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Eurogruppenchef in der Kritik„Geld für Schnaps und Frauen“

Der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem bangt zu Hause um seinen Job und redet sich in Brüssel um Kopf und Kragen.

Da hilft nur noch beten: Dijsselbloem kurz vor der Arbeitslosigkeit Foto: ap

Berlin taz | Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hat seine Chance beschädigt, im Amt zu bleiben. Mit einem Schnaps-und-Frauen-Vergleich hat der niederländische Finanzminister europaweit für Empörung gesorgt. In einem FAZ-Interview vom Montag hatte der 50-Jährige gesagt: „In der Eurokrise haben sich die nördlichen Eurostaaten solidarisch mit den Krisenländern gezeigt. Als Sozialdemokrat halte ich Solidarität für äußerst wichtig. Aber wer sie einfordert, hat auch Pflichten. Ich kann nicht mein ganzes Geld für Schnaps und Frauen ausgeben und anschließend Sie um Ihre Unterstützung bitten. Dieses Prinzip gilt auf persönlicher, lokaler, nationaler und eben auch auf europäischer Ebene.“

Wütend kommentierte die konservative Zeitung El Mundo aus Spanien, dass es kaum möglich sei, „noch mehr Vorurteile, Stereotype, moralische Überheblichkeit und Sexismus“ in einem Satz zu vereinigen. Auch in den anderen Krisenländern war die Empörung groß: Der italienische Expremier Matteo Renzi forderte Dijsselbloem auf, als Eurogruppenchef zurückzutreten. „Je früher er geht, desto besser“, schrieb Renzi auf Facebook. Der portugiesische Außenminister Augusto Santos Silva sagte, Dijsselbloems Äußserungen seien „vollkommen inakzeptabel“. Er sei nicht geeignet, „Vorsitzender der Eurogruppe zu bleiben“.

Dijsselbloem kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Am Mittwoch erläuterte sein Sprecher: Der Eurogruppen-Chef habe nur allgemein über die Solidarität in der Eurozone gesprochen und kein Land direkt gemeint. Dijsselbloems Amtszeit als Eurogruppenchef läuft bis zum 1. Januar 2018. Allerdings könnte es sein, dass er das Amt schon vorher aufgeben muss.

Die Sozialdemokraten haben bei der Wahl in den Niederlanden stark verloren und Dijsselbloem dürfte seinen Posten als niederländischer Finanzminister verlieren. Bisher war es jedoch üblich, dass nur Finanzminister nebenher als Eurogruppen-Chef amtieren können.

Streit schon am Vortag, diesmal wegen Eurokrise

Bereits am Vortag hatte Dijsselbloem einen heftigen Streit ausgelöst. Dabei ging es um eine Idee, die so alt ist wie die Eurokrise. Statt sich vom Internationalen Währungsfonds (IWF) abhängig zu machen, könnte Europa eine eigene Institution zur Überwachung und Stützung von Krisenländern aufbauen. Dijsselbloem hat nun erstmals eine klare Präferenz geäußert – und prompt gab es Krach.

Er sei dafür, den Eurorettungsfonds ESM „mittel- bis langfristig zum europäischen IWF“ umzubauen, sagte der Niederländer nach dem Treffen der Eurogruppe am Montag in Brüssel. Es wäre „hilfreich, wenn wir die Expertise des ESM nutzen könnten“. Allerdings gäbe es darüber noch keinen Konsens, fügte er auf Nachfrage der taz hinzu.

Das ist noch milde ausgedrückt. Denn EU-Währungskommissar Pierre Moscovici widersprach auf offener Bühne. Zwar könne man durchaus darüber nachdenken, den ESM, der bereits in Griechenland mit Milliardenkrediten hilft, mit neuen Aufgaben zu betrauen. Dies sei Teil der laufenden Überlegungen zur Reform der Währungsunion. Allerdings sei er dagegen, den ESM auch noch mit der Haushaltsüberwachung in der Eurozone zu beauftragen, so der Franzose. Statt die EU-Kommission in dieser Frage zu entmachten, solle die Brüsseler Behörde aufgewertet werden – mit einem eigenen Finanzminister oder einem neuartigen Eurobudget. „Außerdem brauchen wir eine demokratische Kontrolle“, fügte Moscovici hinzu.

Damit ist der Streit über die Zukunft des ESM voll entbrannt. Hinter Dijsselbloem steht vor allem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der die EU-Kommission schon lange wegen angeblich zu laxer Kontrolle der nationalen Budgets kritisiert. Hinter Moscovici steht dagegen das Europaparlament, das mehr Mitsprache will.

Dass der Streit ausgerechnet jetzt ausbricht, ist kein Zufall. Dijsselbloem würde gern Chef der Eurogruppe bleiben, und das vielleicht sogar hauptamtlich. Dafür braucht er die Hilfe Deutschlands, seit sein Job zuhause in Gefahr ist. Die Eurogruppe wäre seine Rettung vor dem Verschwinden in der politischen Versenkung.

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4 Kommentare

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  • War dieser Herr Dijsselbloem - der niederländische sozialdemokratische Klon von Schröder-Blair-Renzi - nicht der Politiker, der in den Niederlanden dubiose Steuersparkodelle entwickelte: Waren diese Modelle nicht massiv darauf angelegt, mit Steuerdumping auf Kosten anderer EU-Länder Unternehmen wie Ikea dazu zu bewegen, ihren Geschäftssitz in den Niederlanden zu nehmen? Und nun ist der Herr mit seiner PvD-Partei bei den Wahlen in den Niederlanden faktisch von der politischen Bildfläche hinweggefegt worden. Recht geschieht ihm und er sollte bald auch verschwinden - bestimmt findet er einen lukrativen Job in der Wirtschaft - so wie Schröder bei seinem Kumpel Putin und Gasprom.

  • Wer erinnert sich noch was Frau Merkel in gleicher Sache im Mai 2011 hat verlauten lassen?

    Herr Dijsselbloem ist also in bester Gesellschaft.

    Das Leiden in Griechenland ist wieder mal keiner Erwähnung wert.

  • Schlitzaugen-Günther darf auch weiterhin mitmachen... wobei es natürlich sein kann, dass das Herabwürdigen von Menschen außerhalb der EU eher toleriert wird...

  • Der Handlanger Schäubles wird von den "faulen" Südländern nur von Schäubles bzw. Deutschlands Gnaden geduldet. Und das anscheinend nicht mehr. Dijsselbloem ist zu weit gegangen. Er muss endlich mal gehen. Er ist die Verkörperung aller negativen Schlagzeilen und Slogans über die EU-Bürokratie. Er ist dreist, er spaltet und polarisiert. Schlechte Politik muss auch bestraft werden können, auch auf EU-Ebene, sonst ist es Schluss mit der demokratischen Legitimation "Europas".