Erschossener Jugendlicher in den USA:
Ein Schlichter für Ferguson
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Erschossener Jugendlicher in den USA: Ein Schlichter für Ferguson
Ron Johnson ist Afroamerikaner und in der Kleinstadt aufgewachsen, in der die Polizei Samstag einen schwarzen Teenager erschoss. Jetzt soll er die Lage beruhigen.
„Wir sind alle im gleichen Boot“: Polizeihauptmann Ron Johnson (r.) mit Demonstranten
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WASHINGTON afp/ap | In Ferguson heißt das neue Motto Deeskalation. Nachdem Polizisten am Samstag den unbewaffneten schwarzen Teenager Michael Brown erschossen, war es in dem Vorort von Saint Louis an fünf Nächten in Folge zu Zusammenstößen gekommen. Mit kriegsähnlichen Bildern: Scharfschützen in Tarnuniform, die auf gepanzerten Militärfahrzeugen liegen und mit ihren Sturmgewehren auf unbewaffnete Demonstranten zielen. Das soll sich nun ändern.
Und der Mann, der es ändern soll, heißt Polizeihauptmann Ron Johnson, ein Afroamerikaner, der selbst in Ferguson aufgewachsen ist. Und Johnson will vor allem vermitteln. Am späten Donnerstagnachmittag marschierte Johnson mit mehr als 1.000 Demonstranten mit. Er schüttelte den Aktivisten die Hände und nahm einige Demonstranten gar in den Arm. Die Polizisten wies er an, die martialisch wirkenden Gasmasken abzulegen. Auf Straßensperren will Johnson verzichten und das Versammlungsrecht der Anwohner wahren.
„Wir sitzen alle im selben Boot“, wurde der neue Einsatzleiter in Medien zitiert. „Wir sind nicht hier, um Angst zu verbreiten oder einzuschüchtern.“ Bei einer Pressekonferenz stellte Johnson zudem klar, dass es ihm „ein persönliches Anliegen“ sei, den „Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen, Vertrauen aufzubauen und größtmöglichen Respekt zu zeigen“.
Eskalation in Ferguson
Bild 1 von 19: Samstag, 9. August: In Ferguson, einem mehrheitlich schwarzen Vorort von St. Louis, wird der 18-jährige Michael Brown von Polizisten erschossen. Die Beamten fordern ihn auf, den Gehweg zu benutzen, es kommt zum Streit. Obwohl der Jugendliche unbewaffnet ist und die Arme in die Höhe streckt, schießt mindestens ein Beamter mehrfach. Browns Mutter und ihr Mann trauern.
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Bild 2 von 19: Nach der Tat strömen die Bürger von Ferguson auf die Straßen. „Erschießt uns nicht“, rufen sie.
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Bild 3 von 19: Die Polizei der Kleinstadt fordert Verstärkung an. Sie erhält Unterstützung von 60 Wagen mit schwer bewaffneten Beamten.
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Bild 4 von 19: Sonntag, 10 August: Nachdem Tausende Menschen Nachtwache gehalten haben, zieht am nächsten Tag eine erste Demo friedlich durch den Ort. Die Demonstranten fordern Aufklärung – und eine Bestrafung der beteiligten Polizisten.
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Bild 5 von 19: Am Abend eskalieren die Proteste: Es werden Autofenster eingeschmissen und ein Dutzend Geschäfte geplündert.
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Bild 6 von 19: Montag, 11. August: Am Morgen nach einer heißen Nacht stehen Polizisten vor einem ausgebrannten Supermarkt.
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Bild 7 von 19: Ferguson wird zur militarisierten Zone. Hochgerüstete Cybercops patrouillieren mit Gewehren im Anschlag durch das Städtchen. Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 und der Aufrüstung der US-Streitkräfte begann auch die Hochrüstung lokaler Polizeien mit Militärausrüstung.
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Bild 8 von 19: Am Abend kommt es zu neuen Protesten, die die Polizei mit massivem Tränengasbeschuss beantwortet. Die Demonstranten im Bild signalisieren, dass sie unbewaffnet und friedlich sind. An anderer Stelle sollen Demonstranten die Polizei zunächst mit Steinen beworfen, später sogar beschossen haben.
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Bild 9 von 19: Dienstag, 12 August: Nach der zweiten unruhigen Nacht infolge sichert die Polizei mit schwerem Gerät und grimmiger Entschlossenheit die Gegend.
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Bild 10 von 19: Pfarrer Al Sharpton spricht auf den Stufen des alten Gerichtsgebäudes zu den Medienvertretern. Er fordert den Namen des Todesschützen zu veröffentlichen und ruft die Bevölkerung zur Ruhe auf.
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Bild 11 von 19: Sein Appell verhallt im Rumor abendlicher Straßenschlachten. Tränengas, Rauchbomben und Gummigeschosse der militärisch hochgerüsteten Polizei werden von einigen Demonstranten mit Molotowcocktails beantwortet. Die Polizei nimmt derweil bei der Räumung eines Schnellrestaurants zwei Journalisten fest, die in den Tagen zuvor über die Vorfälle berichteten.
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Bild 12 von 19: Mittwoch, 13 August: Als Polizisten in der Nacht eine Gruppe von 30 Demonstranten auseinandertreiben wollen, zielt ein 19-Jähriger mit einer Waffe auf sie. Die Polizisten eröffnen das Feuer und verletzten ihn schwer.
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Bild 13 von 19: Gedenken am Ort, an dem Michael Brown vor fünf Tagen erschossen wurde. Inzwischen hat die Bundespolizei FBI die Ermittlungen aufgenommen.
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Bild 14 von 19: Donnerstag, 14. August: Die örtliche Polizei wird abgezogen, die Missouri Highway Patrol hat den Polizeieinsatz in Ferguson übernommen. Ihr Chef, Ronald Johnson, stammt aus der Stadt und setzt auf Dialog – und nicht auf Waffen.
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Bild 15 von 19: Mitterweile finden auch in anderen US-Städten Solidaritätsdemonstrationen statt, so wie hier auf dem New Yorker Union Square. Nach großem öffentlichen Druck wird am Freitag der Name des Polizisten veröffentlicht, der auf Brown geschossen hat: Darren Wilson.
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Bild 16 von 19: Samstag, 16. August: Missouri-Gouverneur Jay Nixon erklärt den Notstand und erlässt eine tägliche Ausgangssperre von 0 bis 5 Uhr. Während hunderte Menschen die Straßen vor Mitternacht verlassen, trotzen andere dem Verbot. Wieder versucht die Polizei, die Menge der Protestler durch Nebelgranaten zu zerstreuen.
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Bild 17 von 19: Sonntag, 17. August: Bei einer Gedenkzeremonie versucht der Einsatzleiter der Sicherheitskräfte, Ron Johnson, die Gemüter mit einer Entschuldigung zu beruhigen. An die Angehörigen des Opfers gewandt sagt er: „Ich bin mit dem Herzen bei Euch und sage Euch, dass es mir leid tut.“
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Bild 18 von 19: Die Ausgangssperre wird auch in der zweiten Nacht infolge gebrochen, wieder kommmt es zu Straßenschlachten. Derweil kommt ein erster Autopsiebericht zu dem Ergebnis, dass Brown von mindestens sechs Kugeln getroffen wurde, davon zwei in den Kopf. Da kein Schießpulver in seinem Leichnam entdeckt wurde, sei davon auszugehen, dass er nicht aus nächster Nähe erschossen worden sei.
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Bild 19 von 19: Montag, 18. August: Sechs Kugeln und kein Ende? Der Gouverneur von Missouri, Jay Nixon, ruft die Nationalgarde zur Hilfe. Sie soll „Ruhe und Ordnung“ wiederherzustellen.
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Johnson sagte dem Sender CNN, bei den Protesten engagierten sich „Leute, die ich aus der Schule kenne“. Und auch bei ihm zu Hause sei der Frust spürbar: Seinem 21 Jahre alten Sohn und der zwei Jahre älteren Tochter müsse er „dieselben Fragen beantworten wie alle anderen Eltern hier auch“. Johnson kritisierte auch die fehlende ethnische Vielfalt innerhalb der US-Polizei. Seit Jahren prangern Bürgerrechtler mehr oder minder offenen Rassismus innerhalb der Sicherheitskräfte an.
„Es ist an der Zeit für Ruhe und Frieden in den Straßen von Ferguson“, appellierte Obama nach den Ereignissen der vergangenen Tage. Zwar gebe es „keine Entschuldigung“ für Angriffe auf Polizisten, aber eben auch nicht für „exzessiven Gewalteinsatz gegen friedliche Proteste“.
Die Polizei von Saint Louis hat interne Ermittlungen im Fall Michael Brown eingeleitet. Das US-Justizministerium ermittelt in einem getrennten Verfahren. Und auch das FBI wurde inzwischen von Obama mit eigenen Nachforschungen beauftragt.
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