EuGH zu schadhaften Brustimplantaten: Nur in Frankreich versichert

Deutsche Frauen, die billige französische Brustimplantate bekommen haben, durften benachteiligt werden. Das entschied der Europäische Gerichtshof.

Ein Silikonbrustimplantat.

Brustimplantate aus Frankreich: Geschädigte Deutsche gehen leer aus Foto: imago

FREIBURG taz | Die französische Versicherung des Brustimplantate-Herstellers PIP muss nicht für Schäden in Deutschland haften. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag entschieden. Damit wurde eine weitere Hoffnung der betroffenen Frauen enttäuscht.

Geklagt hatte eine Frau aus Hessen, die sich 2006 Silikonkissen des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP) einsetzen ließ. Vier Jahre später stellten französische Behörden fest, dass die Brustimplantate nur billiges Industriesilikon enthielten. Auf ärztlichen Rat ließ die Frau deshalb 2012 die Silikonkissen austauschen und verlangte Schadensersatz. Insgesamt waren in Deutschland rund 5.000 bis 6.000 Frauen vom PIP-Betrug betroffen.

Bisher gingen die Frauen leer aus. Der Hersteller PIP war längst pleite und der ehemalige Inhaber saß im Gefängnis. Ärzte hafteten nicht, weil sie von den Mängeln der Silikonkissen nichts wissen konnten.

Lange konzentrierten sich daher die Hoffnungen auf den TÜV-Rheinland, der mehrfach das Qualitätssicherungssystem von PIP geprüft hatte. 2017 entschied der EuGH sogar, dass sich betroffene Frauen auch auf den Vertrag zwischen PIP und TÜV berufen können, die EU-Medizinprodukterichtlinie diene auch dem Schutz der Patienten. Einige Monate später schloss der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe jedoch eine Haftung des TÜV aus, dieser habe keine Pflichten verletzt. Er hätte nur dann unangemeldet prüfen müssen, wenn es bereits konkrete Indizien für Mängel gegeben hätte.

Letzte Chance Versicherung

Im konkreten Fall sah die Klägerin deshalb ihre letzte Chance bei der Versicherung von PIP. In Frankreich ist für die Hersteller von Medizinprodukten der Abschluss einer Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. PIP hatte einen Haftpflichtvertrag mit dem Versicherer IARD, der inzwischen zum deutschen Allianz-Konzern gehört. Allerdings sah der Vertrag zwischen PIP und der Versicherung vor, dass diese nur für Schäden haften muss, die in Frankreich entstehen. Die Klägerin sah darin eine Diskriminierung von deutschen Frauen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main legte den Fall deshalb dem EuGH zur Klärung vor.

Der EuGH entschied nun, dass das allgemeine EU-rechtliche Diskriminierungsverbot hier nicht greift, denn auf den Fall sei Europarecht gar nicht anwendbar. So gebe es im EU-Recht keine Pflicht für Medizinprodukte-Hersteller, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Die Pflicht in Frankreich beruhe nur auf französischem Recht. Es bestehe auch kein Bezug zu EU-Grundfreiheiten. Denn die deutsche Klägerin ließ sich die Silikonkissen in Deutschland implantieren, nicht in Frankreich.

Die Politik hat aus dem PIP-Skandal wenig gelernt. Auch heute gibt es in Deutschland immer noch keine obligatorische Haftpflicht für die Hersteller und Importeuere von Medizinprodukten. Weder sieht die neue EU-Medizinprodukte-Verordnung von 2017 Derartiges vor noch das deutsche Medizinproduktegesetz, für das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) federführend zuständig ist.

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