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Erstes Pauli-Heimspiel nach CoronapauseSieg am Geistertor

Der FC St. Pauli ist gegen Nürnberg mit 1:0 erfolgreich – auch ohne Fans. Viele AnhängerInnen wollen lieber einen Saisonabbruch als leere Ränge.

Desinfektion hat Priorität: Ein Mitarbeiter wischt den Spielball ab Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz |„Das Millerntor ist mal wieder komplett ausverkauft.“ Die obligatorische Ansage von Stadionsprecherin Dagmar Hansen bleibt beim ersten Heimspiel nach der Coronapause aus – wie vieles, was sonst zu einer Zweitligapartie des FC. St. Pauli gehört. Keine Einlaufkinder, keine Fangesänge, keine Stadiondurchsagen, keine Pyrotechnik. Und als die Spieler des FC Nürnberg am gestrigen Sonntag die Rasenfläche betreten, tragen sie tatsächlich Mundschutz, den sie erst zum Warmmachen ablegen.

Für die wenigen Offiziellen und Medienvertreter, die sich auf der Haupttribüne verteilen, ist die Maske Pflicht. Wer sie nur kurz abnimmt, wird ermahnt. Es ist der 26. Spieltag der Zweiten Bundesliga, das erste Geisterspiel am Hamburger Kiez. Nur ein einziges Transparent ziert die fast leeren Ränge der Haupttribüne: „Der Fußball lebt durch seine Fans!“

Die Entscheidung, die Saison ohne ZuschauerInnen zu Ende zu spielen, um den Vereinen die Fernseheinnahmen zu retten, wird begleitet von massiver Kritik der AnhängerInnen des Zweitligisten. In einer Umfrage auf einem Vereinsforum haben sich über 80 Prozent für einen Abbruch der Saison ausgesprochen. Und die Pläne des Bezahlsenders Sky, seinen AbonentInnen eine Tonspur-Option mit eingespielter Stadion­athmosphäre und aufgezeichneten Fangesängen anzubieten, löst auch in der St.-Pauli-Gemeinde einen Shitstorm aus.

Im Kern geht es um die Entwertung der Fankultur

Im Kern geht es um die Entwertung der Fankultur. Spieler und auch Präsidenten kommen und gehen, Sponsorengelder und Fernseheinnahmen sind nur ein Zusatzgeschäft, die Fans sind aber in ihrer Eigenwahrnehmung durch die bedingungslose Unterstützung des eigenen Teams der Nabel und das Herz des Profifußballs zugleich. Dass die Saison nun einfach in leeren Stadien weiterläuft, ist für einige ein Zeichen, „wie weit sich der Kommerzfußball schon von der Gesellschaft abgekoppelt hat“, wie es in einem Fanforum heißt.

Nur ein einziges Transparent ziert die fast leere Haupttribüne: Der Fußball lebt durch seine Fans!

Und wenn plötzlich die Spieler, die noch vor Wochen behauptet haben, sie hätten „ohne die grandiose Unterstützung der Fans das Spiel niemals gewonnen“ nun berichten, sie seien „so auf das Spiel fokussiert, dass man das Drumherum ja kaum wahrnimmt“, wird der fehlende Fan-Support zur Randnotiz degradiert.

Fußball mit nur einer Handvoll Zuschauer – für alle Teams, die in der Bezirksklasse, im Jugend- oder Seniorenbereich spielen, Alltag – wird im Bezahlfußball zum Zeichen einer totalen Kommerzialisierung.

Das Dutzend zugelassener Journalisten (nein, es haben keine weiblichen Kolleginnen in die Endauswahl geschafft) erwartet nach umfangreicher Desinfektion und Fieberkon­trolle vor allem eine besondere Akkustik. Die leeren Betontribünen reflektieren jeden Ton – und verschluckt das vollbesetzte Stadion sonst die Rufe der Spieler fast komplett, hört man nun genau, wie sich die Spieler permanent anfeuern und korrigieren. Es klingt eher nach Bolzplatz als nach Bundesliga.

Rote Karte für den Torwart

Die aber muss nun auf Biegen und Brechen ihre Saison abschließen. St. Pauli und Nürnberg, beide kurz vor der Abstiegszone in der Zweitliga-Tabelle, brauchen dringend einen Sieg, um den Klassenerhalt zu sichern. Mehr als 50 Minuten dominieren die Gäste aus Franken, während die Hamburger kaum ins Spiel kommen und bei der Manndeckung auf Mindestabstand schalten.

Erst als in der 53sten Minute Gästetorwart Christian Mathenia eine Rote Karte bekommt, weil er Pauli-Stürmer Henk Veermann nur noch mit einer Notbremse stoppen kann, dreht sich die Partie. Die Hamburger setzen sich im Strafraum der Gäste fest und warten auf die Lücke in der gegnerischen Abwehr. In der 84. Minute schießt der eingewechselte Viktor Gyökeres ins lange Eck zum 1:0-Siegtreffer.

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2 Kommentare

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  • Leider sind diese Spiele notwendig, um die völlig überzogenen Gehälter von Spielern, Trainern und Räten in den Vereinen uberhaupt noch wuppen zu können.



    Es wird aber, wie beschrieben, deutlich, dass die Fans nur noch Bezahlvieh sind.



    Ein Abbruch und diverse Insolvenzen in 1. und 2. Liga, sind aber unumgänglich, sollten noch ein oder Teams in Quarantäne müssen.

  • Geisterspiele ist Kurzabeit der Bundesliga. Keiner will das ist aber notwendig