Zukunft mit Kichererbsen: Vielleicht die neue Kartoffel

Kichererbsen sind nahrhaft, trockenresistent – und düngen Böden. Ein Netzwerk baut Wertschöpfungsketten auf für die Hülsenfrucht, die auch Tofu kann.

Eine große Menge roher Kichererbsen

Kichererbsen: Bald in rauen Mengen aus Brandenburg? Foto: imago / Alex Salcedo

BERLIN taz | In der Luft hängt der Geruch von Kreuzkümmel und Kurkuma. Eine junge Frau steht vor einer eckigen Kochwanne. Mit einem Stabmixer rührt sie einen senfgelben Brei aus Kichererbsenmehl und Falafelgewürzen. Ihre Kollegen gegenüber sind einen Produktionsschritt weiter und streichen die eingedickte Masse auf Blechtabletts. Der nächste stanzt sie in 24 flache Quader, anschließend wandern die Stücke noch durch eine Verpackungsmaschine und einen Pasteurisierungsschrank. Fertig ist der Kichererbsentofu – made in Berlin.

Normaler Tofu besteht aus geronnener Sojamilch. Doch auch die Berliner Variante „Kofu“ – es gibt sie in vier Geschmacksrichtungen – ist keine wirkliche Innovation, räumt Jörn Gutowski, Mitgründer der Firma Zeevi, ein. Denn das dreiköpfige Leitungsteam der kleinen Firma, zu dem neben Vertriebsleiter Gutowski auch ein israelischer Koch und ein traditioneller Tofu-Hersteller gehören, hat herausgefunden, dass Kichererbsentofu auch in Südostasien, im Grenzgebiet zwischen Myanmar und Thailand, von den dort lebenden Shan in Restaurants angeboten wird.

Etwa eine Tonne der trockenresistenen Hülsenfrüchte verarbeitet die Manufaktur in einem Lichtenberger Hinterhof pro Monat. In der Anfangszeit kam der Rohstoff aus der Türkei, inzwischen liefert ein Biobauer aus Sachsen-Anhalt die notwendigen Mengen. Im kleinen Besprechungszimmer lagern über ein Dutzend durchsichtige Plastiksäckchen mit sandfarbenen Erbsen in einem Pappkarton, geschickt vom landwirtschaftlichen Technologiezentrum in Baden-Württemberg. Zeevi soll sie testen.

Gutowski und seine beiden Geschäftspartner gehören zu einer wachsenden Community, die die Kichererbse in Deutschland fördern will. „Das ist ja eine überaus sinnvolle Pflanze. Sie liefert nicht nur viele Proteine und Nährstoffe, sondern verbessert auch die Böden“, fasst der 46-Jährige zusammen. Für eine Ernährung, die gleichermaßen planetenfreundlich und gesundheitsförderlich ist, hat die internationale Eat Lancet Kommission 75 Gramm Hülsenfrüchte pro Kopf und Tag empfohlen. In Deutschland liegen bisher durchschnittlich allerdings nur 7 Gramm Erbsen, Linsen und Bohnen auf den Tellern.

Erhebliche Nachfrage

In der türkischen, arabischen und indischen Küche spielen Kichererbsen eine herausragende Rolle. Folglich gibt es auch eine erhebliche Nachfrage in Berlin. Und die Zahl der Menschen steigt, die sich überwiegend pflanzenbasiert und klimafreundlich ernähren wollen. Dafür hat die Kichererbse ein großes Potenzial. Sie enthält nicht nur viele Ballaststoffe und ist zugleich kalorienarm und sättigend. Die Pflanze kann auch Kunstdünger ersetzen, dessen Herstellung viel Energie verschlingt. Darüber hinaus ist sie dürreresistent und kommt auch mit armen Böden klar.

Ralf Bloch forscht an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde (HNEE) zu Agrarökologie. „Wir wollen herausfinden, ob es langfristig einen bedeutenden Kichererbsen-Anbau in Brandenburg geben kann“, berichtet er. Das wäre ein wichtiger Baustein, um das Land zu einer Modellregion für die Klimaanpassung zu machen. Seit zwei Jahren führen HNEE und das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg gemeinsam Feldversuche durch. Sobald kein Frost mehr droht, säen Mitarbeitende auf 1,5 mal 3 Meter großen Parzellen an verschiedenen Standorten Sorten mit so klangvollen Namen wie Orion, Olga und Cicerone. Alles wird genau dokumentiert: Saattiefe, Bearbeitung mit Hacke oder Striegel, Abreifezeitpunkt, Ertragsniveau.

Wie andere Hülsenfrüchte auch können Kichererbsen Stickstoff aus der Luft einfangen. Dafür kooperieren die Pflanzen mit Knöllchenbakterien, die Verdickungen an den Wurzeln bilden. Sie versorgen nicht nur die aktuelle Kultur mit dem wertvollen Nährstoff, sondern wirken auch danach im Boden weiter. „Das ist ein total faszinierendes, komplexes Zusammenspiel, das sich im Erbgut von Pflanzen und Bakterien gemeinsam entwickelt hat“, schwärmt der Professor. Damit das allerdings funktioniert, müssen die entsprechenden Bakterien zur Stelle sein – und das sind sie in Brandenburg bisher noch nicht. Um sie anzusiedeln, werden die Kichererbsen damit geimpft.

Hände rühren Schneebesen in einer braun-gelben Masse

Auf die Würze kommt es an: Produktion von „Kofu“ in der Firma Zeevi Foto: Zeevi

Manche Bauern mischen die Bakterienlösung mit klebrigem Apfelsaft und kippen dann alles zusammen in einen Betonmischer. „Ich habe eine Wanne genommen und die wässrige Lösung einfach auf die Saat gekippt, bis alles benetzt war“, berichtet Michael Staar vom Gut Hirschaue im Landkreis Oder-Spree. Er hat im vergangenen Jahr erstmals einen halben Hektar Kichererbsen angebaut. Obwohl Ringeltauben und Starkregen fast die ganze Ernte vernichtet haben, will er es erneut probieren. „Da muss ich wohl noch ein paar Jahre tüfteln“, meint er.

Schon drei Jahre Erfahrung hat inzwischen Bauer Thomas Gäbert von der Agrargenossenschaft Trebbin, dessen Betrieb bereits einige Dutzend Tonnen Kichererbsen im Jahr produziert. Gäbert hat sich bereits als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Humboldt-Universität damit beschäftigt, wie sich Brandenburgs oft wenig fruchtbare Böden gut nutzen und vor Erosion schützen lassen.

Tiny Farms, die dezentral mit vielen Teilzeitlandwirten rund um Berlin Gemüsefelder bewirtschaften, haben Kichererbsen zur Verbesserung eines neuen Ackers anbauen lassen. „Das Projekt war gar nicht so einfach“, erzählt auch Geschäftsführer Jacob Fels. Nachdem er endlich Biosaatgut aus Italien aufgetrieben hatte, tauchten zunächst nur wenige Keimlinge auf, weil die Erbsen zu tief im Boden lagen.

Die zweite Drillrunde brachte Erfolg. Später galt es dann, den besten Erntezeitpunkt zu erwischen, weil die Schoten oben schneller abreifen als unten. Anschließend müssen die Erbsen sortiert werden – wofür es in der Region noch keine geeigneten Maschinen gibt. „Am Schluss hatten wir eine bunte Mischung, die optisch nicht so super war“, bilanziert Fels.

Das fiel auch seiner Kundin Susan Rhattigan auf. Sie leitet die beiden Cateringunternehmen Schildkröte und Greens Unlimited, die jeden Tag 9.000 Schulessen produzieren. „Sobald die Kichererbsen aber gekocht waren, waren sie 1-a“, erzählt sie. Nicht nur Hummus stellte sie daraus her, sondern auch ein Ragout mit Apfel, vegetarisches Chili und weitere Menüs. „Wir wollen noch mehr Rezepte entwickeln und brauchen dieses Jahr 1,5 Tonnen“, kündigt Rhattigan an.

Eine blühende Zukunft

Damit die Kichererbse auf Brandenburgs Feldern eine blühende Zukunft haben kann, müssen auch die Absatzwege beackert werden. Welche Eigenschaften wünschen die Hersteller von vegetarischem Eiersalat? Welche Geschmacksansprüche haben die Kon­su­men­t*in­nen – und finden sie es attraktiv, wenn die Kichererbsen aus der Region kommen?

„Das alles parallel zu entwickeln ist wie die Henne-Ei-Problematik“, erklärt Anna Maria Häring von der HNEE, die zu Agrar- und Ernährungsmärkten forscht. Immerhin gibt es in Berlin ja große migrantische Communitys, für die die Kichererbse kulinarisch bedeutsam ist. Und offenbar kam sie in früheren Zeiten auch in Brandenburg schon ab und zu auf den Tisch – unter dem Namen Garabanze. „Darüber wüssten wir gern mehr,“ so Häring, die auf Hinweise von taz-Leser*innen hofft.

Die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg will nun die vielen Akteure vernetzen und Wertschöpfungsketten vom Acker bis zur Küche aufbauen. Gefördert wird das Vorhaben vom Landwirtschaftsministerium in Potsdam. Neben jeweils fünf Ackerbetrieben und Verarbeitern ist auch der Bio-Großhändler Terra mit an Bord. „Vor allem die Stufen zwischen Herstellung und Verarbeitung sind bisher noch sehr lückenhaft,“ konstatiert Timo Kaphengst, Vorstand der Regionalwert AG.

Sein Team sucht nun geeignete Betriebe und will helfen, sie mit entsprechenden Maschinen und Kapazitäten auszustatten. „Dafür brauchen wir dringend Geld“, sagt der Landschaftsökologe und wirbt dafür, dass mehr Menschen bei der Bürger-Aktiengesellschaft einsteigen. Bis Ende März können neue Anteile gezeichnet werden.

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