piwik no script img

Erste Urteile nach Kölner SilvesternachtBewährungsstrafe für drei Männer

Nach den Ereignissen der Kölner Silvesternacht gibt es Bewährungsstrafe für drei Männer. Sie waren nicht wegen sexueller Übergriffe angeklagt.

Erste Urteile: Der Rechtsstaat müsse reagieren, meint die Staatsanwaltschaft. Foto: dpa

Köln taz | Das Kölner Amtsgericht hat am Mittwoch die ersten Täter wegen der Vorfälle in der Silvesternacht verurteilt. Drei Männer zwischen 18 und 23 Jahren wurden wegen Diebstahl zu Bewährungsstrafen verurteilt. Alle drei saßen seit Silvester in Untersuchungshaft. Keiner war wegen sexueller Übergriffe angeklagt.

Die Ereignisse in der Silvesternacht am und im Kölner Hauptbahnhof hatten bundesweit für Entsetzen gesorgt. Hunderte von PassantInnen waren bestohlen und sexuell bedrängt worden, ohne dass die Polizei eingeschritten war. In den jetzt verhandelten Fällen hatten die Opfer selbst die Täter gestellt.

Im ersten verhandelten Verfahren gegen einen 23-Jährigen Marokkaner schilderte die bestohlene Zeugin, dass sie bereits beim Verlassen des Bahnhofs begrabscht worden war. Wenig später griff ihr jemand von hinten an den Po. Die 20-Jährige drehte sich um, konnte aber nicht ausmachen, welcher der hinter ihr stehenden Männer es war. Als sie kurz darauf mit dem Handy den Dom fotografieren wollte, entriss ihr jemand das Telefon.

Ein Beobachter der Szene – ein Flüchtling aus Afghanistan – sah den Dieb. Gemeinsam verfolgten sie ihn und holten ihn ein. Die Polizei fand bei dem Mann eine Amphetamintablette, wegen der er ebenfalls angeklagt war. Er gestand den Diebstahl und den Drogenbesitz, bestritt aber von Anfang an den sexuellen Übergriff. „Excuse me“, sagte er zu der 20-Jährigen im Prozess. Die angehende Studentin nahm die Entschuldigung an. „Man sieht ja, dass es ihm leidtut“, sagte sie mit Blick auf den niedergeschlagen wirkenden Angeklagten.

Staatsanwältin Monika Volkhausen hatte eine Haftstrafe von 6 Monaten und zwei Wochen auf Bewährung sowie eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 5 Euro gefordert – viel für das Delikt, vor allem angesichts der fast zweimonatigen U-Haft des 23-Jährigen. Man müsse den Gesamtzusammenhang der Tat sehen, sagte die Staatsanwältin: „Der Rechtsstaat muss reagieren.“ Sein Mandant werde für die Ereignisse in der Silvesternacht verantwortlich gemacht, kritisierte hingegen Verteidiger Florian Storz und plädierte für eine Geldstrafe.

Man müsse den Gesamtzusammenhang der Tat sehen, so die Staatsanwältin

Richter Amand Scholl blieb mit 6 Monaten auf Bewährung und 20 Tagessätzen à 5 Euro nur wenig unter der geforderten Strafe. Es habe sich „um eine Handlung in raubähnlicher“ Weise gehandelt. Der Angeklagte nehme es mit den in Deutschland „geltenden Regeln nicht so genau“, sagte er. Der 23-Jährige hatte angegeben, seit etwa einem Jahr in Deutschland zu leben, hatte aber erst im Dezember einen Antrag auf Asyl gestellt.

Im zweiten Verfahren ging es um einen Diebstahl auf der Hohenzollernbrücke, die unmittelbar am Kölner Hauptbahnhof liegt. Die beiden Angeklagten, ein 18-Jähriger aus Marokko und ein 22-jähriger Algerier, stahlen in der Silvesternacht einem indischen Touristen eine Tasche mit einem Fotoapparat und übergaben sie an zwei weitere Männer – Zufallsbekanntschaften, erklärten sie. Bis heute ist die Tasche verschwunden. Der Tourist konnte die Diebe festhalten und der Polizei übergeben. Sie waren geständig.

Der 18-Jährige war auch wegen weiteren Diebstählen und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt. Er wurde zu einer Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt. Der 22-Jährige erhielt eine Haftstrafe von 3 Monaten auf Bewährung. Beide Männer haben einen Asylantrag gestellt. Zu ihren Bewährungsauflagen gehören Sozialstunden und die Zusammenarbeit mit einem Bewährungshelfer.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Da hat der Rechtsstaat endlich mal seine ganze Härte gezeigt und ganz strenge Bewährungsstrafen verhängt. Das wird den Jungs bestimmt eine Lehre sein. Alle Frauen in Köln können sich wieder sicher fühlen.

    • @86548 (Profil gelöscht):

      Die drei Angeklagten haben doch bereits fast zwei Monate in U-Haft verbracht. Jetzt kommt noch die Bewährungsstrafe und in einem Fall die Geldstrafe obendrauf. Das ist bei diesen relativ kleinen Diebstählen mehr als genug, um "Härte " zu zeigen. Und um sexuelle Übergriffe ging es in dieser Verhandlung gar nicht, wie im Artikel klar steht.

      • 8G
        86548 (Profil gelöscht)
        @Andreas V.:

        Die U-Haft ist eine Bestrafung, da haben Sie schon Recht. Ich finde nur, dass eine Bewährungsstrafe die falschen Signale setzt, nach dem Motto: So schlimm war es ja nicht. Aber vielleicht täusche ich mich auch und die Jungs sind jetzt so eingeschüchtert, dass sie ganz brav werden.

      • @Andreas V.:

        Sie und Schmollo hätten Richter werden sollen, na, da wüßten die aber mal, wo der Hammer hängt!

        • 8G
          86548 (Profil gelöscht)
          @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

          Ich bin Richter, leider nur Amtsgericht.

  • Die beiden letztgenannten Täter haben ihre Komplizen also nicht genannt und werden dafür zu brutalen, unmenschlichen Bewährungsstrafen verdonnert. Applaus, Applaus

    • @matschmi:

      gibt es irgendeinen grund, sie zu mehr zu verpappen als nach den auch für bio-deutsche geltenden tarifen?

      ich wüßte keinen.

      • @christine rölke-sommer:

        "ich wüßte keinen."

         

        Sie sind ja auch nur Juristin ;)

  • Na, das war ja ein regelrechter Blitz- äh- prozess. Innerhalb knapp dreier Monate ermittelt man in Sachsen nicht mal die Namen rechtsradikaler Brandstifter.

  • Wirklich, war es bisher noch niemandem einen Kommentar wert.

    • @hören&lesen:

      Ist Ihrer jetzt schon einer ?