EuGH urteilt zum Urheberrecht: Niemals zulasten der Pressefreiheit
Pressefreiheit vor Urheberrecht – so lautet ein Urteil des EuGH. Im Rechtsstreit mit „Spiegel Online“ könnte Volker Beck dennoch gewinnen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das EU-Urheberrecht pressefreundlich ausgelegt. Dennoch wird der Ex-Grünen-Abgeordnete Volker Beck am Ende vermutlich seinen Rechtsstreit mit Spiegel Online gewinnen.
Konkret geht es um einen Text, den Beck 1988 für den Sammelband „Der pädosexuelle Komplex“ geschrieben hat. Darin hielt er die „Entkriminalisierung von Pädosexualität“ (also von Sex mit Kindern) für „dringend erforderlich“.
Beck hat sich längst von dem Text distanziert. Allerdings hatte er zu seiner Verteidigung auch behauptet, der Herausgeber des Sammelbandes habe den Text gegen seinen Willen nachträglich im Sinn verfälscht. Als 2013 das Originalmanuskript auftauchte, stellte Spiegel Online fest, dass Becks zentrale Aussage keineswegs verfälscht worden war. Als Beleg verlinkte das Medium sowohl auf das Originalmanuskript als auch auf die veröffentlichte Fassung von Becks Aufsatz.
Verweis aufs Urheberrecht
Gegen diese Verlinkung wehrte sich Beck unter Verweis auf sein Urheberrecht. Er habe das Manuskript inzwischen auf seiner eigenen Homepage veröffentlicht – allerdings auf jeder Seite mit der Anmerkung versehen: „ICH DISTANZIERE MICH VON DIESEM BEITRAG. VOLKER BECK“. Einer anderen Art der Veröffentlichung stimme er nicht zu. In den unteren Instanzen hatte Beck mit dieser Argumentation Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) bat im Sommer 2017 den EuGH um Auslegung der EU-Urheberrechts-Richtlinie, weil das deutsche Gesetz auf dieser beruht.
Der EuGH entschied nun, dass die nationalen Gesetzgeber und Gerichte keine neuen Ausnahmen vom Urheberrecht zugunsten der Pressefreiheit erfinden dürfen. Allerdings seien die in der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen so auszulegen, dass Presse- und Meinungsfreiheit „Vorrang“ haben vor dem Urheberrecht. Konkret betrifft dies vor allem das Recht auf „Berichterstattung über Tagesereignisse“ und das Zitatrecht, wobei Zitate auch verlinkt werden dürfen, so der EuGH.
In beiden Fällen darf das fremde Werk (hier Becks Manuskript) von dem Medium allerdings nur dann und so weit benutzt werden, wie dies „erforderlich“ ist. Im konkreten Fall dürfte die Erforderlichkeit einer Volltextveröffentlichung der beiden Texte durch Spiegel Online fraglich sein, weil Volker Beck die Manuskripte ja bereits selbst veröffentlicht hat. Letztlich müssen dies aber wieder die deutschen Gerichte entscheiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr