Ermordeter Student Giulio Regeni: Agenten vor Gericht
Der Doktorand Giulio Regeni wurde 2016 in Kairo ermordet. Nun macht Italiens Justiz vier ägyptischen Geheimdienstlern den Prozess.
Der damals 28-jährige Regeni hielt sich für seine Doktorarbeit, die er an der Universität Cambrigde erstellte, in Kairo auf. Sein Forschungsobjekt waren die regimeunabhängigen Gewerkschaften, mit deren Vertreter*innen er intensiven Kontakt hatte. Dies wurde ihm offenkundig zum Verhängnis: Ein Gewerkschafter denunzierte ihn bei den Behörden als angeblichen Spion.
Daraufhin wurde Regeni am 25. Januar 2016 an einer Kairoer U-Bahn-Station entführt. Mehrere ägyptische Zeugen, die vor den italienischen Staatsanwält*innen aussagten, berichteten, er sei in ein Geheimdienstgefängnis gebracht und dort tagelang gefoltert worden. Neun Tage nach seiner Verschleppung wurde seine von Folterspuren entstellte, nackte Leiche am Rand einer Ausfallstraße außerhalb Kairos gefunden.
Die ägyptischen Behörden meldeten im März 2016, vier Kriminelle, die Regeni entführt, ausgeraubt und getötet hätten, seien von der Polizei erschossen worden; in der Wohnung der Schwester eines der Getöteten sei der Personalausweis Regenis gefunden worden. Doch in langwieriger Puzzle-Arbeit – und weitgehend ohne Kooperation vonseiten Ägyptens – kamen Italiens Staatsanwält*innen zu einem anderen Befund: In Ihren Augen handelt es sich um einen staatlich beauftragten und organisierten Mord.
Verhandelt wird ohne die Angeklagten
Bei der Voranhörung am 25. Mai in Rom ließ der zuständige Richter die Anklage gegen vier Geheimdienstmitglieder wegen Entführung und Mord zu: gegen den General Sabir Tariq, die Obersten Usham Helmi und Athar Kamel Mohamed Ibrahim sowie den Major Magdi Ibrahim Abdel Sharif. Die Hauptverhandlung soll am 14. Oktober beginnen.
Vor Gericht werden die Angeklagten wohl kaum erscheinen, da Ägypten keinerlei Neigung zu ihrer Auslieferung zeigt. Angehört wurden sie ausschließlich von ägyptischen Ermittlern, denen gegenüber sie die von der italienischen Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe abstritten. Ein ägyptischer Staatsanwalt befand daraufhin, die von italienischer Seite vorgelegten Beweise seien „unzureichend“. Und auch die Adressen der vier Beschuldigten teilten die ägyptischen Behörden dem Gericht in Rom nicht mit.
Dass ihnen deshalb die Vorladung nicht zugestellt werden konnte, spielte in der Voranhörung aber keine Rolle. Der Ermittlungsrichter befand, aufgrund des breiten öffentlichen Echos seien die vier auf jeden Fall über die Verhandlung informiert und versuchten, sich wissentlich dem Verfahren zu entziehen. In Italien kann auch in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt und auch geurteilt werden.
Zufrieden äußerte sich die Anwältin von Regenis Eltern: Deren „Recht auf Wahrheit“ könne mit dem Prozess endlich Genüge getan werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachtcafé für Obdachlose
Störende Armut
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus