Europas Rüstungsexporte: Keine Kriegsschiffe für Russland
Politiker von CDU bis Linkspartei fordern, dass Frankreich den Milliarden-Rüstungsdeal mit Putin stoppt. Zur Not solle die EU entschädigen.
BERLIN/PARIS taz | Frankreichs Präsident François Hollande hält „fürs Erste“ am Verkauf zweier Kriegsschiffe für 1,2 Milliarden Euro an Russland fest, wie er am vergangenen Wochenende bei seinem Besuch in Deutschland erklärte. Reichlich alarmiert hat sich hierzu inzwischen nicht nur das US-Außenministerium geäußert: Die Ukraine-Krise und die Sanktionen gegen Russland ließen solch eine Lieferung nicht zu. Auch deutsche Außenpolitiker verlangen nun, dass der Deal gestoppt werde. Es geht um (zunächst) zwei Hubschrauberträger, die Russland auf der Krim im Schwarzen Meer stationieren will.
„Wir können nicht aus irgendwelchen Vertragsgründen heraus Wladimir Putin dadurch unterstützen, dass wir ihm Rüstungsgüter liefern“, sagte der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter der taz. Russlands Vize-Verteidigungsminister Juri Borissow erklärte im März, der Vertrag des staatlichen russischen Waffenhändlers Rosoboronexport mit dem ebenfalls größtenteils staatlichen französischen Schiffbauer DCNS sehe Strafen wegen Vertragsbruchs vor. Summen nannte er nicht.
Auch Deutschland hat schon auf Geld verzichtet
Kiesewetter sagte, auch Deutschland habe zum Beispiel einen geplanten Verkauf von Gefechtsübungszentren an Russland in dreistelliger Millionenhöhe abgeblasen. Nun sei der europäische Außenministerrat gefragt: „Die Außenminister der EU sollten beschließen, Rüstungsexporte nach Russland einzustellen“, forderte Kiesewetter.
Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz, ehemaliger Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hatte im März in der taz vorgeschlagen, denkbare Kosten eines geplatzten Deals auf die EU umzulegen. Polenz‘ Nachfolger Norbert Röttgen (CDU) wollte sich hierzu am Dienstag nicht äußern. Kiesewetter sagte, er werde die Idee im Ausschuss thematisieren, er finde sie prinzipiell gut. Aber man dürfe der Industrie nicht gleich jeden Wunsch erfüllen. Mit Entschädigungsankündigungen „kann es sinnvoll sein, dass man erst einmal abwartet. Viele Rüstungsprojekte müssen auch einmal ein paar Jahre warten“, sagte Kiesewetter.
„Frankreich würde auch Profit nicht teilen“
Diese Skepsis zur Umverteilung der Kosten wird vom Linken-Außenpolitiker Stefan Liebich mehr als geteilt. Die Linkspartei, sagte Liebich zur taz, sei sowieso gegen Waffenexporte – erst recht in Krisenregionen wie derzeit die Ukraine und Russland. Aber Vertragsstrafen in der EU umzuschichten, halte er nicht für geboten: „Frankreich würde ja auch die Profite nicht teilen.“
Auch der Grüne Außenpolitiker Omid Nouripour erklärte, zunächst einmal solle man Frankreich für die Kosten aus dem Rüstungsdeal aufkommen lassen. Wenn es aber unüberwindliche Hindernisse gebe, „kann man auch über andere Finanzierungsmöglichkeiten nachdenken“. Jedenfalls dürften die Schiffe nicht geliefert werden: „Sie könnten sofort in Odessa eingesetzt werden.“
Zwei Rüstungsexperten aus dem außenpolitischen Think Tank Stiftung Wissenschaft und Politik veröffentlichten am Dienstag eine Einschätzung, wonach Hollande „vor einem riesigen Dilemma“ stehe. „Der Milliardendeal ist entscheidend für die militärische Staatswerft DCNS und den halbprivaten Schiffbauer STX“, schreiben Claudia Major und Christian Mölling.
Der ohnehin unpopuläre Hollande riskiere enorme Proteste der Werftarbeiter. Bleibt es bei der Lieferung des ersten Hubschrauberträgers der „Mistral“-Klasse schon im Oktober, falle Hollande aber der EU mit ihren Sanktionsplänen in den Rücken. Eine Lösung könnte aber die EU bieten, „indem sie die Mistral-Schiffe kauft und für sich nutzt“, schlagen Major und Mölling vor.
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