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Erste Bundestagsrede als AgrarministerÖzdemir verspricht Bauern mehr Geld

Der neue Ernährungsminister will, dass Landwirte höhere Preise bekommen. Indirekt spricht er sich für eine Tierwohlabgabe auf Fleisch aus.

Noch in diesem Jahr will die Ampelkoalition die Tierhaltungskennzeichnung einführen Foto: Martin Wagner/imago

Berlin taz | Bundesagrarminister Cem Özdemir hat den Bauern höhere Erzeugerpreise für Fleisch versprochen. Es sei nicht in Ordnung und „auch nicht alternativlos“, wenn ein Landwirt von dem Euro, den der Kunde im Laden für Schweinefleisch ausgebe, gerade einmal 22 Cent bekomme, sagte der Grünen-Politiker in seiner ersten Rede als Ressortchef am Freitag im Bundestag. „Das ist einfach eine Sauerei. Das kann man ändern, das muss man ändern, und diese Koalition wird das ändern“, so Özdemir. Er sei nicht bereit, „ein ausbeuterisches System“ weiter hinzunehmen, das auf Kosten von Menschen, Tieren, Umwelt und Klima gehe.

Indirekt gab der Minister erstmals einen Hinweis, wie er die höheren Preise erreichen will: Özdemir bezeichnete die Ergebnisse der Borchert-Kommission zur Zukunft der Nutztierhaltung in Deutschland und der Zukunftskommission Landwirtschaft als „tolle Ideen“. Bisher habe gefehlt, „dass die tollen Ideen endlich umgesetzt werden.“ Özdemir: „Es gibt kein Erkenntnisproblem, es gibt ein Anwendungsproblem. Und genau das habe ich mir vorgenommen.“

Die Kommission unter dem ehemaligen Bundesagrarminister Jochen Borchert (CDU) hat empfohlen, dass künftig alle Ställe mindestens der Stufe 2 der im Handel üblichen „Haltungsform“-Kennzeichnung entsprechen. Sie verlangt etwa in der Schweinemast 10 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. Die neuen Marktanteile sollen vor allem durch eine verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung beispielsweise von Fleisch erreicht werden, damit die VerbraucherInnen Produkte mit niedrigeren Standards meiden können.

Für die höheren Kosten sollen die Bauern laut Kommission Geld aus einer neuen Abgabe auf tierische Produkte erhalten. Özdemir bekräftigte am Freitag, die Ampelkoalition wolle die Tierhaltungskennzeichnung noch in diesem Jahr einführen. Sie soll VerbraucherInnen zeigen, unter welchen Bedingungen die Tiere lebten sowie transportiert und geschlachtet wurden.

Zahlen sollen die Fleischesser

Die höheren Standards sollen also von den Fleischessern bezahlt werden, sagte die Grünen-Abgeordnete Zoe Mayer in der Debatte. „Landwirtschaftspolitik muss natürlich sozial sein, aber sie ersetzt doch nicht Sozialpolitik“, so Özdemir. Die Koalition wolle eine gute Sozial- und eine gute Agrarpolitik machen. Das Bündnis plant unter anderem, den Mindestlohn zu erhöhen. SPD-Agrarpolitikerin Susanne Mittag hatte in der taz darauf hingewiesen, dass die Hartz-IV-Sätze für Lebensmittel automatisch erhöht würden, wenn das Preisniveau steige. Zudem würden die Preisaufschläge für den Tierschutz gering sein.

Steffen Bilger, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion, kritisierte, für Özdemir spielten „die Sorgen der Verbraucher angesichts steigender Preise und gerade die Auswirkungen auf Familien und Menschen mit mittlerem Einkommen“ keine Rolle. Die Pläne der Ampelkoalition berücksichtigten auch nicht, dass die deutschen Landwirte im internationalen Wettbewerb stünden. Deutschland drohe, abhängiger von Lebensmittelimporten zu werden.

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6 Kommentare

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  • Wie dumm hält Cem Özdemir die Menschen? Zur Erinnerung mein Leserbrief vor einigen Wochen:



  • 0G
    03998 (Profil gelöscht)

    Das löst aber nicht das Problem der Billig-Importe. Wie können wir sicher sein, dass in China, Polen, Tschechien usw wo unser Fleisch zum Teil herkommt, die gleichen Standards eingehalten werden. Und es müsste mindestens die 3. Tierwohlstufe vorgeschrieben werden, wenn die Quälhaltung endlich beendet werden soll. Ich verstehe auch nicht, warum Menschen das billige Fleisch überhaupt essen. Das schmeckt doch nach gar nichts, weil die Tiere sich nicht ausreichend bewegen können und das Futter auf möglichst hohe tägliche Zunahmen eingestellt ist.

  • So wird eh schon schier unbezahlbar teures Fleisch aus Bio-Tierhaltung nochmal verteuert, egal, ab die Abgabe letztlich pro Kilo oder (noch ungünstiger) prozentual auf den Preis erhoben wird. Jede Öko-Steuer macht gerade Öko noch unerschwinglicher.

    • @lesnmachtdumm:

      ...wovon die ERZEUGERINNEN nix abbekommen! Höchstens deren Steuerlast wird erhöht. Sog Nullsummenspiel zu Gunsten des KApitals- vulgo Privatisierung der Folgekosten

      • @anarchia:

        von dieser fleisch-abgabe soll ja was an die landwirtschaft gehen - aber gleichzeitig verhagelt sie den teureren anbietern (wie bio, weide, akzetable stallhaltung... ) den absatz. kontraproduktiv also allemal. importe sind eh schier un-kontrollier-bar, was ja mit x skandalen und skandälchen seit jahrzehnten (naturland, fairtrade, forest stewardship....) seinen dauer-beweis liefert.