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Eurokolumne„Haltet den Zyprer!“

Jens Berger
Kolumne
von Jens Berger

Der Russe ist ein böser Oligarch und der Zypriot ein Geldwäscher. Aber was tun deutsche Politiker gegen die Steuertricks deutscher Unternehmen?

Ein Oligarchengeld bewachender Russe. Bild: reuters

E s ist wie beim alten Gaunertrick: „Haltet den Dieb!“, rufen die Verantwortlichen für die vergurkte Zypern-Rettung, um von ihrem Versagen abzulenken. Besonders dreist ist, dass sie mit ihrem Nationalchauvinismus beim bürgerlichen Publikum auch noch durchkommen, da es gegen Russland geht.

Russische Spareinlagen auf zyprischen Banken stammen – so lesen wir – grundsätzlich von Oligarchen. Und Geld von Oligarchen ist – so lesen wir – grundsätzlich illegal, stammt aus Geldwäsche und Steuerhinterziehung. Daher ist es – so ahnen wir – auch nur rechtens, wenn man den Besitz russischer Staatsangehöriger im EU-Land Zypern beschlagnahmt.

Die Russen sind schuldig – ohne Prozess, ohne Richter, ohne Verteidigung, ja gar ohne Anklage und auch ohne jegliche Beweise. Was ist eigentlich ein „Oligarch“? Das Oxford Dictionary definiert den Begriff so: ein sehr reicher Geschäftsmann mit hohem politischem Einfluss. Nach dieser Definition wären auch die Damen Springer, Mohn und Klatten Oligarchinnen. Macht etwa auch die Deutsche Bank, bei der die Axel Springer AG ihre Konten führt, Geschäfte mit Oligarchen?

Bild: privat
Jens Berger

ist freier Journalist und Mitarbeiter der Webseite Nachdenkseiten des früheren SPD-Kanzlerberaters Albrecht Müller. In seinem eigenen Blog Spiegelfechter schreibt er über die Auswirkungen neoliberaler Politik.

Wäre es legitim, der Deutschen Bank vorzuschreiben, von heute auf morgen zehn Prozent der Einlagen von Frau Springer zu konfiszieren? Sind doch nur „Oligarchengelder“. Wie würde die deutsche Regierung handeln, wenn ein Staat, nennen wir ihn Liechtenstein, mit dieser Begründung deutsche Staatsgehörige teilenteignen würde? Peer Steinbrück dürfte seine „Kavallerie“ aufsatteln lassen.

Nun ist Liechtenstein kein Staat, der etwas gegen Oligarchengelder, egal aus welchem Land, hätte – ganz anders als linke Populisten wie Hugo Chávez oder Evo Morales … und europäische Finanzminister. Mehr als 20 Milliarden Euro sollen russische Oligarchen auf der Mittelmeerinsel „bunkern“. Ja: Russen „bunkern“; wenn Deutsche Gelder verschieben, dann „investieren“ sie.

So, so.

Richtig ist: Zahlreiche russische Geschäftsleute, die man als Oligarchen bezeichnen könnte, kontrollieren über zyprische Holdinggesellschaften russische Konzerne. Dazu gehören einige der weltgrößten Stahlkonzerne, Bergbau- und Energieunternehmen. Alles nur Geldwäsche? Sicher, der Hauptgrund, Unternehmensteile nach Zypern zu verlegen, dürften die niedrigen Steuersätze sein. Aber im Falle russischer Unternehmen ist dies ein Problem Moskaus – schließlich schädigt die Steuerflucht den russischen Fiskus. Ein weiterer Vorteil Zyperns ist die Rechtssicherheit, die mit einem Firmensitz in der EU verbunden ist.

Frau Merkel sollte sich künftig sehr gut überlegen, ob sie Russland ermahnen will, die Rechtssicherheit für Investoren zu verbessern. Dies könnte in Moskau als schlechter Witz verstanden werden. Und bevor wir nun den Russen Vorwürfe wegen „ihrer“ Holdinggesellschaften auf Zypern machen: Wie sieht es denn bei der Speerspitze der deutschen Unternehmen aus?

Es gibt wohl kein DAX-Unternehmen, das keine Niederlassung in einer der Steueroasen der westlichen Hemisphäre hätte. Keine größere deutsche Bank kommt ohne Niederlassung in fragwürdigen Inselstaaten aus. Was bei hiesigen Unternehmen die kreative Nutzung des internationalen Steuerwettbewerbs ist, bedeutet bei den russischen Schattenwirtschaft, Geldwäsche und Steuerhinterziehung.

So, so.

Sicher: Moskau kann und muss russische Unternehmen, die mit Steuertricks den Fiskus schädigen, juristisch verfolgen. Wenn solche Vorwürfe aber von deutschen Politikern kommen, sollte die Frage gestattet sein, was eben diese Politiker gegen die Steuertricks deutscher Unternehmen tun, die den deutschen Fiskus schädigen.

„Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, den Balken im eigenen Auge aber nimmst du nicht wahr?“, fragt Jesus im Matthäusevangelium. Wir wissen ja schließlich alle: Der Russe ist ein böser Oligarch, der Zypriot ein Geldwäscher, der Grieche, das hat sich längst gezeigt, stinkfaul – und wir die Musterknaben in allen denkbaren Disziplinen. Die Welt muss uns lieben.

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15 Kommentare

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  • R
    Robert

    Schöner Text.

    Haben Sie den eigentlich geklaut?

    Siehe Kommentar von Chomsky in SZ ( Porsche, Piëch und Quandt in Panama, 20.3.2013)

  • TL
    Tim Leuther

    Es ist nicht gegen die Russen.

     

    Nur ist es nicht aufgabe des deutschen Steuerzahlers, russen rauszuhauen. Uns kann es einfach mal schnuppe sein, wenn die Kohle verlieren.

     

    Und wenn man 10% eine Abgabe von denen erhebt, dann ist das keine 10% Enteignung, sondern eine 90% Rettung.

  • P
    postbabylon

    ach ja, und wir mögen "Zyprioten" lieber als Zyprer.

  • P
    Postbabylon

    Danke für den differenzierten Artikel.

    Als gebürtige Zypriotin (und Deutsche Bildungsinländerin UND Steuerzahlerin) müsste ich mir in den letzten Tagen anhören , dass ICH (höchstpersönlich wohlgemerkt und vermutlich mit Seife-andere Waschmittel hätte ich nicht) das russische Geld gewaschen habe und, dass das alles meinem Land zu Recht geschieht.

     

    Meine Eltern schüften seit über 50 Jahren haben 2 Kriege durchgemacht in die arabische halbinsel zum arbeiten emigriert und siehe da, das Geld für den wohlverdienten Lebensabend ist auf der Kippe, um einige Banken zu sanieren.

     

    Empathie für die Bürger Zyperns Leute!

  • P
    PutinsSohn

    @Kleinoligarch,

     

    ich stimme "BibelMaus" zu. Sie haben jetzt EIN Artikel aus ihrem Hut gezaubert. Wollen Sie jetzt behaupten dass das Russland Bashing im Vordergrund des Mainstreams steht? Das ist doch lächerlich.

  • K
    Kleinoligarch

    @ BibelMaus

     

    Das =>

     

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/russisches-schwarzgeld-bnd-warnt-vor-rettungspaket-fuer-zypern-a-865151.html

     

    ist Meinungsführerschaft. Nicht was die TAZ oder der Herr Berger Schreiben. Du darfst jetzt wieder zurück zu FAZ, HB,SüdD und Welt und kannst dort die neuesten Berichte zum neuen Megapapst lesen.

  • B
    BibelMaus

    "Besonders dreist ist, dass sie mit ihrem Nationalchauvinismus beim bürgerlichen Publikum auch noch durchkommen, da es gegen Russland geht"

     

    Komische Geschichte. Dass jetzt die Russen daran Schuld sein sollen....

     

    Ich lese auch zur Infozwecken FAZ, HB,SüdD, Welt, Spiegel und Co., aber nirgends ist mir das von Herr Berger beobachte "Russland bashing" aufgefallen...es gibt er gar nicht. Und wo ist bitte der "Nationalchauvinismus"?

     

    Herr Berger erfindet hier seine eigene Geschichte. Was wir hier sehen sind klassicher "Strohmann-Argumente". Für ein Blog sicher etwas unterhaltsam, aber einer TAZ nicht würdig.

  • H
    HHarlekin

    Inhaltlich, aber auch in seiner Schärfe und Deutlichkeit berechtigt -

    wenn zwei das Gleiche tun ... oder drei ... oder viele ... ist immer wichtig, nach welchem Stall er riecht ... ;-)

    Jens Berger hat diese meinungsmachende Propaganda sehr gut dargestellt.

  • ZV
    Zur Veröffentlichung empfohlen

    Russen griffen Santorini mit Strahlenwaffen an, um mit Tsunamis die Öl- und Gasquellen zu verstopfen:

    http://www.griechenland-blog.gr/2012/01/us-superwaffe-verursacht-erdbeben-bei-santorin-in-griechenland/6585/

  • T
    TotaKiridis

    Nix verstanden

     

    Der Autor hat wirklich gar nix verstanden.

     

    Zur Zeit werden die Renten der Zyprioter verschachert, für die sie 40 Jahre eingezahlt haben um die stinkreichen Russen zu retten.

     

    Es ist so unmoralisch, das man nur k.... möchte.

     

    Und der Autor macht sich Sorgen um Milliardäre. Es ist egal wo das Geld herstammt, das der Arbeiter jetzt seine kleine Rente für diese leute hergeben soll nimmt mir alles.

  • L
    Lorenz

    Meinetwegen ... und jetzt mögen sich die zypriotischen Banken und ihre Eigner bitte selber helfen.

  • DW
    damals wars

    Wurde nicht olle Helmut dafür gefeiert, als er das Ausflaggen unter zypriotische Flagge erleichterte?

     

    Die Steuererleichterungen in Irland und Zypern wurden von der neoliberalen EU gefordert und gefördert?

    Die europäischen Tigerstaaten!

    Und gehören nicht Steuererleichterungen für Unternehmen/Banken zu den Forderungen von Weltbank und Co.

     

    Alles vergessen?

  • S
    Susanne

    Klasse! Ein Beitrag, der die Augen öffnen sollte, aber der wahrscheinlich zu wenig Anhänger finden wird, weil jeder sieht, was er sehen will.

     

    Bitte diesen Beitrag auf englisch oder besser noch auf griechisch übersetzen und hier bei uns auf Zypern veröffentlichen. Die zyprische Bevölkerung sollte wissen, dass es auch Deutsche gibt, die nicht Merkel oder Schäuble heißen.

     

    Einen lieben Dank an den Autor für diesen hervorragenden Beitrag.

  • CN
    Christoph N.

    Herrlicher Text! Hat mir den Kopf zurechtgerückt. Erschreckend, wie oft man undurchdachten Leitartikelunfug hinnimmt. Dank an den Autoren!

  • W
    Westberliner

    Danke, Herr Berger, dass Sie diese Sichtweise aufgegriffen haben. Ich habe es satt, dass sich "unsere" Politiker immer den Heiligenschein aufsetzen und so tun, als ob es bei uns keine Geldwäsche oder Steuerhinterziehung gäbe. Nur die Anderen sind schuldig. So kann man schön von eigenen Problemen ablenken.

     

    Wer über mich spricht und die Meinen,

    gehe heim, prüfe sich und die Seinen.

    Findet er an sich und den Seinen kein Gebrechen,

    darf er auch über mich und die Meinen sprechen.