Ernüchternde Pisa-Studie: Deutschland bleibt unfair
Deutsche Schüler und Schülerinnen haben sich kaum verschlechtert. Doch immer noch ist mangelnde Chancengerechtigkeit ein Problem.
Demnach befinden sich deutsche SchülerInnen in allen drei geprüften Bereichen über dem OECD-Durchschnitt. So erzielten die geprüften 15-Jährigen beim diesjährigen Schwerpunkt Naturwissenschaften im Schnitt 509 Punkte (OECD: 493), bei der Lesekompetenz 509 Punkte (OECD: 493) sowie 506 Punkte bei Mathematikaufgaben (OECD: 490). Damit liegt Deutschland im Leistungsumfeld von Ländern wie Korea, Slowenien, Niederlande und Schweiz. Ganz vorne sind Singapur, Japan und Estland, als bestes europäisches Land.
„Deutschland hat das Jammertal des Pisa-Schocks von 2000 verlassen und bewegt sich auf einer Art Hochplateau im oberen Mittelfeld der OECD-Länder“, bilanzierte von Meyer. Von einer weiteren Aufstiegsdynamik sei aber nichts zu spüren. Positiver äußerte sich die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Claudia Bogedan (SPD). „Es gibt eine Stabilisierung auf hohem Niveau.“ Die Leistungen deutscher SchülerInnen hätten sich in den Pisa-Studien seit 2000 kontinuierlich verbessert – nur seit der fünften Erhebung 2012 sei mit Ausnahme der Lesekompetenz ein leichter Einbruch zu verbuchen. Andere Länder hätte das hohe Niveau nicht gehalten. Das sei, so Bogedan, eine „gute Nachricht“. Ziel müsse es aber sein, zur Spitzentruppe aufzuschließen.
Bei der Spitzentruppe um Pisa-Sieger Singapur ist neben der hohen Punktzahl auch der Anteil der Schüler mit Topniveau höher – und der der Leistungsschwachen geringer. Von Meyer von der OECD warnte deshalb, auch in diesem Feld den Anschluss an die Spitzenländer nicht zu verpassen: „17 Prozent der deutschen SchülerInnen und Schüler erreichen nicht mal das Grundkompetenzniveau.“ Und bei den SchülerInnen mit Topleistungen in den Naturwissenschaften (rund 11 Prozent) sei der Anteil der Mädchen (8,7 Prozent) im Vergleich zu den Jungs (12,4 Prozent) sehr gering.
Eltern haben bedenklich hohen Einfluss
Neben der Geschlechterungleichheit, so von Meyer, sei vor allem der nach wie vor hohe Einfluss des Elternhauses auf die Schülerleistung „bedenklich“. Zwar habe sich der Zusammenhang seit 2006 „deutlich abgeschwächt“, sagt von Meyer. Dennoch schnitten SchülerInnen aus einem bildungsfernen Elternhaus wesentlich schlechter ab als ihre MitschülerInnen. Beim aktuellen Pisa-Test erreichten sie im Schnitt 30 Punkte weniger. Das entspricht dem Wissensstand eines ganzen Schuljahrs. SchülerInnen mit Migrationshintergrund schnitten mit 46 Punkten weniger sogar noch schlechter ab.
Die mangelnde Chancengerechtigkeit kritisierten Bildungsexperten bereits nach der Ernüchterung nach der ersten Pisa-Studie vor 15 Jahren. Offenbar mit geringem Erfolg: Schon der nationale Bildungsbericht 2016 stellte fest, dass die Bildungschancen für Personen mit beziehungsweise ohne Migrationshintergrund weit auseinanderklaffen. Die aktuelle Pisa-Studie belegt diesen Befund. „Pisa 2015 muss für die Politik ein Ansporn für weitere Verbesserungen sein“, forderte von Meyer.
„Der Abstand ist noch zu groß“, räumte Cornelia Quennet-Thielen, Staatssekretärin im Bildungsministerium, ein. Eine „Wissensnation wie Deutschland“ könne sich damit nicht zufrieden geben. Quennet-Thielen warnte aber vor überschnellen „Reformen“. Der Bund unterstütze lieber eine bessere Aus- und Fortbildung für Lehrkräfte. Wie etwa seit 2014 die Qualitätsoffensive Lehrerbildung oder die Digitalisierungsstrategie, die LehrerInnen mehr Medienkompetenz vorschreiben will.
Auch Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), stellte die Aussagekraft der Pisa-Studie infrage. Der Test bilde nur „einen minimalen Ausschnitt aus dem Bildungsgeschehen ab“. Reformen schadeten nur denen, die in der Schule hinterherhinken.
Auch die Pisa-Macher scheinen bei der Wahl des Datums an die SchülerInnen gedacht zu haben: Der heilige Nikolaus ist ihr Schutzpatron.
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