Erneuerbare-Ziel der Groko verschoben: Klimaschutz kann ruhig warten
Laut Koalitionsvertrag will die Regierung Sonne und Wind schneller ausbauen. Dieser Passus wurde aber aus dem neuen Gesetz entfernt.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bestätigte die Streichung der Maßnahmen. Er stimme sich aber mit anderen Ressorts ab und sehe sich „an den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag gebunden“. Für das neue „EEG-KWKG-Änderungsgesetz“ müsse zuerst bei „zeitkritischen Punkten wie Beihilfen Rechtssicherheit geschaffen werden“. Nach der Sommerpause werde es einen Vorschlag geben, um „alle Vorgaben umzusetzen, dazu gehören auch die Sonderausschreibungen und die Aufnahmefähigkeit der Netze“.
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass 2019 und 2020 jeweils 2.000 Megawatt für Wind an Land und Photovoltaik zusätzlich ausgeschrieben werden. Außerdem soll der Ausbau von Offshore-Windanlagen verstärkt werden. Mit dieser Hauruck-Maßnahme wollten SPD und Union dem Vorwurf begegnen, nach der faktischen Aufgabe des Reduktionsziels von 40 Prozent für 2020 sei der Klimaschutz für die Koalition nachrangig. Der zusätzliche Ausbau der Ökoenergie sollte insgesamt 8 bis 10 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Allerdings steht der Passus unter dem Vorbehalt, dass „die Aufnahmefähigkeit der vorhandenen Netze“ garantiert sei. Mit diesem Argument machte nun nach Angaben von Beteiligten der Wirtschaftsflügel der Union Druck.
Die Aufweichung des Koalitionsvertrags brachte von vielen Seiten Kritik. Aus dem Umweltministerium von Svenja Schulze (SPD) hieß es, man erwarte, dass der Koalitionsvertrag erfüllt werde, und werde mit dem Wirtschaftsministerium diese Frage „intensiv diskutieren“. Für Nina Scheer, SPD-Umweltpolitikerin, riskiert „diese Blockade das Verfehlen der Energiewende- und Klimaziele“.
Grüne: Regierung begeht „Wortbruch“
Der Grüne Oliver Krischer warf der Regierung vor, sie begehe „Wortbruch, bevor sie überhaupt richtig angefangen hat zu arbeiten“. Und Lorenz Gösta Beutin, klimapolitischer Sprecher der Linken, erinnerte daran, dass die Ausschreibungen die Weichen für das Ziel stellen sollten, 65 Prozent Ökostrom in 2030 zu erreichen. „Die Netze reichen aus“, so Beutin, „Engpässe gibt es wegen zu viel Strom aus Kohle und Atom, das Problem sind nicht die Erneuerbaren.“
Peter Röttgen, Geschäftsführer beim Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), mahnte, dass Deutschland ohnehin das EU-Ziel zur Öko-Energie zu verfehlen drohe. Bis 2020 muss die Bundesrepublik 18 Prozent des gesamten Energieverbrauchs – nicht nur beim Strom – aus grüner Energie decken. Sie wird aber nach BEE-Prognosen nur 16 Prozent erreichen. „Die EU-Kommission wird das nicht dulden“, so Röttgen, „Sonderausschreibungen können die Lücke etwas verkleinern.“ Das Argument der Netzaufnahme findet er vorgeschoben: Schließlich werde auch die Solarenergie gebremst, die von der Netzfrage nicht betroffen sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich