Eröffnung der Olympischen Spiele: Drei Stunden relatives Glück
Die Eröffnungsfeier in Rio war laut und bunt und bot ein paar Stunden Flucht aus dem tristen Alltag. Am Ende wurde es dann doch ein wenig politisch.
Der künstlerische Leiter der Veranstaltung, Fernando Meirelles, hatte versprochen, die Show solle wie „eine Droge gegen die Depressionen in Brasilien“ wirken. Nun ja, die Pille tat ihre Wirkung, zumindest für drei Stunden. Relative Happiness im Rund. 70.000 in der mythischen Schüssel kosteten die Wirkung der verabreichten Antidepressiva aus.
Das Publikum war also enthusiastisch, und es nahm Meirelles, dem Regisseur von „City of God“, nicht übel, dass es im Vergleich zur stilbildenden Show in London eine billige Eröffnungsfeier war – das betraf auch das Finanzielle. Die Party in der Freitagnacht kostete umgerechnet nur knapp neun Millionen Euro. In London 2012 wurde das Achtfache ausgegeben.
„Ich bin sehr froh, dass wir nicht wie verrückt Geld ausgeben und glücklich, mit diesem Low-Budget gearbeitet zu haben – alles andere hätte für Brasilien keinen Sinn gemacht“, sagte Meirelles, der auch einen Hinweis auf die brasilianische Improvisationskunst einflocht in seine Show, das sogenannte Giambarra, also das Vermögen, aus nichts eine Menge zu machen. Das klappte nicht immer.
Drei Jahre Vorbereitung waren nötig, 5.000 Freiwillige, 3.000 Kilo Feuerwerk, 400.000 Stunden Arbeit, 36 Kilometer Stoff für 12.000 Kostüme, um das Spektakel in Gang zu bringen. Und es nahm dann auch Fahrt auf – mit überdimensionalen Insekten und einem monumentalen Flechtwerk, Anspielungen auf die satte Natur des Landes. Dann kippte es ins Urbane, begleitet leider von einem fürchterlichen Sound, aber das mag an der schlechten Anlage im Stadion gelegen haben.
Kitschiger Eskapismus
Die Olympiafans am Fernseher mögen das Ganze besser goutiert haben, ganz im Sinne von Meirelles: “Die Brasilianer sollen die Zeremonie betrachten und sagen: Wir sind coole Leute, wir kommen aus verschiedenen ethnischen Gruppen, wir leben zusammen, wir sind nie in den Krieg gezogen, wir sind friedfertig. Wir wissen das Leben zu genießen und neigen dazu, glücklich zu sein.“
Transportiert wurde also eine Botschaft der Friedfertigkeit und brasilianischer Lebenslust. So etwas gleitet oft ins Kitschige ab, aber Meirelles gab den Zuschauern letztlich nur, was sie sehen wollten, einen Fluchtpunkt aus einer relativ tristen Gegenwart. Die Show war reiner Eskapismus, und sie kam auch ohne Selbstironie aus. Ein inszenierter Überfall auf Gisele Bündchen, die das „Girl of Ipanema“ gab, wurde nach Protesten aus der Show gestrichen. Das war dann doch zu viel Realität.
Wer Gewalt will, der braucht eh nur auf die Problemviertel von Rio zu schauen, zum Beispiel auf das Complexo do Alemão, in dem vor wenigen Tagen 450 Militärpolizisten im wahrsten Sinne des Wortes einmarschiert sind und sich heftige Schießereien mit Drogenbanden lieferten.
Buntes herumhüpfen, langatmiger Einmarsch
Es ging dann weiter mit viel Herumhüpferei, Hauptsache bunt und laut und krawallig. Bemerkenswert wenigstens der Auftritt von Lea T, einem Transgender-Model, Tochter des brasilianischen Fußballspielers Toninho Cerezo. Sie wurde 2010 zum Gesicht einer Givenchy-Kampagne – und in Brasilien zum Symbol der LGBT-Gemeinde.
Kontemplativ respektive langatmig dann der Einmarsch der Nationen, angeführt von Griechenland. Den Einmarsch hätten übrigens an die 100 Staatschefs sehen sollen, gekommen waren aber nur 37 (in Peking 2008 waren es 80), was wohl auch an der politischen Krise in Brasilien lag.
Beim Einzug der Russen wurde vernehmbar gebuht im Maracanã, aber die Brasilianer sollten in dieser Causa besser nicht mit dem Finger auf andere zeigen, denn wie jetzt herausgekommen ist, stellte die Antidopingagentur des Gastgebers einen Monat vor den Spielen praktisch die Arbeit ein und testete Topathleten nicht mehr.
Gebuht wurde auch bei der kurzen Ansprache des konservativen Regierungschefs Michel Temer, der die Spiele offiziell eröffnete. Temer hat seiner Vorgängerin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei ein Amtsenthebungsverfahren angehängt. Das heftige Buhen wurde schnell mit einem Musikeinspieler übertönt. Dann der Höhepunkt: das Entzünden des olympischen Feuers. Das erledigte der ehemalige Marathonläufer Vanderlei de Lima. Pelé, der auch im Gespräch war, ließ sich wegen Hüftschmerzen entschuldigen. Jetzt kann es also losgehen für 11.000 Athleten aus 205 Ländern.
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