetzten Krim auf. Solche Russen möchte man in der Ukraine nicht sehen: Das war nur zu verständlich.
Auch die Meldung, russische Medienvertreter erhielten keine ESC-Akkreditierung, stimmt nur halb. In Kiew sind russische Journalisten durchaus meinungsfreudig tätig – sie stehen bloß nicht auf den Lohnlisten von Sputniki oder Russia Today, sondern sind unabhängig.
Außerdem: Wenn russische Medien behaupten, in Kiew sei der ESC wie ein militärisches Ereignis organisiert, fällt das auf sie selbst zurück. Der Wahrheit jedenfalls entspricht es nicht. In Kiew, einer in der Tat sehr schönen Stadt, der die meisten Schäden dereinst von der Wehrmacht beigebracht wurden, wird ein ziemlich gastfreundlicher ESC abgehalten.
Kiew profiliert sich beim ESC glaubwürdig als ein Teil Europas und als ein Ort der Freiheit
Die ukrainische Hauptstadt profiliert sich glaubwürdig als ein Teil Europas, als ein Ort der Freiheit und der Freisinnigkeit. Schwule Männer, beispielsweise, wissen den Unterschied sehr zu schätzen: Der Moskauer ESC 2009 war atmosphärisch das unangenehme Gegenteil.
Kiew zeigt sich in diesen Tagen von seiner besten Seite. Es empfiehlt sich, die Mühe des Kampfes in der Ukraine um Freiheit von totalitären Regierungsformen ernst zu nehmen. Und nicht in jedem Nationalisten am Dnipro – und die gibt es hier reichlich – gleich Naziurenkel zu erkennen.
Russland wollte dieses prestigeträchtige Event der Ukraine nicht gönnen – und überträgt es jetzt nicht einmal. Macht nix: Die kommen schon wieder, nächstes Jahr. Wer sich exkludiert, kriegt beim ESC immer eine zweite Chance.
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Schwerpunkt Eurovision Song Contest
Kommentar von
Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.
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