Recherche zum „Landesverrat“: Wer ist hier Verräter?
Die Ermittlungen gegen netzpolitik.org sind eingestellt. Nun gibt es eine neue Theorie: Wollten Geheimdienste gegen Parlamentarier vorgehen?

Ging es gar nicht um netzpolitik.org? Foto: dpa
Landesverräter! – Für investigative Journalisten ist das fast schon ein Kompliment. Zumindest seit den Ermittlungen gegen die netzpolitik.org-Redaktion um Markus Beckedahl und unbekannt. Jemand hatte den Netzjournalisten geheime Haushaltspläne des Verfassungsschutzes zugesteckt. Darin stand: Zur Überwachung der sozialen Medien brauche das Amt mehr Personal. Die Anzeige wegen Landesverrats hat die Netzjournalisten überhaupt erst richtig bekannt gemacht.
Die Ermittlungen gegen netzpolitik.org sind längst eingestellt. Den verantwortlichen Generalbundesanwalt Harald Range haben die unverhältnismäßigen Ermittlungen wegen Landesverrats sogar das Amt gekostet.
Dennoch bleibt der Fall im Gespräch. Der Recherchenetzwerk Correctiv vertritt eine neue Theorie: Es sei bei den Ermittlungen gar nicht um Netzpolitik gegangen, sondern um Bundestagsabgeordnete.
Die haben nämlich als einzige Instanz mit dem „Parlamentarischen Kontrollgremium“ (PKG) zumindest dem Papier nach Kontrolle über den Nachrichtendienst. Gelänge der Nachweis, dass die Dokumente aus dem PKG leakten, müsste der Geheimdienst die Kontrolleure laut Rechtslage nicht mehr damit versorgen. So die aufregende Theorie von „Correctiv“.
Für „möglich“ hält dieses Szenario Beckedahl selbst. Sogar der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Konstantin von Notz, sagt, diese Theorie sei „nicht vollkommen aus der Luft gegriffen“, allein: Es fehle der Beweis. Es sei nicht klar, ob die Dokumente aus dem PKG „geleakt“ sind.
Beckedahl erinnert daran, dass im PKG nur neun Abgeordnete sitzen, während die Unterlagen sowohl in dieser als auch in anderen Behörden hunderte andere Menschen erreicht hätten. Vorerst aber bleibt die neue Theorie um die jüngste Landesverrataffäre der Republik genau das: eine Theorie.