Europas Rechte und die AfD: Krah spaltet die Rechten der EU
Uneins reagieren die rechtsextremen Parteien Europas auf die Causa Krah. Für die Liaison von Meloni und Co. mit den Bürgerlichen ist die Affäre Gold.
E rmittlungen, Auftrittsverbot, Rücktritt aus dem Parteivorstand – schlimmer hätte es für Maximilian Krah, den AfD-Spitzenkandidaten für die EU-Wahl, kaum kommen können. Dann beendete auch noch das französische Rassemblement National (RN) unter anderem wegen Krah die Zusammenarbeit mit der AfD – eine für diese zweifellos echte PR-Katastrophe.
Im rechtsextremen Lager jedoch mehrten sich die Stimmen, die nicht Krah als Problem sahen, sondern vielmehr die „Melonisierung“ unter den europäischen Rechtsparteien. Diese würden sich – wie Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni – dem bürgerlichen Lager anbiedern, damit die gemeinsame Sache der „patriotischen Opposition“ verraten und dafür Krah fallen lassen, so der Tenor.
Eva Vlaardingerbroek etwa, reichweitenstarke rechtsextreme Politik-Influencerin aus den Niederlanden, schrieb am Donnerstag, Krah habe „nichts falsch gemacht“, ganz im Gegensatz zu seinen Kritikern Marine Le Pen und Matteo Salvini. „Das ist alles so dumm, und das ist der Grund, warum wir nie gewinnen.“ Da wusste Vlaardingerbroek noch gar nicht, dass nicht nur Krah, sondern gleich die gesamte AfD aus der ID-Fraktion im Europäischen Parlament rausgeflogen war – auf Antrag von Matteo Salvinis Lega und mit den Stimmen des Rassemblement National.
Auch deutsche Rechtsextreme sahen in Le Pen, Salvini, Meloni und der in der Causa Krah angeblich umgefallenen AfD-Parteiführung nur einen Haufen Opportunisten. Diskreditierungsversuche folgten prompt: „Wie schwul ist die Le-Pen-Partei?“, fragte etwa ein deutscher Rechtsextremer, verbreitete eine Statistik, laut der „bis zu 25 der 89 RN-Abgeordneten vom anderen Ufer“ sein sollen und insinuierte, dass Le Pen lesbisch sei.
Auf Du und Du mit CDU und CSU
Frank Franz, Vorsitzender der NPD-Nachfolgepartei „Die Heimat“, sah die AfD-Führung wegen ihrer Kritik an Krah „melonisiert“ und somit „in einer Front mit dem antideutschen System und gegen die Lebensinteressen unserer Nation“. Tatsächlich wendet sich vor allem Meloni, die sich als große europäische Führungsfigur sieht, schon länger der konservativen Volkspartei EVP zu, die bei den EU-Wahlen am besten abschneiden wird.
Der EVP-Parteivorsitzende Manfred Weber (CSU) macht der Postfaschistin seinerseits seit Monaten politische Avancen. Und diese Woche erklärte der CDUler Jens Spahn, „die Brandmauer in Europa verläuft rechts von Meloni“, denn die sei „proeuropäisch, pro Nato, pro Rechtsstaat und pro Ukraine“. Dabei zeigt sich in Italien zuletzt immer deutlicher, welche antidemokratischen Reformen Meloni auf den Weg bringt.
Zahlreiche Linke glauben nicht an eine bürgerliche Wandlung von Le Pen, Meloni und Salvini. Le Pen hatte die AfD nach den Correctiv-Berichten über die „Remigrations“-Konferenz Ende vergangenen Jahres in Potsdam scharf kritisiert. Das, so die Kritik, sei nur ein taktischer Zug der von der RN-Parteiführung unter Marine Le Pen verstärkten Politik einer Entdämonisierung, die auf Anschlussfähigkeit für bürgerliche Milieus zielt.
Wenn die Wahlen erst einmal gewonnen seien, würden die Rechten ihre Differenzen nur allzu schnell wieder hinter sich lassen und die EU nach ihren gemeinsamen Vorstellungen umzubauen versuchen, so die verbreitete Überzeugung. Tatsächlich aber sind auch die politischen Differenzen innerhalb des rechtsextremen Lagers in der EU erheblich.
Kein Konsens über Putin
Der wichtigste Streitpunkt ist Russland. Die FPÖ, die AfD, die Fidesz, die Lega und lange auch Le Pen unterhalten entweder enge Verbindungen mit Russland oder zumindest einen sonnigen Blick auf Putin und wollen möglichst wenig amerikanischen Einfluss in Europa. Andere, wie Meloni oder Rechtsextreme aus Skandinavien und dem Baltikum, stehen strikt auf der Seite der Ukraine.
Die zuletzt immer wieder sichtbar gewordenen offenen NS-Bezüge bei der AfD etwa stoßen Nationalisten aus Ländern, in denen Wehrmacht und SS wüteten, ab. Unvereinbar sind auch Vorstellungen zur Umverteilung innerhalb der EU. Die FPÖ und die AfD etwa wollen die Subventionierung ärmerer EU-Staaten so weit wie möglich eindämmen. Die AfD will die EU gar auflösen. Für die Fidesz oder die italienische Rechtskoalition sind die Milliarden aus Brüssel indes unverzichtbar.
Dass diese Differenzen zumindest partiell überwunden werden könnten, etwa zugunsten konsensfähigerer Themen, wie Migrationspolitik, Muslime, LGBTIQ, Klimaschutz, EU-Renationalisierung oder auch Medienfreiheit, sobald reale Machtoptionen auf dem Tisch liegen, ist nicht unwahrscheinlich. Fürs Erste aber bleiben viele der Gräben zwischen Europas Nationalisten tief.
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