Essen in der Politik: Schnitzel, Würstel und McDonald's
Der wohl bekannteste deutsche Food-Blogger kommt aus Bayern und ist eigentlich Ministerpräsident. Wie Markus Söder für sein Publikum isst.
Foodblog geht eigentlich ganz anders: Ästhetisch inszenierte, kunstvoll arrangierte Gerichte, gern gesehen mit Rezepten und Tipps zur Vorbereitung. Proteinreich, vegan, günstig, einfach oder schnell – die Social-Media-Nische gibt sich selbstoptimierend und pragmatisch.
Das Gegenbild stellt der bayerische Ministerpräsident dar. Markus Söder strahlt zu seinem übergroßen Schnitzel, postet einen randvollen Behälter seiner geliebten Nürnberger Bratwürste oder gibt neuerdings Tipps für ein besseres Burger-Erlebnis bei McDonald’s. Ganz stolz rundet Söder mit #söderisst sein stereotypisches Bild eines echten Bayern ab.
Wer denkt, die Essgewohnheiten eines selbstverliebten Freistaatlers interessiere niemanden, irrt sich: Beiträge zu Schäuferle, Wurst & Co. lösen teils mehr als das dreimal so viele Interaktionen aus wie seine sonstigen Instagram-Posts. Ein schlichtes Foto von Rostbratwürsten mit scharfem Senf vom vergangenen Samstag? Über 15.000 Likes. Der Biss in die Leberkassemmel? 34.000 Likes. Söders Ess-kapaden sind längst Popkultur.
Es existieren unzählige Memes mit dem essenden Ministerpräsidenten, viele folgen ihm auf Instagram nur, um dem Schauspiel beizuwohnen. Als Söder seine FollowerInnen zum gemeinsamen Döner-Essen einlud, meldeten über 40.000 Menschen Interesse an.
Heimatverbundener Gastropopulist
Mit seinem Foodblog inszeniert sich der Ministerpräsident als heimatverbunden, bodenständig und genussfreudig. Und alle schauen hin. Seine Masche des Gastropopulismus geht voll auf. Während andere PolitikerInnen die sozialen Medien noch mit ernsthaften Botschaften bespielen, serviert Söder Eskapismus in Form von Schweinshaxen und Weißwürsten.
Söder hat dabei vielleicht die subtilste und erfreulichste Form des Populismus für sich entdeckt. Substanzielle Inhalte bleiben bei ihm in den sozialen Medien dagegen oft auf der Strecke. Zwischen Gender-Verbot und Grünen-Bashing brennen sich die Bilder der letzten deftigen Mahlzeit in die Köpfe seiner FollowerInnen. Ziemlich simpel. Denn es ist schon skurril, wenn der CSU-Vorsitzende in einer sich aufreibenden Gesellschaft Zeit für ein Ranking über seine liebsten Fleischgerichte findet.
Wer dem inhaltlichen Diskurs ausweichen möchte, aber dennoch Politiker ist, muss sich etwas einfallen lassen. Söder inszeniert sich als unerschütterlicher Bewahrer der bayerischen Lebensart. Während andere an diesem konservativen Weltbild rütteln wollen, diskutiert Söder gar nicht erst, sondern isst. Und in einer Welt, in der Wahlentscheidungen immer emotionaler getroffen werden, ist ein Schnitzel für manch einen vielleicht mehr wert als ein ganzes Parteiprogramm.
Fabian Englmann und Dario Holz haben mit anderen Nachwuchsjournalist:innen der taz Panter-Stiftung eine Sonderbeilage zur Bundestagswahl gestaltet. Hier können die Artikel der Beilage online gelesen werden.
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