Erster Tag der Fastenzeit Ramadan: Zwischen Askese und Party
Für Muslime beginnt der Ramadan. Die Fastenzeit fällt diesmal auf die hellste Zeit des Jahres. Der Fastentag wird damit besonders lang.
„Es ist ein Mehraufwand“, sagt Philipp Bertram, leitender Mitarbeiter der Einrichtung, „aber die meisten wollen mitmachen.“ 750 von 1150 BewohnerInnen haben sich angemeldet zum Ramadan-Fasten.
Montag, am 6.Juni, hat die Fastenzeit Ramadan begonnen. Sie dauert bis 5. Juli. Fasten ist laut dem Koran für alle erwachsenen Muslime Pflicht, aber es gibt im Koran Ausnahmen für Kranke, Schwandere, Schwerarbeitende und Reisende. Der Koran erlaubt, Fastentage auch zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen oder zum Ausgleich Bedürftige für einen Tag mit Essen zu versorgen.
Der Fastenmonat fällt in diesem Jahr auf die hellste Zeit des Jahres. Was zur Folge hat, dass die Zeit von Morgendämmerung bis Dunkelheit bis zu 20 Stunden betragen kann. 20 Stunden, in denen ein gläubiger Muslim oder eine Muslima nichts essen und trinken darf. Das ist lang. Nur in der Dunkelheit, vom späteren Abend bis um halb drei Uhr am frühen Morgen ist es erlaubt, den Magen zu füllen. Es bleiben also zwei Mahlzeiten am Tag.
Am besten abends Mischkost
Dabei gibt es gesunde und weniger gesunde Methoden, den Fastenmonat durchzustehen. Die Mahlzeiten am Abend beginnt man meist mit Wasser und Datteln. Danach sei es am besten, wenn man etwas Leichtes esse, „gesunde Mischkost mit Salat und Gemüse“, sagt Mahmoud Sultan, Internist und Diabetes-Experte in Berlin-Kreuzberg. Wer am Abend die gleiche, leichte Nahrungsmenge zu sich nehme wie am frühen Morgen und vor allem viel trinke, lebe am gesündesten.
Manchmal seien die Leute am Abend so durstig, dass sie sich auf die Getränke stürzten und dann keinen großen Hunger mehr verspürten, erzählt der Internist. Viele Muslime allerdings brechen das Fasten am Abend mit einem mehrgängigen, geselligen Mahl. Erst gibt es Wasser, Datteln, dann Suppe, Brot, dann Fleisch mit Beilagen und noch ein süßes Dessert zum Schluss.
Die Völlerei am Abend macht sich auf der Waage bemerkbar. Fast ein Viertel der Fastenden lege im Ramadan an Gewicht zu, erzählt Sultan. Bei einem Viertel bleibe das Gewicht gleich. Immerhin: die Hälfte der Fastenden nimmt im Ramadan ab.
Gebetsraum in der Firma
Diabetikern rät er ab vom Fasten, sagt der Internist, „aber viele Patienten wollen trotzdem fasten.“ Manche Diabetiker beschließen, ihrem Arzt lieber nichts davon zu erzählen. Sultan ist für Offenheit. Wenn ein Patient darauf bestehe, sich am Ramadan zu beteiligen, begleite er ihn, berichtet der Internist. Dann werden gegebenenfalls die Medikamente anders dosiert.
Das Fasten von gläubigen Muslimen, die Diabetiker sind, weltweit immerhin rund 50 Millionen Menschen, ist ein globales Gesundheitsproblem. Denn Diabetiker müssten eigentlich mehrere kleinere Mahlzeiten über den Tag verteilt zu sich nehmen und nicht nur wenige große Nahrungsmengen in der Nacht.
Gesundheitsfragen im Ramadan beschäftigen auch die Arbeitgeber. Bei BMW in München haben die muslimischen Mitarbeiter einen eigenen Gebetsraum, in den sie sich während der Pausenzeiten zurückziehen können, um zu beten, berichtet ein Unternehmenssprecher. Der Koran schreibt Gebete zu bestimmten Zeiten am Tage vor. Besondere Pausen gebe es dafür aber nicht, so der Sprecher. Die Mitarbeiter könnten auch Schichten untereinander tauschen, so dass Arbeit und Freizeit besser zu den Essenszeiten passten. Bisher habe man in der Fastenzeit keine Ausfälle der Mitarbeiter an den Fertigungsstraßen festgestellt.
Ramadan ist nicht zuletzt ein geselliges Ereignis. Das hängt aber auch an der Lebenssituation. Ibraheem und Ahmed sind beide aus Syrien und wohnen in der Unterkunft im Flughafen Tempelhof in Berlin. Dort passt man sich in der Versorgung dem Fastenmonat an. „Wir fasten beide“, erzählt Ahmed, „in der ersten Nacht gab es Frühstück schon um ein Uhr früh. Zwei Scheiben Brot, Marmelade mit Butter.“ Aber ein „schöner Ort“ für Ramadan sei Tempelhof nicht. Es fehlten die Familie, die Freunde, selbst kochen darf man in der Unterkunft auch nicht. „Die Stimmung ist nicht viel anders als sonst“. (Mitarbeit: Volkan Agar)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei