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Ermittlungen gegen Netzpolitik.orgBundesanwalt stellt ein

Nach Protesten und dem Zerwürfnis mit dem Justizminister: Die Ermittlungen wegen Landesverrats gegen zwei Journalisten werden eingestellt.

Andre Meister (li.) und Markus Beckedahl kommentieren subtil die Ermittlungen wegen Landessverrats. Foto: dpa

Karlsruhe taz/afp | Der Generalbundesanwalt hat die Landesverrats-Ermittlungen gegen zwei Journalisten des Internetblog Netzpolitik.org eingestellt. Er gehe in Übereinstimmung mit dem Bundesjustizministerium davon aus, „dass es sich bei den veröffentlichten Inhalten nicht um ein Staatsgeheimnis“ im Sinne des Strafgesetzbuches handele, hieß es am Montag in einer Erklärung der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe.

Ende Juli war bekannt geworden, dass die Bundesanwaltschaft aufgrund einer Anzeige des Verfassungsschutzes Ermittlungen wegen Landesverrats gegen die beiden Journalisten Markus Beckedahl und Andre Meister aufgenommen hatte. Die Frage, ob es sich bei den vom Blog Netzpolitik.org weitergegebenen Informationen um Staatsgeheimnisse gehandelt habe, sollte ein Gutachten klären.

Über diese Frage war es in den darauffolgenden Tagen zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Justizminister Heiko Maas (SPD) und dem Generalbundesanwalt Harald Range gekommen. In dessen Folge wurde die Versetzung Ranges in den Ruhestand angekündigt und mit Peter Frank bereits ein designierter Nachfolger vorgestellt.

Die Ermittlungen bescherten Netzpolitik.org eine große Solidaritätswelle, sowohl von Politikern, Aktivisten, als auch anderen Journalisten. Die Kernforderung von Beckedahl und Meister war von Anfang an die Einstellung des Verfahrens, ein Ziel das nun erreicht ist.

Inwieweit die Affäre damit beendet ist, oder ob zum Beispiel der Präsident des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen noch weiter unter Rechtfertigungsdruck für die alles auslösende Anzeige steht ist noch unklar. Auch offen ist die Rolle seines Dienstherren, des Innenministers Thomas de Maizière, der bislang jede Detailkenntnis des Vorgangs abstreitet.

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5 Kommentare

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  • Daran hat auch wohl niemand zweifeln können. Die Frage, die nach wie vor im Raum steht, ist doch die, warum solcher Unfug überhaupt erst gestartet werden konnte und wie die Bundesregierung darauf kommt, dass die Sache jetzt damit schon erledigt sein könnte? Wir haben hier einen Vorgeschmack davon erlebt, was ein unkontrollierbarer Staat im Staate, wie es der Verfassungsschutz zweifellos seit längerem ist, für Unheil anrichten kann, wenn man ihm die Möglichkeiten dazu an die Hand gibt.Thomas de Maizière hat in wechselnden Ämter seit vielen Jahren unermüdlich am Ausbau dieser innerstaatlichen Terrororganisation gearbeitet und Heiko Maas ist in wesentlichen rechtsstaatlichen Fragen immer wieder rückgratlos eingeknickt. Hans-Georg-Maaßen kocht hier - wie alle seine Vorgänger - sein eigenes braunes Süppchen. Vom Teller der Demokratie nascht er nur, wenn es mal wieder reichlich Steuerkuchen gibt. Kontrolliert wird immer nur im Nachhinein das, was auch bekannt wird und das ist die absolute Ausnahme in diesem undemokratischen Spiel. Die "offizielle" Einstellung der Ermittlungen ist ein kleiner Etappensieg - ja, aber noch lange kein Grund, sich auszuruhen. Die eigentliche Tour liegt erst noch vor uns.

    • @Rainer B.:

      Na, vorsichtig ....

       

      "Wir haben hier einen Vorgeschmack davon erlebt, was ein unkontrollierbarer Staat im Staate, wie es der Verfassungsschutz zweifellos seit längerem ist, für Unheil anrichten kann, wenn man ihm die Möglichkeiten dazu an die Hand gibt."

       

      Vorgeschmack – Da finde ich den Beigeschmack bei den NSU-Verhandlungen weitaus bitterer. Du schreibst mit Recht weiter von "innerstaatlichen Terrororganisation". Der VS ist ein Staat im Staate, ein Tiefenstaat, eine Aristokratenbehörde, der sich vom Pöbel der Politik und erst Recht nicht von der Öffentlichkeit in die Karten sehen lassen möchte; das macht ihn gefährlicher als die StaSi, die doch immer nur "Schild und Schwert der Partei" war, also unter 100%iger Kontrolle der SED stand. Das macht sich aber nicht erst an netzpolitik.org fest; hier geht man lediglich einen Schritt weiter, die Berichterstattung darüber zu unterbinden.

       

      Was das ganze sollte ist mir auch nach wie vor schleierhaft.

      • @Seeräuberjens:

        Ja, der VS ist hier ganz klar noch einen Schritt weiter gegangen, aber eben nicht alleine nur er. Wurde früher von der Regierungsbank immer vorsichtige Zurückhaltung gegenüber dem VS geübt, spielt man ihm jetzt auch noch gezielt die Bälle zu. Schon nach dem NSU-Desaster hätte man eine Auflösung des VS erwarten dürfen. Der VS spielte darin zweifellos eine zentrale Rolle und bis heute ist ja völlig unklar, warum ausgerechnet diese 10 Menschen letztlich sterben mussten. Zufallsopfer? Schwer zu glauben! Zu allem Übel hat man dem VS daraufhin auch noch eine neue Zentrale geschenkt - wohl nicht, ohne eine zukünftige Gegenleistung von ihm zu erwarten. Diese Gegenleistung besteht ganz offensichtlich in der aktiven Sabotage kritischer Berichterstattung über demokratieinkompatibles Regierungshandeln im allgemeinen und dunkle Machenschaften des VS im besonderen. Ausgesprochen wird das natürlich nicht. Maas hätte weiter an Range als Generalbundesanwalt festgehalten, wäre dieser ihn nicht öffentlich angegangen - da darf man sich nicht täuschen lassen. Und Merkel bringt an dieser Jauchegrube vorbei ihren Mist mal wieder ganz geruchlos zum Acker.

        • @Rainer B.:

          Die Reaktion der Bundesregierung auf Snowdens NSA-Enthüllungen scheint ja durch und durch geprägt zu sein von einem Motiv (nix von wegen geht-ja-gar-nicht):

           

          Neid.

           

          Sowas wollen wir auch haben.

           

          Und genau dahin strebt ja der VS in den von netzpolitik.org veröffentlichten Etats; systematische Facebook-Überwachung. Und daß wir da nicht erst im Nachhinein, sondern schon bei der Entstehung gleich schon mal so Snowden-Whistleblower haben, geht für die ja schon mal gar nicht, also direkt vor den Latz knallen, so Leuten. Und Bloggern gleich schon mal klar machen, daß für sie Privilegien der Pressefreiheit nicht gelten, so groß sind die nicht mit ihrer kleinen Internet-Klitsche.

           

          Problem ist, daß unser kleiner VS direkt beides unter einem Dach ist: NSA und CIA, also Abschnorcheln und klandestiner Terror in einem.

  • Das Problem hat ein Problem.

    Ist die Willkür-/ und Klassenjustiz zurück?

    Genau zu diesem Zeitpunkt sollten mehrere Gegenklagen zur Aufklärung kommen. Amtsmissbrauch, Terrorbeamte etcpp.

    Sich so billig und einfach aus der Affäre ziehen kann doch wirklich nicht sein.

     

    "In einer Hinsicht bleiben die Menschen ihr Leben lang kleine Kinder: Sie schauen immer dann besonders unbefangen drein, wenn sie die Hosen voll haben."