Erotik in Computerspielen: Sex als Belohnung

Sex in Games sieht oft unbeholfen aus, sofern er überhaupt gezeigt wird. Dabei würde das interaktive Medium jede Menge Potenzial bieten.

Eine nackte Frau ist im Vordergrund zu sehen, die Augen geschlossen,während der Mann sie von hinten penetriert

Progressiv und grafisch überzeugend: Sex im Videospiel „The Last of Us 2“ Foto: Sony Interactive Entertainment

Der Sex beginnt mit einer Abblende. Der Bildschirm wird kurz schwarz, dann sehen die Spie­le­r*in­nen ihre Hand ungelenk unter dem Shirt einer Frau. Nächste Abblende: Die Hand liegt nun auf dem freigelegten BH. Noch eine: In Ego-Perspektive steigen die Spie­le­r*in­nen auf die Frau, hören Stöhnen, das lustvoll klingen soll. Nachdem der Bildschirm ein letztes Mal schwarz wird, sinkt die Frau erschöpft zu Boden. Die Spie­le­r*in­nen hinterlässt das Ganze eher peinlich berührt.

So wie hier in „Terminator: Resistance“ sieht Sex leider in vielen Blockbuster-Videospielen aus. Dabei gäbe es durchaus Möglichkeiten, diesen so wichtigen Teil menschlicher Interaktion spielbar zu machen – vorausgesetzt, die großen Studios nähmen ihr eigenes Medium ernst.

Um zu einer Sexszene wie in „Terminator: Resistance“ zu kommen, müssen die Spie­le­r*in­nen ein paar Aufgaben erledigen. Sie müssen die richtigen Antworten oder Fragen in einem Dialogsystem auswählen, dann gibt es Geschlechtsverkehr. So läuft es in vielen Spielen: „Assassin’s Creed: Valhalla“, „Cyberpunk 2077“ oder die „Mass Effect“-Reihe, die gerade erst neu aufgelegt wurde und zu den ersten Spielen gehörte, die Sex zu einem bedeutenden Teil des Geschehens machten.

In diesen Spielen findet Sex jenseits von festen Geschlechter­konstellationen statt. Die Spie­le­r*in­nen können sowohl wählen, ob sie einen Mann oder eine Frau steuern wollen, als auch, wem sie Avancen machen.

Antworten, die zum Sex führen

Dann gilt es, Dialogboxen anzuwählen und sich vom Computer gesteuerten Figuren zu nähern. Vielleicht ein Kompliment machen, oder sie auf einer Mission unterstützen. In vielen Fällen setzt das Spiel freundlicherweise neben die Antworten, die zum Sex führen, ein kleines Herzchensymbol oder einen Kussmund. Geschlechtsverkehr ist in diesen Spielen ein Preis für Leistung. Haben die Spie­le­r*in­nen alles richtig gemacht, werden sie mit Sex belohnt – ein Fenster ploppt auf und zeigt: Trophäe erhalten, Sex freigeschaltet.

Die Szenen selbst sind dabei ähnlich unbeholfen inszeniert wie die eingangs beschriebene in „Terminator: Resistance“. Es reiben sich polygonale Figuren aneinander, krude modellierte Arme schlingen sich um Körper – bis die erlösende Abblende kommt.

Technik keine Hürde mehr

Man muss wissen, dass Videospiele für viele Menschen inzwischen das erste erzählende Medium sind. 58 Prozent der Deutschen spielen Videospiele. In den USA macht die Games-Branche mehr Geld als Filme und Sport zusammen aus. Games prägen ein Verständnis davon, was eine Erzählung sein kann, wie Interaktion funktioniert. Zu lange wurde dabei die technische über die erzählerische Innovation gestellt. Inzwischen ist es zumindest nicht mehr die Technik, die die Darstellung von Sex beschränkt. Früher mag es die Modellierung der Figuren gewesen sein, die Probleme machte. Diese Hürde ist mittlerweile beseitigt.

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Ein Grund, wieso das Spiel „The Last of Us 2“ vielerorts als ein Videospiel-Meisterwerk beschrieben wurde, ist, dass die Figuren in beeindruckender Grafik Sex haben – und zwar kein Blümchensex, sondern Sex, der von Verlangen, Begehren, Verzweiflung und ein wenig von Hass getrieben ist. Sex, der Brüste nicht verdeckt und in dem eine Protagonistin sich von hinten nehmen lässt. Eine plastischere und unmittelbarere Darstellung von Sex, als sie sonst in Blockbuster-Games – oder überhaupt in Medien – stattfindet.

Doch Sex in Videospielen findet eigentlich immer außerhalb der Spielmechaniken statt, so auch in „The Last of Us 2“. Der Begriff „Spielmechanik“ meint dabei den Teil eines Games, in dem Spie­le­r*in­nen etwas tun können: schießen, sich heilen oder auf einen Berg klettern. Geht es im Plot aber um Gefühle, um die Auseinandersetzung mit Gewalt, um die Folgen von Entscheidungen, dann wird das meistens in Zwischensequenzen verhandelt, in der die Spie­le­r*in­nen keine Handlungsmacht mehr haben. Sie wohnen dem passiv bei, was sich vor ihnen abspielt.

Beim Sex wird das besonders deutlich: Der Sex verändert nichts. Er löst nichts aus. Das Dialoggeklicke vorher ist der Auslöser für den Sex. Und wenn er dann passiert, ist dieser Erzählstrang auserzählt. Sex ist eine Sackgasse.

Ein Mann und eine Frau haben Sex, allerdings hat sie noch ihre Hose an

Auch in den Spielen des Studios Quantic Dream wird Sex dargestellt Foto: Quantic Dream

Wenig Zutrauen ins Medium

Freilich ist die Darstellung von Sex in den genannten Games dennoch ein Fortschritt im Vergleich zu einer Zeit, als Sex in Games gleichbedeutend war mit der Sexualisierung weiblicher Körper. Der Blick von Frauen auf Sex oder auch queeres Begehren hatte in Videospielen lange keinen Raum. Das ist heute anders. In „The Last of Us 2“ etwa gibt es eine Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen, auch sie haben Sex. Allerdings endet auch ihr Sex direkt nach den Küssen in einer Abblende.

Die Aufzählung hier beschränkt sich bewusst auf die Games, die von großen Studios hergestellt werden. Blockbusterspiele, die ein Millionenbudget haben, mit modernster Technik entwickelt werden, echte Menschen digitalisieren und Bewegungen dadurch möglichst realistisch machen wollen. Spiele, die in vielen Fällen aber auf dieser grafischen Oberfläche bleiben, wenn komplexe Themen verhandelt werden. Man mag den Eindruck bekommen, dass diese Studios und die Publi­sher dahinter ihre Spieler eben doch als Produkt betrachten und nicht als Werk. Dem Medium mit seinem Publikum vielleicht nicht zutrauen, auch Sex spielen zu können.

In Indiespielen wird Sex verhandelt

Dabei böte gerade das interaktivste aller Medien neue Möglichkeiten, Sex zu verhandeln. Ihn nicht nur zu zeigen, die Spie­le­r*in­nen dabei in die Passivität zu verdammen, sondern ihn zu einem Raum für Experimente zu machen. Ein Ausprobieren, das von Spielmechaniken ermöglicht wird.

In Indie-(Sex-)Spielen, oft unbeachtet von einer größeren Öffentlichkeit, existiert diese Auseinandersetzung schon. In „Rinse and Repeat“ (2015) ist es die Aufgabe der Spie­le­r*in­nen, einem Mann unter der Dusche sanft den Körper einzuseifen. In „One Night Stand“ (2016) wachen die Spie­le­r*in­nen in einer fremden Wohnung auf und müssen herausfinden, mit wem sie da eigentlich Sex hatten.

Nach all den technischen Errungenschaften der Blockbuster-Videospiele ist es an der Zeit, Narrationen und Mechaniken zu finden, um Sex aus der Leerstelle zu holen. Die Abblende verbannt Spie­le­r*in­nen in die Passivität. Und so schön eine passive Rolle auch sein kann: Sie funktioniert nur, wenn sie selbstgewählt ist.

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