Ernährungstransformation in Berlin: Sie haben es einfach satt

Der Ernährungsrat kritisiert die Berliner Ernährungsstrategie. Was in der Theorie gut klingt, scheitert bisher leider an der konsequenten Umsetzung.

Eine demonstrierende Person auf der "Wir haben es satt"-Demo 2022

Kreativer Protest auf der „Wir haben es satt“-Demo im letzten Jahr Foto: Imago

BERLIN taz | Gutes Essen für alle und eine faire Agrarwende sind die zentralen Forderungen der „Wir haben es satt“-Demo, die am Samstag in Berlin stattfindet. Über 100 Organisationen richten sich mittels eines 6-Punkte-Plans an die Bundesregierung. Sie fordern eine sozialgerechte Transformation in der Agrarpolitik, auch vor dem Hintergrund der am Freitag beginnenden Grünen Woche.

Mitunterzeichner des Plans ist der Ernährungsrat Berlin, der sich bereits vergangene Woche in einem offenen Brief an die Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen der Berlin-Wahl richtete. Es geht um die Ernährungsstrategie der Stadt, die in den vergangenen fünf Jahren bereits wichtige Handlungsfelder für die Ernährungstransformation benannt hat. Dazu gehört beispielsweise die Unterstützung der Zivilgesellschaft, um Projekte wie „Ernährung und Bewegung an Neuköllner Schulen“ zu realisieren. Auch investiert Berlin unter anderem in die Verbesserung des Kita- und Schulessens und die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung.

Messe I Agrarpolitk ist nur eines der Themen der Grünen Woche, die am Freitag beginnt. Die Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau findet bis 29. Januar bereits zum 87. Mal statt. Sie wirbt mit den Themen Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung und nachhaltige Landnutzung.

Messe II Fleischfrei ist die Veggienale. Am Samstag und Sonntag geht es dort um Themen wie ökologische Nachhaltigkeit, pflanzlichen Lebensstil und ZeroWaste. Neben 80 Aussteller:innen gibt es Vorträge, Workshops und Kochshows, die auf Tierleid verzichten. (taz)

Was in der Theorie gut klingt, scheitert bisher leider an der konsequenten Umsetzung, wie der Verband kritisiert. Ein großes Problem sei, dass die Stadt sich selbst nicht genügend Ziele gesetzt habe, meint Saskia Richartz vom Ernährungsrat Berlin. „Was fehlt ist eine Konkretisierung“, so Richartz. Die Strategie habe zwar den Boden für eine Ernährungstransformation geebnet, nun sei aber ein konkreter Zeitrahmen für die Umsetzung der geplanten Ziele wichtig.

Außerdem bestehe Nachholbedarf, speziell im Ernährungsumfeld. Gemeint ist damit zum Beispiel die Kantineninfrastruktur und das Angebot, sich außer Haus in Restaurants preiswert und mit regionalen Zutaten zu verpflegen, aber auch die Möglichkeit, Essen selbst anzubauen. Alle diese Optionen sollen „fair, gesund und günstig“ sein.

Berlin ist Biometropole

Konkret soll der Senat „im eigenen Haus Vorreiter sein“ und sich Stück für Stück um die Umstellung des Essens in den vom Land betriebenen Einrichtungen wie Verwaltungen, Schulen und Altersheimen kümmern. Auch im Stadtbild soll die Strategie unter Einbeziehung der relevanten Akteure besser umgesetzt werden. „Werbung für Fast Food rund um Schulen zurückzudrängen ist ein möglicher Ansatz“, meint Richartz. Einige Leuchtturmprojekte – wie die „Kantine Zukunft“, das sich für eine nachhaltige Gemeinschaftsgastronomie einsetzt –, gebe es bereits.

Wie wichtig eine nachhaltig geplante Ernährungsstrategie ist, zeigt sich im europäischen Vergleich. Dort gilt Berlin als „die Biometropole“ im Hinblick auf den Konsum von Bioprodukten. Das Problem dabei: Im Umfeld der Stadt könne längst nicht so viel produziert werden wie es dem Bedarf entspricht, „weder bio noch konventionell“, so Richartz. Außerdem müsse „Berlin als urbane Stadt auch die Region mitdenken“. Darauf basiert die Forderung des Ernährungsrates an den Berliner Senat, sich einer EU-übergreifenden Initiative für Ernährungstransformation anzuschließen. „Es gibt viele Städte wie etwa Kopenhagen und Mailand, die als Vorbild dienen können und zur Vernetzung beitragen.“

Auch auf Bundesebene wird derzeit eine Ernährungsstrategie erarbeitet – fraglich ist, ob Berlin als Vorbild dienen kann. „Absolut!“ meint Saskia Richartz. Trotz mangelnder Zeitpläne habe Berlin sich sehr früh der Entwicklung einer Ernährungsstrategie verschrieben und verfolge eine klare Ausrichtung hin zu einem systemischen Denken. Diese Denkweise brauche es, denn der Zugang zu gutem Essen sei komplex und betreffe neben Umwelt-, Gesundheits- und Sozialpolitik auch ökonomische Fragen.

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