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Erst Klasse gehalten, dann klasse gefeiert.Einmal ganz tief durchatmen

Dem FC St. Pauli bleibt der Abstieg in die 3. Liga trotz Niederlage im letzten Saisonspiel erspart. Grund genug für eine lange Nacht im Schatten des Millerntors.

Erst zittern, dann jubeln: Da die Liga gehalten wird, nahmen die Fans ihrem Team die Niederlage nicht krumm. Bild: dpa

HAMBURG taz | Um 20 Minuten vor Mitternacht ist es soweit. Fußballspieler mit glücklichen Gesichtern drängen sich durch die Menge, werden umarmt, geküsst und fast zerquetscht. „Wir woll’n die Mannschaft sehen“, haben die etwa 1.500 Fans, die vor einem Musikklub in Sichtweite zum Millerntorstadion warten, mehrfach skandiert. Und endlich werden sie erhört.

Der vom FC St. Pauli zu Hannover 96 wechselnde Torhüter Philipp Tschauner gibt die Rampensau und stimmt mit Mannschaft und Publikum so ziemlich alles an, was das Repertoire an Fangesängen hergibt. Innerhalb von 24 Stunden haben schließlich „Tschaunis“ alter und neuer Verein jeweils die Klasse gehalten haben – da darf man schon mal ausgelassen sein. Mancher Fan ist allerdings nach dem Feiermarathon schon so angeschickert, dass er die Ankunft der Mannschaft nicht mehr bemerkt.

Gefeiert wird hier eine Niederlage. 0:1 hatte der FC St. Pauli gut sechs Stunden zuvor am Sonntagnachmittag seine letzte Partie der Zweitliga-Saison beim SV Darmstadt verloren, der mit diesem Sieg nach 33 Jahren Pause in die 1. Bundesliga zurückkehrt. Die nicht unerwartete Niederlage beim Tabellenzweiten reichte aus, weil auch 1860 München und Erzgebirge Aue ihre Auswärtspartien nicht gewinnen konnten. Und so bleibt dem FC St. Pauli der Absturz in die dritte Liga erspart.

80 Minuten lang haben die mehr als 2.000 Fans das Spiel vor dem Millerntorstadion auf der Großbildleinwand relativ gelassen betrachtet, auch den 0:1-Rückstand nach 70 Spielminuten fast stoisch hingenommen. Aue lag in Heidenheim ja 0:2 zurück. Als die Sachsen aber zur Aufholjagd ansetzen, erst den Anschlusstreffer und dann den Ausgleich erzielen und sich kurz darauf das Gerücht verbreitet, sie seien sogar in Führung gegangen, macht sich plötzlich eine Mischung aus Nervosität und Panik breit. Smartphones werden traktiert, Informationen ausgetauscht, hektisch in die Runde geblickt und der Schlusspfiff kaum wahrgenommen.

Erst als sich die Kunde verbreitet, dass die Partie in Heidenheim 2:2 ausgegangen ist, brandet Jubel auf. Bier wird in die Luft geschleudert, Tränen der Erleichterung fließen und schließlich liegen sich einander bislang fremde Menschen in den Armen. Geschafft. Klasse gehalten. Manch einer braucht noch Minuten, um seine normale Atemfrequenz wiederzufinden – glaubt selbst, er hätte diese letzten und entsetzlich spannenden Minuten einfach den Atem angehalten. Nun heißt es erst einmal tief durchatmen.

Vor dem Musikklub unweit des Stadions ist all das vergessen. Die Niederlage in Darmstadt nimmt der Mannschaft hier niemand übel, hat sie sich doch mit furiosen Siegen gegen Leipzig, Kaiserslautern und Bochum in den vergangenen Wochen einen kleinen Puffer erarbeitet, um am letzten Spieltag ungestraft verlieren zu können. Da FC St. Paulis Trainer Ewald Lienen, Präsident Oke Göttlich und einige Spieler nicht mit dem Flieger, sondern erst gegen zwei Uhr morgens mit dem Fan-Sonderzug in Hamburg eintreffen, ist es eine lange Nacht geworden.

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