EuGH-Urteil gegen Deutschland: „Systematische“ Luftverschmutzung

Jahrelang wurden in diversen deutschen Städten anhaltend die Luftgrenzwerte überschritten. Der EuGH sieht darin einen Verstoß gegen EU-Recht.

Ein leerer Tunnel, darüber ein Schild: "Feinstaubalarm in Stuttgart"

Die Luft ist hier selten rein: Fahrverbote im Januar 2020 in Stuttgart Foto: Arnulf Hettrich/imago

KARLSRUHE taz | Deutschland hat die Grenzwerte für Stickoxide von 2010 bis 2016 „systematisch und anhaltend“ überschritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) verurteilte Deutschland daher wegen Verletzung von EU-Recht. Das Urteil geht auf ein Vertragsverletzungs-Verfahren der EU-Kommission zurück.

Stickoxide (NOx) sind Reizgase, für die überwiegend Dieselmotoren verantwortlich sind. NOx erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Husten und Bronchitis. Am stärksten betroffen sind Kinder und Jugendliche sowie Asthmatiker. Eine höhere NOx-Konzentration vergrößert außerdem das Risiko, vorzeitig an Herz-Kreislauf-Krankheiten zu sterben.

Um die Gesundheit der Bürger zu schützen, gelten seit 2010 die Grenzwerte der EU-Luftqualitäts-Richtlinie von 2008. Wenn die Grenzwerte überschritten sind, müssen die Behörden Luftreinhaltepläne beschließen. Dort sind Maßnahmen für eine schnellstmögliche Einhaltung der Grenzwerte zu benennen.

Seit 2014 hat die EU kritisiert, dass Deutschland die NOx-Grenzwerte nicht einhält. 2018 erhob die EU-Kommission Klage beim Europäischen Gerichtshof. Der EuGH gab der Klage nun in vollem Umfang statt.

Sanktionen sind unwahrscheinlich

Deutschland habe in 26 von 89 Beurteilungsgebieten den Jahresgrenzwert für Stickoxide überschritten. Betroffen waren etwa die Ballungsräume Berlin, Stuttgart, München, Köln und Freiburg: Die Jahresgrenzwerte wurden um bis zu 105 Prozent überschritten.

Ab 2010 war Deutschland daher verpflichtet, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Doch auch diese Pflicht habe Deutschland nicht ausreichend beachtet, stellte der EuGH jetzt fest.

Die Verurteilung richtet sich gegen Deutschland, weil die EU-Institutionen nicht danach unterscheiden, welche Ebene innerstaatlich zuständig war. Tatsächlich war die Aufstellung der Luftreinhaltepläne Sache der Bundesländer.

Mit dem EuGH-Urteil ist keine Sanktion verbunden, sondern nur die Feststellung, dass EU-Recht verletzt wurde. In einem neuen Verfahren könnte die EU-Kommission die Verhängung von Zwangsgeldern beantragen, um die Einhaltung durchzusetzen. Ein solches Zwangsgeld ist allerdings unwahrscheinlich, weil die Grenzwerte inzwischen weitgehend eingehalten werden.

Das dürfte vor allem Verdienst der Deutschen Umwelthilfe und ihres Anwalts Remo Klinger sein, die ab 2016 für Dutzende deutsche Städte auf bessere Luftreinhaltung klagten und mehrere Grund­satz­ur­teile erstritten. Die Diskussionen um Diesel-Fahrverbote hat sicherlich auch dazu geführt, dass sich abgasreduzierte Autos schneller durchsetzten. Hilfreich dürfte zudem die Aufdeckung des Abgasbetrugs von VW und anderen Konzernen gewesen sein. Bei vielen Diesel-Motoren zeigte eine illegale Software beim Test geringere Abgaswerte an als beim tatsächlichen alltäglichen Gebrauch.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.