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Erstattung von WettverlustenZocken im Graubereich

Einige deutsche Gerichte erlauben die Rückforderung von Wettverlusten, andere nicht. Nun muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.

In Bundesliga-Stadien wird die Spielsucht gefördert Foto: Norbert Schmidt/imago

Können Teilnehmer unerlaubter Internet-Sportwetten vor Gericht ihre Wettverluste zurückfordern? Diese Frage muss wohl bald der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg klären. Das Landgericht Erfurt bereitet eine entsprechende Vorlage an den EuGH vor. Eigentlich war am 2. Mai eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe geplant. Doch das angekündigte Grundsatzurteil fiel aus, weil der Wettanbieter Betano seine Revision zurückzog und dem Kläger einfach seine 11.984 Euro Wettverluste zurückzahlte.

Der österreichische Wettanbieter Betano wusste, dass er beim BGH keine Chance hat, weil der seine Rechtsauffassung schon im März veröffentlicht hatte. Danach konnte der Kläger seine Wettverluste zurückverlangen, weil Betano zum Zeitpunkt der Wetten 2018 keine deutsche Konzession hatte. Deshalb war der Wettvertrag des Klägers mit Betano nichtig.

Betano hatte dagegen argumentiert, dass man durchaus in Deutschland eine Konzession beantragt hatte und sie nur deshalb nicht erhielt, weil das deutsche Konzessionsverfahren intransparent war und gegen EU-Vorgaben verstieß. Dies sah auch das Verwaltungsgericht Wiesbaden so und entschied 2016, dass Betano Anspruch auf eine deutsche Sportwettenkonzession hat, die das Unternehmen aber erst 2021 erhielt.

Der BGH stellte allerdings darauf ab, dass das Angebot von Betano gar nicht erlaubnisfähig war, denn es verstieß gegen inhaltliche Vorgaben des damals geltenden deutschen Glücksspielstaatsvertrags. Insbesondere gab es bei Betano kein monatliches Einsatz-Limit von 1.000 Euro pro Wettteilnehmer.

Über 4.000 Kläger

Die Berliner Kanzlei Goldenstein, die die Rückforderung von Wettverlusten propagiert, sah sich durch Betanos Rücknahme der Revision bestätigt. Dies sei eine Art Schuldeingeständnis. Goldenstein vertritt über 4.000 Kläger mit Wett- und Glücksspielverlusten. Doch das Landgericht Erfurt ist mit der Lösung des BGH gar nicht einverstanden.

Die Thüringer Richter sehen darin eine Benachteiligung der ausländischen Anbieter von Online-Sportwetten, die wegen deutscher Versäumnisse keine Konzession erhalten konnten. Hätten sie eine Konzession gehabt und dann gegen Vorgaben aus dem Staatsvertrag verstoßen, wären nicht alle Wettverträge nichtig gewesen, weshalb es auch keine Ansprüche der Wettteilnehmer auf Rückzahlung ihrer Wettverluste gegeben hätte.

Das Landgericht Erfurt will mehrere Fälle dem EuGH zur europarechtlichen Prüfung vorlegen. Das kündigte das Landgericht in einem Hinweisbeschluss an, der Anfang Mai veröffentlicht wurde. Gut möglich, dass der EuGH die zivilrechtliche Rückforderung von Wettverlusten gegen unverschuldet konzessionslose Wettanbieter ablehnt. 2016 hatte der EuGH bereits straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen gegen solche Wettanbieter verboten.

In den Foren der Spielsuchtopfer herrscht Ernüchterung. Dort fürchten viele, dass es noch Jahre dauern wird, bis sie ihre Wettverluste zurückerhalten – wenn überhaupt. Die geplante Erfurter EuGH-Vorlage hemmt auch eine Klagewelle, weil die Rechtslage nicht so eindeutig ist wie von manchen Anwälten dargestellt.

Etwas anders ist die Lage bei sogenannten Online-Casinos, wo etwa Online-Poker gespielt werden konnte. Online-Casinos waren in Deutschland bis 2021 völlig verboten. Probleme der Konzessionsvergabe stellten sich hier also nicht. Das Oberlandesgericht Hamm nahm 2023 die Nichtigkeit der Glücksspielverträge an und gab einem Spieler, der 132.850 Euro verspielt hatte, einen Rückzahlungsanspruch.

Der Poker-Anbieter, der in Malta sitzt und (wie viele dieser Unternehmen) über eine maltesische Lizenz verfügt, hält das bis 2021 geltende deutsche Verbot von Online-Casinos für einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit der EU.

Auch bei den Online-Casinos wird auf eine Entscheidung des EuGH gewartet, der bereits von einem maltesischen Gericht um Klärung gebeten wurde. Der BGH hatte deshalb im Januar das Verfahren aus Hamm ausgesetzt, um auf die EuGH-Entscheidung zu warten.

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