Erste Live-Kommentatorin bei WM-Spiel: „Eine Frauenquote hilft nicht“
Zum ersten Mal wird im deutschen Fernsehen eine Frau ein WM-Spiel live kommentieren: die Reporterin Claudia Neumann über Frauen im Sportjournalismus und die deutschen Chancen.
taz: Frau Neumann, Sie sind die erste Frau, die jetzt eine Fußball-WM live kommentiert. Warum durften Frauen nicht früher schon ran?
Claudia Neumann: Das ist ganz logisch. Es gibt weniger Frauen als Männer im Sportjournalismus und auch weniger Frauen im Fußball.
Was prädestiniert Sie für diesen Job beim ZDF?
Ich kenne mich beim Fußball einfach gut aus. Ich bin damit aufgewachsen, ich habe immer mit Jungs und mit Männern gekickt. Aber es gibt eben nicht viele Frauen in meiner Generation, die das gemacht haben. In zehn oder zwanzig Jahren wird das ganz anders aussehen. Heute spielen viele Mädchen Fußball und die Eltern sind stolz darauf.
Es gibt auch nur wenige Fußballreporterinnen.
Richtig. Die meisten Fernsehsportjournalistinnen tendieren eher zur Moderation, das ist aber ein ganz anderer Job. Da muss man spannende und knifflige Fragen stellen, aber nicht unbedingt eine Spielsituation erklären.
CLAUDIA NEUMANN, 47, seit 1999 als Sportreporterin beim ZDF. Auf diesem Sender wird sie am Dienstag, 28. Juni, um 15 Uhr das Spiel Kolumbien gegen Schweden live kommentieren. Insgesamt präsentiert sie sieben Spiele.
Wird Frauen von vornherein nicht genug Fußballkompetenz zugetraut?
Echte Fußballkompetenz ist nur möglich, wenn man mit dieser Sportart groß geworden ist. Die kann man schlecht lernen. Und da hilft auch keine Frauenquote, um mehr Live-Kommentatorinnen zu bekommen. Das Handwerk ist nämlich viel schwieriger, als es im Fernsehen vielleicht aussieht. Im Gegenzug würde ich mir nie zutrauen, über Eiskunstlauf zu sprechen.
War es schwierig für Sie, beim ZDF Live-Kommentatorin zu werden?
Ich denke, dass meine fachliche Kompetenz nicht in Frage gestellt wurde. Aber ich musste natürlich zeigen, ob ich das Handwerk des Live-Kommentars hinbekomme. Davor hatte und habe ich großen Respekt. Zum ZDF kam ich von Ran, der Fußballsendung von Reinhold Beckmann auf Sat 1. Ich fing dort Anfang der neunziger Jahre an und wurde sofort als Redakteurin eingestellt, obwohl ich mich für ein Volontariat beworben hatte. Die Männer waren fasziniert von meinen Fußballkenntnissen, die mit ihren absolut mithalten konnten. Mir hat es damals aber auch geholfen, dass ich eine Frau bin, weil es zu jener Zeit ja nicht viele Fußballreporterinnen gab.
Gab es Macho-Sprüche?
Nicht einen einzigen.
Warum wird Frauenfußball immer als andere Sportart bezeichnet?
Die anatomischen Voraussetzungen von Frauen sind anders. Einer Frau gelingt es einfach nicht, aus dem Fußgelenk einen 40-Meter-Pass zu kicken. Die Kraft- und Hebelverhältnissse sind bei Frauen anders, Frauen laufen langsamer, die Torhüterinnen kriegen bestimmte hohe Bälle nicht, weil sie kleiner sind als Männer.
Sie folgen einer biologistischen Argumentation.
Ich kann das einschätzen, weil ich jahrzehntelang gespielt habe. Im Vergleich zum Männerfußball sieht Frauenfußball aus wie ein Sport zweiter, dritter Klasse. Wenn man das aber mit den Anfängen des Frauenfußballs vergleicht und Frauenteams untereinander, sieht man, dass das ein toller Sport ist. Wer Spaß am Frauenfußball haben will, sollte den Männerfußball für die Zeit des Spiels vergessen.
Werden die Deutschen Weltmeisterinnen?
Die deutsche Mannschaft ist die beste der Welt. Aber es gibt drei, vier Teams, gegen die die Deutschen an schlechten Tagen verlieren können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen