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Erste Sitzung des KoalitionsausschussesSimulation von Aufbruch

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Der erste schwarz-rote Koalitionsausschuss soll das Signal senden, die Blockade der Ampel zu beenden. Ob Kanzler Merz das weiterhin einhalten kann, ist fraglich.

Gute Stimmung: Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken nach der ersten Sitzung des Koalitionsausschusses Foto: Bernd Elmenthaler/Geisler-Foto/picture alliance

F riedrich Merz fand es mehr als super. Dem Kanzler zufolge verlief die erste Sitzung des Koalitionsausschuss am Mittwoch Abend „sehr konstruktiv, sehr zielgerichtet und auch sehr konzentriert“. Die Atmosphäre war „sehr gut“, die Zusammenarbeit sogar „sehr, sehr gut“. Die Spitzen von CSU und SPD pflichteten ihm bei, als Beleg lieferten die Koalitionäre ein fünfseitiges Ergebnispapier ab: 62 Einzelmaßnahmen, bei denen es schon „bis zur Mitte des Jahres“ vorangehen soll.

Die erkennbare Absicht: Schwarz-Rot will den Blockademodus der Ampelregierung mit ihren ständigen Krisensitzungen hinter sich lassen und stattdessen Aufbruchstimmung ins Land senden. Wenn das mal gut geht – und Merz mit seinen Superlativen und Turbo-Ankündigungen nicht nur wieder Erwartungen weckt, die er am Ende doch nicht erfüllen kann.

Der Koalitionsausschuss hat in seinem Ergebnispapier schließlich nur Stichpunkte übernommen, auf die sich Union und SPD schon im Koalitionsvertrag geeinigt hatten. Zu offenen Detailfragen – bei denen das Konfliktpotenzial oft am größten ist und bei denen sich die wirkliche Einigungsfähigkeit einer Regierung zeigt – gibt es nichts Neues.

In der Steuerpolitik zum Beispiel führt Schwarz-Rot noch mal allerlei Erleichterungen auf, die zum Teil wirklich zu Wachstum führen könnten (Investitionsprämie für Unternehmen), teils die Profite einzelner Branchen steigern (Steuersenkung in der Gastronomie), teils den Klimawandel bremsen (E-Autoförderung) und teils den Klimawandel beschleunigen (Agrardieselförderung). Über Einwände der Bundesländer, bei denen die Pläne Haushaltslöcher verursachen und daher ihre Zustimmung bislang verweigern, geht der Koalitionsausschuss hinweg. Zur Frage, an welchen Stellen im Bundeshaushalt zur Gegenfinanzierung gekürzt wird, findet sich kein Wort.

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Ähnlich bei der Rente: Vollmundig kündigt Schwarz-Rot den „Beginn einer großen Rentenreform“ an, listet dann aber nur bekannte Maßgaben auf, die die Ausgaben steigen lassen (garantiertes Rentenniveau bis 2031, Ausweitung der Mütterrente). Bei der Suche nach einer gemeinsamen Lösung für die Einnahmen ist man keinen Schritt weiter. Und die außenpolitischen Fragen, bei denen sich zuletzt in der Koalition Risse andeuteten? Rüstungsexporte nach Israel, Taurus für die Ukraine? Sie klammerte der Koalitionsausschuss gleich ganz aus.

Stand jetzt ist nur bei einer Handvoll Maßnahmen erkennbar, dass die Ankündigungen und das Eigenlob von Merz und Co. mehr sind als nur Gerede. Ein paar erste Beschlüsse gingen schon diese Woche geräuschlos durchs Kabinett, sie könnten den Bundestag tatsächlich schon vor der Sommerpause passieren. Dazu gehört die Aussetzung des Familiennachzugs für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte. Aber an dieser Stelle ist die Eintracht in der Koalition noch nicht mal eine wirkliche Zäsur: Zumindest beim Abbau der Rechte von Geflüchteten hatte schon die Ampel ein hohes Tempo vorgelegt.

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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