EuG-Urteil zur Westsahara: Marokko am Pranger
Darf Marokko Verträge über die Westsahara schließen? Das Gericht der Europäischen Union verneint das. Brüssel und Rabat müssen umdenken.
J etzt steht es einmal mehr hochrichterlich fest. Die Westsahara ist nicht Marokko, auch wenn das nordafrikanische Königreich die ehemalige spanische Kolonie seit Mitte der 1970er Jahre besetzt hält. Das entschied am Mittwoch das EuG in Luxemburg. Es hat zwei Klagen der sahrauischen Befreiungsbewegung Polisario angenommen.
Diese richteten sich gegen Abkommen, die die EU mit Marokko abgeschlossen hat. Sowohl das Fischerei- als auch das Freihandelsabkommen zwischen Brüssel und Rabat schließt die Westsahara mit ein. Das ist rechtswidrig. Denn die Westsahara wurde nie wirklich entkolonialisiert. Dazu wäre eine Volksabstimmung nötig, und die hat Marokko bis heute verhindert.
Die Sahrauis wurden von allen in der Wüste vergessen. Während US-Präsident Trump entgegen den Kriterien der Vereinten Nationen Marokkos Souveränität über das besetzte Gebiet anerkannte, ging die EU einen nicht weniger unmoralischen Weg. Sie verhandelt seit vielen Jahren immer wieder Fischereiabkommen und plündert damit zusammen mit Marokko die Reichtümer vor der Küste der Westsahara.
Am traurigsten ist die Rolle der ehemaligen Kolonialmacht Spanien. Sie profitiert wie kein anderes Land vom Fischereiabkommen, und das, obwohl Madrid nach internationalem Rechtsverständnis nach wie vor Verwaltungsmacht der Westsahara ist.
Nach dem Urteil kann es jetzt nicht nur darum gehen, dass Brüssel Schadensbegrenzung betreibt und versucht, das Abkommen per juristische Kniffe so lange wie möglich am Leben zu halten. Menschenrechte sollten über wirtschaftlichen Belangen stehen. Die EU muss endlich umdenken.
Nur wenn Brüssel und auch Madrid Druck auf Rabat aufbauen, hat der älteste Konflikt Afrikas eine Chance auf Lösung. Und die Menschen in der Westsahara brauchen diese dringend. Ein Großteil der Sahrauis lebt seit über 35 Jahren in Flüchlingscamps in der algerischen Wüste oder unter dem Joch der marokkanischen Repression. Eine ganze Generation von Sahrauis kennt nichts anderes.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe