Europarat in Straßburg: Iran-Beauftragter will Zeitenwende
Der Europarat hat einen Berichterstatter für Iran ernannt. Der Grünenpolitiker Max Lucks will den Finger in die Wunde europäischer Iranpolitik legen.
Angesichts der Vielzahl der Menschenrechtsverletzungen durch die iranische Machtelite ist dies, wie auch schon zuvor, eine weitgehend symbolische Handlung. Die Bestätigung des Todesurteils gegen den deutschen Staatsbürger Jamshid Sharmahd am Mittwoch verdeutlichte im Kontrast dazu die Dringlichkeit der Menschenrechtslage in Iran.
Neuigkeiten gibt es derweil von einer anderen Organisation: Dem Europarat in Straßburg. Dieser ernannte am Mittwoch Max Lucks zum Berichterstatter für Iran. Der Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen sagt von sich selbst, er sei „der erste Berichterstatter seit 1979, der das bestehende Regime infrage stellt.“
Tatsächlich gab es seit 1979 nur eine Resolution des Europarats zu Iran: im Jahr 2009 im Zuge der Proteste der sogenannten Grünen Bewegung. Der Europarat habe „zu lange weggeschaut“, sagt Lucks. Als ältestes Menschenrechtsparlament müsse der Rat an der Seite der iranischen Zivilbevölkerung stehen, die das gesamte System infrage stelle.
Das Problem: Handlungsmacht hat der Europarat nicht – schon gar nicht in Iran, der kein Mitgliedsstaat ist. Die Organisation ist keine EU-Institution und nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union. In den Schlagzeilen war der Europarat in den letzten Jahren unter anderem wegen einer Korruptionsaffäre um Aserbaidschan und im Zusammenhang mit dem Rausschmiss Russlands im März 2022.
„Es geht eher um eine Langzeitperspektive“, sagt Max Lucks. Als Berichterstatter zu Iran möchte er eine „langjährige wissenschaftliche und politische Begleitung der Menschenrechtslage im Land“ ermöglichen.
Sicherheitsfragen statt Menschenrechte
Dem Europarat scheint es in dieser Frage in erster Linie um Aufmerksamkeit zu gehen, die in der aktuellen Situation dringend geboten scheint: Denn während in Iran seit Monaten Schulkinder durch mutmaßliche Giftgasattacken vergiftet und Frauen mit gewaltsamen Methoden dazu gebracht werden, sich an die islamische Kleiderordnung zu halten, konzentriert sich die internationale Gemeinschaft im Verhältnis zu Iran wie schon vor der Protestbewegung wieder hauptsächlich auf Sicherheitsfragen.
In der Abschlusserklärung der G7-Staaten vom 18. April, zu denen auch Deutschland und mehrere EU-Staaten gehören, ist im Paragrafen zu Iran fast ausschließlich von der nuklearen Gefahr und der militärischen Unterstützung Russlands die Rede. Das Nuklearabkommen mit Iran von 2015 (JCPoA) biete für den Umgang mit der nuklearen Frage eine „nützliche Referenz“, heißt es in der Erklärung.
Verhandlungen mit dem Regime scheinen also – ungeachtet aller Menschenrechtsverletzungen – wieder die präferierte Option zu sein. In Bezug auf die Menschenrechtsverletzungen heißt es in der G7-Erklärung schlicht, dass man sie verurteile. Außerdem rufen die G7 Iran auf, „konkrete Handlungen zu unternehmen, um sich dieser Fragen anzunehmen“. Wie ein Staat, der selbst Verursacher der Menschenrechtsverletzungen ist, sich der Fragen der Menschenrechtsverletzungen annehmen soll, wird nicht erklärt.
Die iranischen Machthaber scheint es jedenfalls nicht zu interessieren, dass die G7 sie auffordern, Ausländer und Doppelstaatler*innen nicht weiter „willkürlich ins Visier zu nehmen“, wie es in der Erklärung auch heißt. Die Bestätigung des Todesurteils für den Deutschen Jamshid Sharmahd folgte am Mittwoch nur eine Woche nach der G7-Erklärung und zwei Tage nach der neuen Sanktionsrunde der EU.
Der frisch ernannte Iran-Berichterstatter Max Lucks hofft, dass sich grundlegend etwas in der internationalen Politik gegenüber Iran ändert: „Wir brauchen dringend eine Zeitenwende in der europäischen Iranpolitik.“ Wie er diese Zeitenwende in seinem neuen Amt antreiben will, wird sich zeigen. In jedem Fall scheut er sich offenbar nicht, den Finger in die Wunde deutscher und europäischer Iranpolitik zu legen.
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