piwik no script img

EuGH zu minderjährigen FlüchtlingenAuch mit 18 bleiben Eltern wichtig

Der Anspruch auf Familiennachzug verfällt nicht mit der Volljährigkeit. Das stellt der Europäische Gerichtshof klar. Deutsche Behörden müssen handeln.

Seine Entscheidungen gelten für die gesamte EU: EuGH in Luxemburg Foto: dpa

Freiburg taz | Wenn ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling im Laufe des Asylverfahrens volljährig wird, verliert er dadurch nicht den Anspruch auf Familiennachzug. Das hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem niederländischen Fall festgestellt. Er muss den Antrag auf Familiennachzug dann allerdings binnen drei Monaten nach seiner Asylanerkennung stellen.

Im konkreten Fall war ein 17-jähriges Mädchen aus Eritrea in die Niederlande eingereist. Im Februar 2014 stellte es einen Asylantrag, im Oktober 2014 wurde es als asylberechtigt anerkannt, zwei Monate später beantragte es ein Visum für seine Eltern und drei minderjährige Geschwister. Die niederländischen Behörden lehnte die Familienzusammen­führung jedoch ab, weil das Mädchen schon im Juli volljährig geworden war. Als die junge Frau den Antrag auf Familien­zusammenführung stellte, sei sie gar kein „minderjähriger“ Flüchtling mehr gewesen.

Diese Argumentation ließ der EuGH nicht gelten. Minderjährige Flüchtlinge hätten von Beginn an ­einen Anspruch auf Familienzusammenführung, nicht erst dann, wenn die Asylberechtigung von den Behörden anerkannt wurde. Maßgeblich sei also das Alter bei der Einreise. Sonst hätten die Behörden einen Anreiz, Asylanträge von Minderjährigen besonders zögerlich zu prüfen, obwohl sie eigentlich verpflichtet seien, die Anträge von Minderjährigen vorrangig zu entscheiden.

Es widerspräche auch dem Prinzip der Rechtssicherheit, so der EuGH, wenn es für einen minderjährigen Flüchtling völlig unabsehbar wäre, ob er seinen Anspruch auf Nachzug der Eltern in Anspruch nehmen kann oder nicht – je nachdem wie schnell sein Asylantrag bearbeitet wird.

Subsidiär geschützte Syrer kehren zurück

Die Entscheidung des EuGH gilt nicht nur in den Niederlanden, sondern in der ganzen EU, weil sie das gemeinsame EU-Recht interpretiert. Damit ist ein Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts von 2013 hinfällig. Das Leipziger Gericht hatte damals entschieden, dass der Anspruch eines minderjährigen Flüchtlings auf Elternnachzug mit Erreichen der Volljährigkeit endet.

Das EuGH-Urteil nutzt aber nur minderjährig eingereisten Flüchtlingen, die wegen drohender Verfolgung als asylberechtigt anerkannt wurden. Es nutzt nicht Bürgerkriegsflüchtlingen, die nur subsidiären Schutz erhalten. Für diese ist der Familiennachzug seit März 2016 generell ausgesetzt, auch bei minderjährigen Flüchtlingen. Der Nachzug soll nach Koali­tions­plänen bald in begrenzter Form – tausend Personen pro Monat – wieder zugelassen werden.

Trotzdem kehren subsidiär geschützte Syrer „zunehmend“ in ihre Heimat zurück, weil sie ihre Familien bisher nicht nachholen konnten, berichtet das ARD-Magazin „Panorama“.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl begrüßte das Urteil, es sei „ein guter Tag für den Flüchtlingsschutz“.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Was sagen die Heiligen Schriften dazu, wenn Menschen eine Familie mssachten oder diskriminieren?

     

    In den inspirierten Schriften wurde prophezeit, daß der Teufel die Familieneinrichtung angreifen würde und daß ein Verfall der Sittenmaßstäbe und der menschlichen Gesellschaft außerhalb der Christenversammlung die Folge wäre. Zu den von Dämonen inspirierten Lehren „in späteren Zeitperioden“ rechnet Paulus das ‘Verbot zu heiraten’. Für ‘die letzten Tage’ sagte er voraus, daß die Menschen — sogar Personen, die „eine Form der Gottergebenheit haben“ — den Eltern ungehorsam, nicht loyal und ohne „natürliche Zuneigung“ wären. Er ermahnt Christen, sich von solchen wegzuwenden (1Ti 4:1-3; 2Ti 3:1-5).

     

    Babylon die Große, die Feindin der „Frau“ Gottes (1Mo 3:15; Gal 4:27) und der „Braut“ Christi (Off 21:9), ist eine große „Hure“, eine Organisation, die mit den Königen der Erde Hurerei begeht. Die Bezeichnung „Mutter der Huren und der abscheulichen Dinge der Erde“ läßt erkennen, daß ihre sogenannten Töchter Huren sind und daß sie andere veranlaßt, die Einrichtungen und Gebote Jehovas Gottes mit Füßen zu treten, einschließlich seiner Anweisungen, die zur Familieneinheit beitragen (Off 17:1-6).

     

    Jesus sagte voraus, daß Widerstand gegen Gottes Wahrheit die Familien entzweien würde (Mat 10:32-37; Luk 12:51-53). Doch der Apostel Paulus riet Gläubigen ernstlich von einer Auflösung der Familiengemeinschaft ab und forderte sie auf, an das Wohl des ungläubigen Gefährten und das der Kinder zu denken. Er hob den großen Nutzen der Familiengemeinschaft hervor, indem er darauf hinwies, daß Gott die Kinder als heilig betrachtet, obgleich der ungläubige Gefährte nicht von seinen Sünden gereinigt worden ist durch den Glauben an Christus. Er mag einiges von dem tun, was nach den Worten des Paulus manche Christen taten, bevor sie die gute Botschaft über den Christus annahmen (1Ko 7:10-16; 6:9-11).

    https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/1200001488

    • @Stefan Mustermann:

      Gehts Ihnen gut?

    • @Stefan Mustermann:

      Wen zum Teufel interessiert, was irgendwelche Märchenbücher von sich geben, verfasst von Menschen, die beim Anblick eines Flugzeugs schreiend das Weite suchen würden. Wie wäre es damit sich selbst Gedanken zu machen, statt sich an eine mehr als zweifelhafte (das ist ja noch viel zu weich) Autorität zu klammern.

    • @Stefan Mustermann:

      Paulus schrieb aber auch an die Apatschen: Ihr sollt bei der Predig nicht immer klatschen.

  • Eine Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte

     

    Das Recht auf Familie

     

    Familieneinheit von Kindern und Eltern ermöglichen – auch für subsidiär Geschützte!

     

    …Der Rechtsanspruch auf Familiennachzug ist Teil des Menschenrechts auf Familienleben, das nicht nur im Grundgesetz (Art. 6), sondern ebenso in menschenrechtlichen Konventionen wie der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (Art. 8) oder der UN-Kinderrechtskonvention (KRK) (Art. 16) kodifiziert ist. In der KRK werden die staatlichen Verpflichtungen zur Realisierung des Rechts des Kindes auf Familienleben zudem konkretisiert, wobei vorliegend insbesondere Art. 10 Abs. 1 KRK und Art. 3 Abs. 1 KRK von Relevanz sind…

    http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Stellungnahmen/Stellungnahme_Das_Recht_auf_Famile.pdf

    • @Stefan Mustermann:

      Nunja, zumindest hinsichtlich der subsidiär Geschützten hat das Verfassungsgericht in seiner Entscheidung in dieser Woche bezüglich des Grundgesetzes anders entschieden.

       

      Die Meinung des Verfassungsgerichtes halte ich in Fragen zur Auslegung des Grundgesetzes für sehr viel relevanter, als irgendeine Meinung einer Lobbyistenvereinigung.

  • Ein sehr gut nachvollziehbares und ausgewogenes Urteil. Ein Flüchtling hat schließlich keinen Einfluss auf die Dauer des Anerkennungsverfahrens. Selbst wenn ein Verfahren jetzt mehrere Jahre dauert, bleiben die Rechte des Einzelnen gewahrt. Der Druck, möglichst vor dem Eintritt (k)eine Entscheidung zu fällen entfällt somit. Die Behörde kann also in Ruhe prüfen.