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Erziehungstipps im InternetElternbashing

Auf Social Media ist Eltern-Kritik beliebt. Das liegt nicht nur an aufgeregten Kommentator*innen, sondern auch am Clickbaiting von Medien.

Totale Knaller sind Beiträge wie „Schnuller senken den IQ“ Foto: Panthermedia/imago

K aum etwas wird in sozialen Medien so drakonisch kommentiert wie Artikel über vermeintliche Fehler von Eltern. Kommentiert von Eltern, die meinen, sie seien besser als andere, und von Leuten, die selbst noch nie eine Windel aus der Nähe gesehen haben – die wissen es bekanntlich am besten.

Totale Knaller sind Beiträge wie „Schnuller senken den IQ“, „So ungesund sind Reiswaffeln wirklich“ oder wie vergangene Woche „Beruhigung mit Smartphone als Teufelskreis“. Im Teaser steht, dass es zwar eine schnelle Lösung sei, trotzigen Kindern das Smartphone in die Hand zu drücken, doch das könne nach hinten losgehen, wie eine Studie zeige. „Kinder, die häufig auf diese Weise beruhigt werden, versäumen es, eigene Fähigkeiten zur Steuerung ihrer Gefühle zu entwickeln. Und auch Eltern geraten in einen Teufelskreis.“ Auf dem Bild sieht man ein recht entspanntes Kleinkind, das auf ein Handy schaut und irgendwie bleibt die Frage: Worum geht es hier eigentlich?

In den Kommentaren verabschieden sich Leute unterdessen schon von der gesamten Menschheit, wie wir sie kennen. Da ist die Rede von verantwortungslosen, lieblosen Eltern. Von Kindern, ungewollt und ungeliebt, die zu Zombies werden und als Erwachsene alles kurz und klein schlagen, weil sie, gefesselt ans Smartphone, nicht gelernt haben mit ihrer Wut umzugehen – ganz anders als die Kom­men­ta­to­r*in­nen im Internet. Alarm, Alarm! Die Kinder von heute gehen an Bildschirmen zugrunde, schreiben Menschen an ihren Bildschirmen.

Nicht mal jeder Wuntanfall

Wer sich etwas eingehender mit der Studie befasst oder zumindest den Artikel liest, erfährt, dass es eigentlich um die regelmäßige Nutzung von Smartphones zur Beruhigung von Wutanfällen bei Kindern zwischen drei und fünf Jahren geht. Für die Studie wurden 422 Elternteile befragt, wie wahrscheinlich sie ein Smartphone zur Beruhigung einsetzen würden. 146 sagten: gar nicht, 36 sagten: sehr wahrscheinlich. Der Rest verteilt sich dazwischen mit absteigender Anzahl nach zunehmender Wahrscheinlichkeit.

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem bei Kindern, die bereits Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu regulieren, abgeraten wird, Wutanfälle regelmäßig mit Smartphones zu beruhigen. Es sollen also bereits vorhandene Schwierigkeiten nicht per Bildschirm umgangen und damit verstärkt werden. Klingt logisch. Es geht aber weder um alle Kinder noch um jede Bildschirmzeit. Es geht noch nicht mal um jeden Wutanfall.

Klingt anders als auf Instagram. Ist aber keine gute Schlagzeile. So wie „Kinder, die 24 Stunden am Tag schnullern, haben womöglich später einen niedrigeren IQ, doch das liegt vielleicht an jenen Lebensumständen, die erst dazu führen, dass sie so viel schnullern“ keine gute Schlagzeile wäre. Oder: „Arsen in Reiswaffeln gefunden, aber keine Panik, wird erst gefährlich, wenn sich Ihr Kind morgens, mittags und abends nur davon ernährt“.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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3 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Schade, dass Menschen so wenig zutrauen in die eigene Meinung haben und sich ständig von anderen belehren oder gar leiten lassen. Was interessiert mich die Masse, das Gefasel von dahergelaufenen Besserwissern oder Betroffenheitsfanatiker. Ich mach mein Ding so wie ich es für richtig finde und der Rest der "Mitmenschen" kann mich mal. Und wenn die nen Shitstorm brauchen solen sie gerne, wen juckts !?? Viel mehr sollten diesen Ansatz haben, dann bräuchte es auch keine Infuencer, Facebook-Geraffel oder selbsternannte Besserwisser.

  • Richtig, Frau Hödl. Angesichts der Hilflosigkeit der Gesellschaft und der eigenen Person angesichts der Klimakatastrophe, weil wir unsere Gier nach immer mehr nicht in den Griff bekommen, sind wir für jeden anderen Anlass dankbar, um uns von diesem Dilemma abzulenken und unsere hilflose Wut auszuleben.

  • Selten kann ich Frau Hödl so zustimmen wie diesmal. Nur, was hilft das dem Durchschnittsleser? Hat jemals gerade auch die Taz die eigentliche Primärquelle zu solchen Berichten deutlich, nachvollzieh- und auffindbar genannt? Verweise auf etwas weniger gelbe Quellen der Populärwissenschaft ja, Pressemitteilungen von PR-Abteilungen der Hochschulen auch, aber echte, belastbare Primärquellen aus der wissenschaftlichen Fachliteratur? Ich kann mich nicht erinnern. Auf dieser Basis den Leser zu beschimpfen, weil er nur die vereinfachte Zusammenfassung kennt, ist billig.