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Essener Tafel nimmt nur Deutsche aufBreite Kritik am Aufnahmestopp

Die Tafeln helfen hilfsbedürftigen Menschen unabhängig von Herkunft. Weil die Tafel in Essen diesen Grundsatz einschränken will, sind viele anderen Tafeln entrüstet.

„Keine Bedürftigen erster oder zweiter Klasse“: Tafel in Nordrhein-Westfalen Foto: dpa

Berlin dpa/epd | Die Entscheidung der Essener Tafel, vorerst keine Ausländer mehr als Bedürftige aufzunehmen, stößt bundesweit auf Kritik und Unverständnis. Nach den Grundsätzen des Dachverbandes „Tafel Deutschland e.V.“ sei die Hilfe der gemeinnützigen Essensausgaben für alle gedacht, die dieser Unterstützung bedürften, sagte die Vorsitzende der Berliner Tafel, Sabine Werth: „Für die Berliner Tafel gibt es keine Bedürftigen erster oder zweiter Klasse.“ Und: „Wir orientieren unser Handeln an der Mitmenschlichkeit und spielen die Bedürftigkeit der vielen Menschen in Berlin nicht gegeneinander aus.“

Der Vorsitzende der Essener Tafel, Jörg Sartor, verteidigte den umstrittenen Schritt. „Ich stehe dazu“, sagte er. Es sei im Tafel-Vorstand lange diskutiert worden über den Entschluss, abgesehen von den bisherigen Kunden vorerst keine weiteren Ausländer mehr aufzunehmen. „Wir wollten erreichen, dass der Weg in die Tafel für alle wieder offen ist“, sagte Sartor. Zuletzt seien aber weniger Alleinerziehende und Rentner gekommen. Der Aufnahmestopp sei nur eine vorübergehende Maßnahme, „wahrscheinlich nicht über den Sommer hinaus“.

Ähnlich kritisch wie die Berliner Tafel äußerten sich auch andere Landesverbände, etwa in Niedersachsen, Bremen und Hessen. „Wir sind für alle Bedürftigen da, egal welche Hautfarbe oder Nationalität sie haben“, sagte auch der Thüringer Landesvorsitzende Nico Schäfer am Freitag. Der Paritätische Wohlfahrtsverband in NRW kritisierte die Entscheidung ebenfalls. „Natürlich kann ich nachvollziehen, dass Tafeln unter großem Druck stehen und ihre Ressourcen im Blick haben müssen“, sagte Landesgeschäftsführer Christian Woltering am Freitag. „Aber Maßnahmen wie ein Aufnahmestopp sind Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“.

Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Tafel in Essen seit Mitte Januar nur noch Bedürftige mit deutschem Pass neu in ihre Kundenkartei aufnimmt. Grund sei ein Anstieg des Anteils der Migranten an den Kunden auf etwa drei Viertel. In den vergangenen zwei Jahren hätten sich gerade ältere Tafel-Nutzerinnen sowie alleinerziehende Mütter von fremdsprachigen jungen Männern in der Warteschlange abgeschreckt gefühlt, hieß es.

Die rund 930 Tafeln in Deutschland sammeln überschüssige Lebensmittel, die nach den gesetzlichen Bestimmungen noch verwertbar sind, und geben diese an Bedürftige ab. Sie haben sich im Bundesverband Tafel Deutschland auf bestimmte Grundsätze und ein Leitbild verpflichtet.

In den Grundsätzen der ehrenamtlich getragenen Bewegung heißt es unter anderem, „die Tafeln helfen allen Menschen, die der Hilfe bedürfen.“ Im Leitbild der Tafeln steht unter anderem, „jedem bedürftigen Menschen wird unabhängig von seiner Herkunft, seinen Möglichkeiten und Grenzen mit Respekt begegnet; seine Würde wird geachtet“.

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11 Kommentare

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    Die Moderation

  • Woher wissen Sie das alles, Herr oder Frau DOOFBLEIBTDOOF? Bei allem Respekt für die freie Meinungsäußerung, liegen Ihnen die Aussagen aller Beteiligten und (andere) Beweise vor? Können “wir“ nur einmal einräumen, dass sich Verantwortliche dort in Essen aufrichtige Gedanken gemacht, ggf überfordert waren, haben.

    Für mich sind Sie im Übrigen selbst rassistisch, wenn sie von s.g. Biodeutschen in solch einem Zusammenhang abwertend sprechen.

  • " „Wir wollten erreichen, dass der Weg in die Tafel für alle wieder offen ist“, sagte Sartor. Zuletzt seien aber weniger Alleinerziehende und Rentner gekommen. Der Aufnahmestopp sei nur eine vorübergehende Maßnahme, „wahrscheinlich nicht über den Sommer hinaus“. "

     

    Was ist denn das für eine Argumentation von dieser sogenannten Tafel? Weil einige Biodeutsche nicht gemeinsam mit Aishe und Miguel anstehen wollen, werden nun keine Ausländer mehr zugelassen?

     

    Umgehkehrt wird ein Schuh draus. Die Not kann nicht allzu groß sein, wenn man sich erlauben kann, derart wählerisch zu sein. Wer sich zu fein ist, soll halt wegbleiben. Und denen, die aus größter Not zu uns kommen, nicht auch noch das Futter wegfressen.

    • @doofbleibtdoof:

      Sie sollten Meldungen weniger selektiv und vorurteilsbehaftet lesen:

      1. der Ausländeranteil beträgt 75%, diese werden nicht rausgeworfen sondern bleiben.

      2. ältere/ jüngere Frauen wurden physisch abgedrängt und zur Seite gestoßen.

      Sie haben nun einmal nicht die nötigen Ellenbogen um sich in der Warteschlange durchzusetzen.

      Sie essen dann eben nichts. Damit haben Sie aber wohl kein Problem als Anhänger des Sozialdarwinismus.

      Solche Berichte hat man im Übrigen auch schon vor 2 Jahren lesen können.

       

      Ja, Verteilungskämpfe sind hässlich. Da werden die ohne Lobby eben auf der Strecke bleiben.

       

      PS: Ich kann mir vorstellen dass es den betreffenden Rentnerinnen demütigend sein muss, sich überhaupt dort anstellen zu müssen ("von wegen zu fein"), aber das setzt eben auch Empathie für jene voraus, "die schon länger hier leben."

      • @Jean E. Marre:

        Er/sie/es nennt sich "DoofBleibtDoof". Und Sie gehen darauf ein?

  • Man sollte in einem Land, in welchem offenkundig von zahlreichen Menschen der Neoliberalismus befördert wird, die hier genannte Tafel nicht verschmähen, sondern zuerst den Neoliberalismus in das Zentrum der Kritik stellen.

    Kann hier tatsächlich einer mit dem Wissen eines Beteiligten sagen, dass die Maßnahme der Tafel völlig ungerechtfertigt ist?

    Und wegen dieses Mangels an Zurückhaltung kann ich manche Meinung, das ist meine Meinung, hier in den Foren, die ich als s.g. Links verorte, ebenfalls nicht ab, wie Meinungen, die ich als s.g. rechts verorte.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Natürlich distanzieren sich einige "Tafeln" von dem Essener Beschluss.

    Ansonsten hätten sie ein richtig großes Problem und würden als Rassisten beschimpft.

    Ich finde es traurig, dass die Essener Tafelleute somit in diese Ecke gerückt werden.

    Natürlich gibt es dort keine Probleme, wo viele ehrenamtliche Männer mitarbeiten. Diese können die Regeln durchsetzen. Das schaffen andere Einrichtungen, in denen hauptsächlichen Frauen arbeiten, nicht.

    Warum wird das nicht benannt?

  • Gibt es nicht ohnehin schon neue Ghettos durch die Schaffung von Migrantenunterkünften? Dann können dort doch auch Tafeln für die eingerichtet werden und die alten Omas haben ihre Ruhe. Die Migranten natürlich ebenso vor AfD-Anhängern und sonstigen Rechtsextremen. Ist zwar nicht schön, aber die Trennung von Männer- und Frauentoiletten finde ich auch nicht schön, wenn es keine Gendertoiletten gibt.

  • Traurig, dass es nicht genug für alle gibt, dass es überhaupt dazu kommt, aussuchen zu müssen. In Deutschland, einer der reichsten Länder. Das Kriterium „deutscher pass“ ist jedoch... wie wird das erklärt??

     

    Andererseits, die die kritisieren... so lange dies eine von spenden und Ehrenamt getragene Sache ist, könnte man ja sagen, ich engagiere mich, damit es wieder für alle reicht... oder ist es von Steuern finanziert?

  • Nur für Deutsche. Was kommt als nächstes, whites only, nicht für Juden? Da liegen bestimmt noch ein paar alte Schilder auf den Dachböden, die man wieder ins Schaufenster hängen kann... Man sollte schnellstens dazu übergehen, diesen Gestalten korrekte Namen zu geben und sie entsprechend und nachhaltig zu thematisiseren, bevor deren widerliche Gesellschaft unsere Gesellschaft unumkehrbar häßlich macht. Gib Rassisten keine Chance!

    • @Dirk Hochberger:

      Das nennt man Quote und nicht Rassismus, da das Kriterium der deutsche PA ist. Ein arischer Franzose würde auch nicht angenommen. Ziel des Anmeldesstopps ist es eine gewünschte Verteilung von spezifischen Merkmalen, in diesem Fall der Staatsangehörigkeit, wiederherzustellen. Das sollte man diskutieren, aber für Frauen wird das auch ständig gefordert.