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Als Fernsehzuschauer war auch ich enttäuscht, dass sich die Ukraine als Gastgeberland so wenig präsentiert. Der Einspieler mit den drei Moderatoren traf zumindest nicht meinen Humor und war im Grunde austauschbar. Wie unterhaltsam und humorvoll, mitunter auch sehr selbstironisch hatten sich mit solchen Einspielern andere Gastgeberländer in Szene gesetzt! Auch die Präsentation der einzelnen TeilnehmerInnen war zwar leidlich informativ, mehr aber auch nicht. Auch hier fehlte der - in früheren Jahren oft vorhandene - Bezug zum Austragungsort oder zumindest die Einbettung in ein künstlerisches Gesamtkonzept. Die Ukraine hat leider viele Sympathiepunkte (nicht nur) bei ESC-Fans verloren aufgrund des zynisch kalkulierten Eklats aus Russland. Umso mehr hätten die Veranstalter gegensteuern müssen, die Ukraine so warmherzig, so gastfreundlich, so vielfältig, so traditionell, so modern, so aufgeschlossen zu zeigen, wie sie ist. Ich habe eine glatt ablaufende Popshow gesehen. Besonders viel Herz habe ich leider nicht gesehen - zumindest nicht von Seiten der Veranstalter.
"Dass die Ukraine am Ende mit dem Pfund, mit dem zu wuchern gewesen wäre, nichts anfangen konnte, liegt auch an der politischen Elite des Landes. "
Mal ehrlich: Das wundern jetzt wen?
Vielleicht hat diese Elite auch die Artikelserie "#ESC am Dnipro" einfach nicht gelesen. Dann hätte sie gewußt womit zu wuchern gewesen wäre.
Seit anderthalb Jahren ist Annalena Baerbock Außenministerin. Sie versucht, Prinzipien und Pragmatismus zu verbinden. Das gelingt nicht immer.
Kommentar Ukraine und der ESC: Kein Signal an Europa
Das Gastgeberland versäumt es, die Show für ein politisches Statement zu nutzen. Die Schuld liegt auch bei der ukrainischen Elite.
Die Ukraine wusste mit der Werbeplattform namens ESC kaum etwas anzufangen Foto: dpa
Ein Eurovision Song Contest hat mehr als 150 Millionen Zuschauer*innen. Jedes Jahr. Und jedes Veranstalterland hat eine eigene These, die es dem Publikum ans Herz legen will. Die Ukraine wollte den ESC unbedingt gewinnen, um in Europa nicht mehr als Appendix Russlands verortet zu werden.
Aber dem Entertainment aus Kiew mit dem Finale am Samstag fehlte es genau daran. Keine Spur davon, dass die Ukraine in irgendeiner Form lockend auf sich aufmerksam gemacht hätte. Dass die Organisatoren etwas in Bild und Ton gesetzt hätten, was signalisiert: Hey, Europa, wir gehören zu euch. Oder dass wenigstens der Spruch auf dem ausgebrannten Kaufhaus am Maidan zur Geltung gekommen wäre: „Freedom is our religion.“
Die Show hätte überall gegeben werden können – dass sie in Kiew angesiedelt war, wurde nicht in einen politischen Kontext gesetzt. Man konnte erahnen: Die Ukraine ist so sehr mit sich selbst – und Russland – beschäftigt, so extrem im Sumpf auch der eigenen Verantwortung verhaftet, dass sie mit dieser Werbeplattform namens ESC kaum etwas anzufangen wusste.
Mag sein, dass die Korruption, der Krieg im Osten der Ukraine, die Migration innerhalb des Landes und die ökonomische Misere schlechthin das Ihre dazu beitragen, „Europa“ vielleicht verheißen, aber nicht verkörpern zu können. Ein Kenner nennt seit seinen Erfahrungen mit dem ESC in der Ukraine diese einen failed state. Das ist übertrieben.
Dass die Ukraine am Ende mit dem Pfund, mit dem zu wuchern gewesen wäre, nichts anfangen konnte, liegt auch an der politischen Elite des Landes. Viele wollten Posten im ESC-Vorbereitungskomitee – aber nichts an Arbeit leisten. Der ESC als Public Viewing Event fiel dem kalten Nieselregen in Kiew zum Opfer? Eine Ausrede, sonst nichts.
Für die Hoffnungslosen bleibt ein Trost: Ukrainer*innen kommen seit voriger Woche visumfrei in den Schengenraum. Viele sagen sich: Nichts wie weg hier.
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Schwerpunkt Eurovision Song Contest
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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Kurator des taz lab und des taz Talk. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders der Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. Er ist auch noch HSV-, inzwischen besonders RB Leipzig-Fan. Und er ist verheiratet seit 2011 mit dem Historiker Rainer Nicolaysen aus Hamburg.
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