Ermittlungen dem Anschlag von Nizza: Der IS beansprucht die Tat für sich
Vier Personen wurden von französischen Ermittlern festgenommen. Sie sehen noch keine Verbindungen zum Islamismus. Der IS lässt anderes verlautbaren.
Die IS-Agentur Amak berichtete, der Attentäter von Nizza habe auf Aufrufe der Miliz reagiert, Bürger der Länder der internationalen Koalition anzugreifen, die in Syrien und im Irak gegen die Extremisten kämpft. Zu der Koalition gehören neben Frankreich unter anderem die USA, Großbritannien und Italien. Deutschland unterstützt die Allianz mit einer Fregatte und Aufklärungsflügen.
Die Polizei nahm nach dem Anschlag vier Männer in Gewahrsam. Sie sollen nach Angaben aus Justizkreisen aus dem persönlichen Umfeld des Täters stammen. Auch die Ex-Frau des Tunesiers wird verhört. Erkenntnisse zu einer möglichen Komplizenschaft gibt es bisher nicht.
Als Täter von Nizza wurde der Tunesier Mohamed Lahouaiej-Bouhlel identifiziert. Den französischen Geheimdiensten war er nicht als Gefährder bekannt. Justizminister Jean-Jacques Urvoas sagte am Samstag dem Sender RTL, nichts in den Polizeiakten des Täters habe auf den Anschlag schließen lassen. Er sei bisher lediglich im Zusammenhang mit Kleinkriminalität in Erscheinung getreten.
Das Innenministerium sieht keine Verbindung
Auch das Innenministerium in Paris hat bisher nach eigenen Angaben keine Erkenntnisse für einen dschihadistischen Hintergrund der Tat. Premierminister Manuel Valls sagte dagegen dem Sender France 2: „Es handelt sich ohne Zweifel um einen Terroristen, der Verbindungen zum radikalen Islamismus hat.“
Der Tunesier mit Wohnsitz in Nizza hatte am Donnerstagabend während der Feiern zum französischen Nationalfeiertag einen Lastwagen in die Menschenmenge gelenkt. Dabei wurden mindestens 84 Menschen getötet und mehr als 200 weitere verletzt, mehr als 50 davon lebensgefährlich.
Nach Angaben seiner Familie war er schon vor seiner Bluttat gewalttätig gewesen. „Er schlug seine Frau, also meine Cousine, er war ein Mistkerl“, berichtete ein Familienmitglied am Samstag der Online-Ausgabe der britischen Zeitung Daily Mail. „Er trank Alkohol, er aß Schweinefleisch und er nahm Drogen.“ Der 31-Jährige Tunesier sei kein Muslim gewesen. Bereits zuvor hatte der Vater berichtet, dass sein Sohn früher wegen psychischer Probleme ärztlich behandelt worden sei.
Nach Angaben einer Krankenhaussprecherin in Nizza konnten 16 der Toten bisher nicht identifiziert werden. Fünf Kinder befinden sich noch in Lebensgefahr, drei von ihnen werden künstlich beatmet. Bei dem Anschlag kamen auch zahlreiche Ausländer ums Leben, darunter drei Deutsche aus Berlin.
Das Sicherheitskabinett tagt in Paris
In Paris trat zum zweiten Mal seit den Anschlägen das französische Sicherheitskabinett zusammen. An dem Treffen nahmen neben Präsident François Hollande unter anderem Premierminister Valls teil sowie die Minister für Inneres und Verteidigung, Bernard Cazeneuve und Jean-Yves Le Drian, sowie Generalstabschef Pierre de Villiers. Im Anschluss tagte das gesamte französische Kabinett.
Aus Regierungskreisen hieß es, im Sicherheitskabinett sei unter anderem Hollandes Vorschlag der Einberufung einer Sicherheitsreserve diskutiert worden. Insgesamt stehen demnach 180.000 Frauen und Männer bereit, um Armee und Gendarmerie im Notfall zu unterstützen. Die Mobilisierung zusätzlicher Kräfte könne den gegenwärtigen „Zustand der Ermüdung“ bei Polizei und Militär lindern, hieß es aus den Kreisen unter Verweis auf die kürzlich beendete Fußball-EM.
Am Samstag wurde der Tatort, die berühmte Strandpromenade von Nizza, wieder für den Verkehr geöffnet. An einem Ende der Promenade des Anglais erinnerte eine provisorische Gedenkstätte aus Kerzen und Blumen an die Tragödie vom Donnerstagabend. In Frankreich gilt noch bis einschließlich Montag eine dreitägige Staatstrauer. Für Montagmittag ist eine landesweite Schweigeminute geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind