Aufarbeitung Silvester-Übergriffe in Köln: „Ein neues Tatphänomen“

Der NRW-Innenminister Ralph Jäger gerät vor dem Untersuchungsausschuss zu Köln in Widersprüche. Gab es Vertuschungsversuche?

Ralf Jäger vor vielen Mikrofonen, fotografiert von oben

Auch in der Sitzungspause gibt es viele Fragen an Innenminister Jäger Foto: dpa

DÜSSELDORF taz | Erst vier Tage nach der Silvesternacht hätte er eine erste Lageeinschätzung vornehmen können, beteuerte Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Montag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag. Und auch erst dann habe er mit der Ministerpräsidentin über die Vorfälle am Kölner Hauptbahnhof gesprochen.

Hartnäckig fragte der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Peter Biesenbach (CDU), nach: „Hatte die Ministerpräsidentin da vielleicht ein besseres Bauchgefühl als Sie?“ Es ginge doch um „Fakten“, nicht um „Bauchgefühl“, verteidigte sich der Innenminister.

Jägers vierstündige Vernehmung sollte vorläufiger Höhepunkt des Ende Februar eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses sein, erwies sich aber als kleinteilig und zäh. Im Wesentlichen wiederholte Jäger gebetsmühlenartig, was er bereits im Januar in Innenausschusssitzungen zu Protokoll gegeben hatte: Erstens, die Kölner Polizei habe eklatant versagt, da sie versäumt hatte, rechtzeitig Kräfteunterstützung anzufordern. Und zweitens: Bei den massenhaften sexuellen Übergriffen handele sich um ein neues Tatphänomen, das so nicht vorhersehbar gewesen sei.

Seit gut einem Monat sieht sich Jäger dem Vorwurf der Vertuschung ausgesetzt. Allein eine Stunde lang versuchte der Ausschuss herauszufinden, ob das Wort „Vergewaltigung“ bewusst aus einer polizeilichen Meldung am Neujahrstag gestrichen worden war. Der Vorwurf sei „aus der Luft gegriffen“, stellte der Innenminister klar.

Aussage gegen Aussage

Es geht um folgenden Verdacht: Ein Beamter der Landesleitstelle, die Teil des Minister Jäger unterstellten Landesamts für Zentrale Polizeiliche Dienste (LZPD NRW) in Duisburg ist, soll am Neujahrstag bei der Kölner Polizei darum gebeten haben, die Meldung zu den Vorfällen der Nacht zu „stornieren“, beziehungsweise den Begriff „Vergewaltigung“ zu streichen. Angeblich auf Wunsch des Ministeriums. Fest steht: Die Meldung ging im Wortlaut raus.

Ein solches Telefonat habe es nicht gegeben, sagte der Minister zunächst. Auf Nachfragen ruderte er zurück: Ob es einen schriftlichen Bericht darüber gebe, wisse er nicht. Für Ina Scharrenbach, Sprecherin der CDU-Fraktion im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, steht fest: „Wir glauben ihm nicht, da drei Beamte vor dem Untersuchungsausschuss anderes ausgesagt haben.“ Für Marc Lürbke, Sprecher der FDP-Fraktion im Untersuchungsausschuss, steht Aussage gegen Aussage, aber: „Warum ist die Einschätzung des Ministers mehr wert als die der Beamten?“

Eine Nachricht ging an Jägers Blackberry, aber er reagierte nicht

Die Opposition wirft dem Minister auch vor, die Lage völlig falsch eingeschätzt zu haben. Das Lagezentrum vermeldet am Neujahrstag elf sexuelle Übergriffe „durch eine 40- bis 50-köpfige Personengruppe“, außerdem wird die Vergewaltigung einer 19-Jährigen detailliert geschildert. Die Nachricht ging direkt an Jägers Blackberry. Scharrenbach: „Wir können absolut nicht nachvollziehen, dass der Minister nach dieser Meldung über 65 Stunden lang keine Nachfrage an die Behörden gestellt hat.“

Er bekomme solche „Wichtiges Ereignis“-Meldungen täglich auf sein Handy, versicherte Jäger. Er habe die Brisanz nicht erkennen können, dies sei erst mit dem „Wissen von heute“ möglich.

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