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Rechter in DDR-VerlagDer seltsame Mitinhaber

Jahrelang war ein völkischer Siedler Mitinhaber der Eulenspiegel-Verlagsgruppe. Recherchen führten nun dazu, dass der Verlag sich von ihm trennte.

Biografie von Egon Krenz in der Edition Ost Foto: Jose Giribas/picture alliance

Der Eingang wirkt wenig einladend. Das Holz des kleinen Vordachs mit roten Ziegeln bedürfte etwas Farbe. Das Gebäude zwischen Autowerkstatt und Schützenverein hat kaum reputatives Flair. An der weißen Hauswand können die Namen verschiedener GmbHs und Co.KG gelesen werden. Nicht alle Felder des Adressenschildes der Bürogemeinschaft in der Von-Ardenne-Straße sind belegt. Ein Verlag hat hier in der Stendaler Straße seinen Geschäftssitz: die Berliner Traditionsverlag GmbH.

Zu der Verlagsgruppe gehören die „Eulenspiegelverlagsgruppe“ und „Edition Ost“, in der einer der Starautoren der ehemalige Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz, ist. Das Programm der Edition mutet osttalgisch an, die DDR und ihrer Sicherheitsorgane werden kaum kritisch betrachtet, dafür umso mehr die Nato und die Öffentlich-Rechtlichen. Die Geschichte des NS und des Holocaust finden sich aber auch.

Und dennoch: über einige Jahre war einer der Geschäftsinhaber dieser linken Verlage ein völkischer Siedler: Baldur Bachmann.

Den politischen Background des heute 43-Jährigen will der Geschäftsführer, Andreas Kietzmann, jedoch nicht gekannt haben. „Herrn Bachmann lernte ich im Zuge der Übernahme des Verlages kennen“ schreibt er der taz. Die „politischen Überzeugungen waren mir unbekannt und sind auch im Nachgang nie Thema gewesen“ antwortet Kietzmann auf die Redaktionsanfrage.

Seltsam, ging doch die Geschichte der Bachmanns vor einigen Jahren durch alle Medien. In der sachsen-anhaltischen Region der Altmark zum Beispiel ist Bachmann kein Nobody, sagt ein Rechtsextremismusexperte von Miteinander e. V. In Wendemark, keine 40 Kilometer von Stendal. Dort leben Familienangehörige der Bachmanns auf einem großen Hof mit mehreren Gebäuden.

Der gebürtige Österreicher Bachmann ist immer wieder durch Rechtsstreitigkeiten und Geschäftskonflikte aufgefalllen, sagt der Mitarbeiter des „Netzwerks für Demokratie und Weltoffenheit“, das in der Nordregion eine Beratungsstelle betreibt. Über die Einstellung der Eltern würden in der Gemeinde keine Zweifel bestehen, versichert er der taz. 2021 berichtete sogar Spiegel TV über den Clan mit seiner „völkischen Enklave“.

Die Staats­anwaltschaft warf dem damals 32-jährigen Vater und der 28-jährigen Mutter eine Körper­verletzung mit Todesfolge vor

Die Familie Bachmann sei von der anderen Seite der Elbe, aus der Lüneburger Heide, nach Sachsen-Anhalt gekommen. Im Jahr 2015 musste sich das Ehepaar vor der 13. Großen Strafkammer des Landgerichts Hannover wegen des Todes ihrer vierjährigen Tochter verantworten. Die Staatsanwaltschaft warf dem damals 32-jährigen Vater und der 28-jährigen Mutter eine „Körperverletzung mit Todesfolge“ vor. Über Monate hatte sie im Jahr 2009 ihrer Tochter das lebensnotwendige Insulin nicht verabreicht. Rund um Heiligabend verstarbt die Tochter.

Anhänger von Ryke Geerd Hamer

Die Staatsanwaltschaft vermutete, dass die Eltern sich den Lehren von Ryke Geerd Hamer angenähert habe und deswegen ihrer Tochter die Medizin nicht gaben. Der 2017 verstorbene Gründer der „Germanischen Neue Medizin“ lehrte, dass, wenn nur die „inneren Konflikte“ gelöst würden, eine medizinische Behandlung nicht nötig sei. Bereits 1986 war dem Arzt die Approbation entzogen worden.

Dass seine Habilitationsschrift und Lehre nicht angenommen wurden, führte Hamer auf den Einfluss „jüdischer Logen“ zurück. Diese betrieben eine „beispiellose Erkenntnisunterdrückungskampagne“. Er meinte weiter, dass die „dumme alte Schulmedizin eigentlich eine jüdische Medizin“ sei, und sprach von einem „Kampf der Talmud-Zionisten, alle Nichtjuden umbringen zu wollen“. Die Ansichten dieses Arztes sind übrigens bis heute nicht nur im rechtsextremen Milieu präsent.

In der Verhandlung räumte die Mutter Bachmann ein, über Bekannte auf den Arzt Hamer aufmerksam geworden zu sein. Die Eltern Bachmann erhielten jeweils acht Monate auf Bewährung.

Es war nicht nur die taz, die über diesen Fall berichtete, auch wenn nicht auf die Art wie das rechte Magazin Zuerst!. Den Tod der Tochter, die auf der Ahnenstätte Hilligenloh beigesetzt ist, wurde 2010 eine fünfseitige „Homestory“ mit siebzehn Privatbildern gewidmet, in der die Bachmanns von dem Tod der Tochter erzählen, der „ohne erkennbaren Grund“ eingetreten sei. Über ihre Weltanschauung wurde nicht kritisch gesprochen, dafür die staatlichen Behörden kritisiert, die eine Obduktion angeordnet hatten.

2015 bestritten die Bachmanns vor dem Landgericht, „patriotisch“ zu sein, waren aber beispielsweise 2019 bei einer Kundgebung des rechtsextremen „Volkslehrers“ Nikolai Nerling dabei. Sie besuchten Veranstaltungen der heidnisch-völkischen „Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft“. Das seien Familientreffen gewesen, verteidigte sich Baldur Bachmann. 2023 verbot das Bundesinnenministerium die Gemeinschaft.

Im Juli 2023 nun wurden die „Berliner Traditionsverlage GmbH“ von Andreas Kietzmann und Baldur Bachmann mit einem Grund- und Stammkapital von 25.000 Euro gegründet. Über zwei Jahre lief die Partnerschaft. „Nach Bekanntwerden der politischen Ausrichtung habe ich sofort Maßnahmen ergriffen, um Herrn Bachmann aus dem Verlag auszuschließen“, betont Kietzmann.

Im Handelsregister ist Kietzmann jetzt als Geschäftsführer eingetragen, der allein die Geschäfte führt. „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass durch Herrn Bachmann zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf die Inhalte im Verlag stattgefunden haben“, schreibt er der taz. Die Aufgaben von Bachmann wären „rein administrativer und juristischer Natur“ gewesen.

„Mit sehr großen Aufwand konnte nun eine rechtliche Klärung gefunden werden“ erklärt der 65-Jährige Kietzmann. Der Geschäftsanteil Bachmanns in Höhe von 12.501 Euro sind auf Kietzmann übergegangen. Bachmann sei somit aus dem Verlag ausgeschieden, „um weiteren Schaden vom Verlag abzuwenden“, so Kietzmann. Die Bachmanns müssen sich wohl neue Handlungsfelder suchen.

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