Europawahlkampf im Kleinen: Kekse statt Kontroverse

Während die EU-Spitzenkandidaten im TV diskutieren, treffen sich Berliner Politiker in der türkischen Gemeinde. Hier wie dort ist das Interesse gering.

Von links nach rechts: Katina Schubert, Birga Köhler, Bettina Jarasch, Fatih Karasu, Alexandra Thein, Fabio Reinhardt. Bild: privat

BERLIN taz | Die Atmosphäre ist familiär. Zur Begrüßung gibt es Kekse und türkischen Tee. Weniger als zehn Zuschauer haben sich am Donnerstagabend in der türkischen Gemeinde in Berlin eingefunden. Auf dem Podium sitzen Berliner Politiker, die über die Europawahl diskutieren. Parallel zum TV-Duell der europäischen Spitzenkandidaten der Parteien in Brüssel. Doch im Großen wie im Kleinen stößt das Thema Europa auf geringes Interesse.

„Die meisten können mit der Europawahl nicht viel anfangen“, sagt Moderator Fatih Karasu, Generalsekretär der türkischen Gemeinde. Alexandra Thein, Europaabgeordnete der FDP, kann sich das nicht erklären. Die Bedeutung Europas werde unterschätzt, meint sie, schließlich kämen zwei Drittel der deutschen Gesetze aus Europa.

Die nächsten eineinhalb Stunden werden die wichtigsten europäischen Themen abgearbeitet. Finanzkrise, Handelsabkommen, Asylpolitik, Außenpolitik. Und wie Juncker, Schulz, Keller und die anderen Spitzenkandidaten in Brüssel haben auch die Berliner Politiker an diesem Abend wenig Neues beizutragen. Stattdessen: altbekannte Parteipositionen.

Katina Schubert von der Linkspartei beklagt Ungerechtigkeiten bei der Finanzpolitik, zockende Banken und Einsparungen bei sozialer Infrastruktur. Der Pirat Fabio Reinhardt fordert mehr Solidarität auf europäischer Ebene. Birga Köhler von der CDU wiederholt das Mantra ihrer Partei: „Der Euro ist stabil. Die Arbeitslosigkeit ist niedrig. Uns geht es gut.“ Die Grüne Bettina Jarasch kritisiert, dass die Regierung so tue, als helfe Deutschland aus reiner Nächstenliebe, ohne etwa zu erwähnen, dass deutsche Banken zu den größten Gläubigern der spanischen Banken gehören.

Türkei spielt keine Rolle

Einzig beim Thema Flüchtlinge und Asylpolitik wird die Debatte etwas hitziger. „Die EU hat bisher nur ein paar tausend syrische Flüchtlinge aufgenommen. Die Türkei über eine Million“, sagt Moderator Karasu. Die Liberale Thein bedauert, dass das EU-Parlament nicht mehr tun könne, als Resolutionen zu verabschieden und Hilfsgelder zu zahlen. Ein Militäreinsatz sei keine Option. „Wenn es eines Tages vorüber ist, wird die EU wieder auf den Plan treten und beim Wiederaufbau helfen.“ Der Präsident der Türkischen Folklore Gemeinschaft Muzaffer Topal meldet sich verärgert aus dem Publikum: „Mit anderen Worten, wenn nach alledem noch Menschen existieren, dann werden wir ihnen helfen!“

Die Interessen von türkischstämmigen Wählern sowie die EU-Mitgliedschaft der Türkei spielen kaum eine Rolle. Fatih Karasu wertet das am Ende als Zeichen dafür, dass die türkische Gemeinde in Deutschland angekommen ist.

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