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Eskalation im Nahost-KonfliktKeine Entspannung in Sicht

Die Gefechte im Gazastreifen halten an. Die Vereinten Nationen haben ein Dringlichkeitstreffen anberaumt. Israel zieht derweil Reservisten für eine Bodenoffensive ein.

Israelische Soldaten in der Nähe des Gaza-Streifens. Bild: ap

NEW YORK/JERUSALEM/TEL AVIV ap/dpa | Die Gewaltspirale im Nahostkonflikt dreht sich immer schneller und ruft die internationale Diplomatie auf den Plan: Der UN-Sicherheitsrat hat für den heutigen Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung anberaumt. Angeregt wurde das Treffen von mehreren arabischen Ländern, die ein sofortiges Ende der israelischen Offensive gegen Palästinenser forderten.

Ein Ende der Gefechte ist jedoch nicht in Sicht. Seit Beginn der Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen habe es mindestens 75 Tote gegeben, meldete das örtliche Gesundheitsministerium. Unter den Opfern waren demnach 20 Zivilisten. Israel traf nach eigenen Angaben bislang mehr als 300 Ziele und Hamas-Stellungen im Gazastreifen, darunter Raketenrampen, Waffenlager und für Attacken genutzte Tunnel.

Israels Armee hat vor einer möglichen Bodenoffensive im Gazastreifen 20 000 Reservisten eingezogen. Armeesprecher Peter Lerner sagte am Donnerstag, dabei handele es sich um die Hälfte der Reservisten, deren Mobilisierung Israels Regierung gebilligt habe. Eine Bodenoffensive im Gazastreifen sei jedoch die „letzte Option“, betonte er. Man erwäge noch die Vor- und Nachteile eines solchen Einsatzes.

Der Raketenbeschuss auf israelisches Territorium ging weiter. In Tel Aviv und im Süden Israels gaben die Sirenen mehrfach Luftalarm. Die Hälfte der Geschosse sei vom Abwehrsystem „Iron Dome“ in der Luft abgefangen worden, sagte ein Militärsprecher. Angaben zu Verletzten auf israelischer Seite machte er nicht.

Warnung vor Abwärtsspirale

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon telefonierte mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas sowie dem ägyptischen Staatschef Abdel-Fattah al-Sisi und US-Außenminister John Kerry.

Ban warnte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz eindringlich vor einer Abwärtsspirale, die schnell außer Kontrolle geraten könne. „Der Gazastreifen ist auf Messers Schneide“. Einen ausgewachsenen Krieg könne sich die gesamte Region nicht leisten.

Ban forderte einen Stopp der anhaltenden Raketenangriffe auf Israel, erklärte zugleich, er habe Netanjahu zu „maximaler Zurückhaltung und zum Respekt vor internationalen Verpflichtungen zum Schutz von Zivilisten aufgerufen“.

Lobende Worte für Abbas

Netanjahu bestätigte das Telefonat mit Ban. Zudem habe er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Chefdiplomat Kerry gesprochen. Diese hätten das Recht Israels auf Selbstverteidigung unterstützt, und genau dies „werden wir weiterhin tun“, sagte Netanjahu.

Zugleich fand Ban lobende Worte für Abbas. Ihm habe er in einem Telefongespräch zugutegehalten, „mutig für eine Sicherheitskooperation mit Israel einzustehen“. Dies sei „essenziell, um vor Ort für Stabilität zu sorgen“.

Ban drängte Ägyptens Staatschef al-Sisi, die Herrscher von Katar und Saudi-Arabien und US-Chefdiplomat Kerry dazu, Israelis und Palästinenser zu einer Rückkehr zum Waffenstillstandsabkommen von November 2012 und Friedensverhandlungen zu bewegen.

Schlechte Aussichten

Zudem kündigte Ban an, die UN-Sicherheitsrat bei dessen Sitzung am Donnerstag über die Gespräche zu unterrichten. Der palästinensische Gesandte Rijad Mansur sagte: „Wir wollen, dass der Sicherheitsrat seine Verantwortung trägt und die Aggression gegen unser Volk stoppt.“ Das höchste UN-Gremium solle eine Resolution zum Schutz der Palästinenser verabschieden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Dem Vorstoß werden jedoch nur geringe Chancen eingeräumt. Die USA stehen im Sicherheitsrat in der Regel an der Seite Israels. Das Gremium war auch in seiner Reaktion auf andere Konflikte zuletzt tief gespalten.

Israels UN-Botschafter Ron Prosor sagte, sein Land habe der Hamas über alle möglichen Kanäle eine Feuerpause angeboten, doch sie habe abgelehnt. „Die Hamas hat uns in diesen Konflikt hineingezogen“.

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9 Kommentare

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  • Netanyahu lehnt einen Waffenstillstand ab! Gerade eben auf NDR-Info gehört.

    Ein Waffenstillstand bedeutet: keine Bomben mehr auf Gaza durch die

    israelische Luftwaffe, keine Raketen mehr aus Gaza durch die Hamas.

    Will er nicht.

    • @Bernado:

      Und vielleicht auch ne Idee was für Gründe er dafür hat?

  • Kommentar entfernt.

    Bitte kommentieren Sie inhaltlich.

    • @Ernest Pinto:

      Es war doch inhaltlich! Das Ganze hat angefangen mit der Ermordung von drei Siedler-Jugentlichen. Also, ein Fall für die Kripo und die Staatsanwaltschaft, würde man erawarten. Aber nicht im Unrecht-Staat Israel. Da wird gleich die Hamas als schuldig erklärt, ohne dass ein Gericht darüber befinden konnte. Gleich danach die Häuser der mutmaßlichen Mörder zerstört und den Krieg gegen Hamas durch Luftangriffe erklärt. Im Zuge der anti-palästinensischer Hetze ein 14-jähriger Araber lebendig verbrannt. Festnahmen gab es, aber, wurden die Häuser der radikalen Juden zerstört? Nein, Gaza wurde weiter bombardiert. Dann verteidigen sich die Palästinenser mit den Mitteln, die sie zu Verfügung haben: Raketen. Als Antwort, massive Bombardements der Zivilbevölkerung in Gaza, weil anscheinend nur der faschistische Staat Israel das Recht hat, seine Zivilbevölkerung zu schützen.

       

      Kommentar bearbeitet. Bitte vermeiden Sie Schmähungen.

  • Der schreckliche Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte durch internationalen Druck gestoppt werden. Was jetzt passiert, ist ein begrenztes Drama. Die Ermordung der drei jüdischen Jungen und die Raketen aus Gaza auf jüdische Ortschaften zwingen die israelische Regierung zum Handeln, auch wenn ein Krieg gegen Gaza keine dauerhaften Änderungen bringen kann.

     

    Die dauerhafte Abriegelung des Gazastreifens und der immense Druck noch fanatischerer Gruppierungen in Gaza, zwingen die Hamas ebenfalls dazu, zu handeln. Das erklärt vielleicht die Zunahme des Raketengeschosses.

     

    Ein Waffenstillstand ist möglich, aber nicht die Lösung. Erneute Verhandlungen über eine gerechte Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern wären möglich, auch wenn ein positives Ergebnis immer unwahrscheinlicher wird.

     

    Aber selbst wenn Israel endlich die Besatzung beenden würde, einen palästinensischen Staat akzeptierte und in der Siedlungsfrage eine Lösung gefunden würde, gäbe es kein Ende der Feindseligkeiten und der Kämpfe. Es sind historische Chancen vertan worden, zu einem Frieden zu gelangen, als die Kräfte noch stark und einflussreich waren, denen es um Frieden und das Selbstbestimmungsrecht des palästinensischen Volkes ging.

    Es werden aber in der ganzen Region die islamistischen, fanatischen Mächte immer stärker, die diese Wege gar nicht beschreiten wollen. Sie streben die uneingeschränkte Herrschaft an und in ihrem Kalifat ist für Juden und nicht nur für diese kein Platz.

     

    Wenn es nicht gelingt, eine Allianz zu schmieden, die den islamistischen Fanatismus besiegt, dann werden alle israelischen Verletzungen des Völkerrechts und der Menschenrechte zu Randnotizen der Geschichte.

    • @Michael Riese:

      Bis heute weiß man nicht, wer die drei jungen Israelis ermordet hat. Das ist schon sehr merkwürdig. Vermutlich gibt es auch keine polizeilichen oder kriminaltechnischen Ermittlungen.

      Es scheint so zu sein, das diese Morde politisch extrem ausgenutzt werden.

    • @Michael Riese:

      Von wegen Zwang

      Wurden denn die Jugendlichen von Gazastreifen aus entführt?

      Warum erwähnen Sie nicht die Ermordung der 16 Jährigen, der 6 Personen bei der Sippenhaftungsmaßnahmen nach der Entführung der drei Jugendlichen.

      Was ist denn mit den gezielten Ermordung von zwei Jugendlichen am Tag der Nakba?

      Welche Rolle spielt die Bildung der Einheitsregierung?

       

      Niemand zwingt Israel zu Sippenhaftungsmaßnahmen, außer die Rassisten im eigenen Land und rechtsradikalen, aber Bibi kennt sowas von seinem Vater, der sich über Araber ziemlich nett geäußert hat.

       

      Sie bringen dann pr-mäßig die Keule mit Islamismus und lassen die Träumer von Großisrael in der israelischen Gesellschaft aber auch der Regierung außer Betracht.

      Für Sie ist Hasbara ein Begriff oder?

    • @Michael Riese:

      Du hast vollkommen Recht! Schade, dass die Zahlenangaben im Artikel nicht die Zahl der palästinesischen Rakettenangriffe auf Israel würdigen. Wo sind die Zahlen? Warum werden sie nicht beachtet?

      man braucht ja nur zu zählen was unter http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Palestinian_rocket_attacks_on_Israel,_2014 steht:

      Lediglich seit Anfang der israelischen Gegenoffensive wurden auf Israel 255 Raketten, mitunter welche die 130Kg. Sprengstoff tragen, gefeuert.

       

      Mag sein dass Amerika "automatisch" handelt und wie sieht es mit der automatischen Solidarität der arabischen Staaten mit jeden Angriff auf Israel?

       

      Wenn man auf "Automatik" schaltet und schablonenhaft handelt sieht es halt so aus wie um Gaza: eine brutale und bedauerliche Sackgasse.

      • @Mottip:

        "mitunter welche die 130Kg" das wären dann mehr Kilogramm als die Gradraketen die von der Ukraine eingesetzt werden also wo sind dann die Bilder von derartig zerstörten Gebäuten wie in Donezk bzw müssten die Zerstöhrungen ja Größer sein.

        Was wir aber sehen ist wieder die völlige Zerstörung der Infrastruktur im Gaza mit unzähligen Toten.

        Und denn schwarzen Peter haben wieder die Palästinenser.