Ermittlung gegen Anti-Mafia-Journalisten: Der Herr nimmt

Pino Maniaci ist einer der bekanntesten Anti-Mafia-Aktivisten Italiens. Doch nun kam heraus, dass er wohl selbst Politiker erpresste.

Zwei Männer stecken die Köpfe zusammen

Der Magistrat von Palermo (l.) und Pino Maniaci (r.) bei dessen Buchvorstellung 2012 Foto: Imago / Milestone Media

So kennt man die Mafiosi: Ein Mann, Wollmütze ins Gesicht gezogen, baut sich direkt vor seinem Opfer auf, drückt ihm den Zeigefinger auf die Brust und droht mehr oder minder offen: Entweder rückst du Bares raus – oder es gibt ordentlich Ärger.

Doch der, der da Schutzgeld erpresst, ist gar kein Cosa-Nostra-Mann, sondern einer der berühmtesten Anti-Mafia-Aktivisten Siziliens, ja ganz Italiens: der TV-Journalist Pino Maniaci. Und sein Gegenüber ist der Bürgermeister von Borgetto, einer Kleinstadt 30 Kilometer westlich von Palermo. Gleich im Nachbarort, in Partinico, betreibt Maniaci seinen Privatsender Telejato mit einem Programm, das vor allem von Enthüllungen über die Bosse lebt. Oder aber davon, echte oder vermeintliche Enthüllungen auch mal bleiben zu lassen.

Dem Bürgermeister jedenfalls erzählte der Journalist in dem von den Carabinieri gefilmten Gespräch, er wisse von einem Dossier, das bei der Präfektur liege. Die Töne sind eines Bosses würdig: „Ich habe dich gewarnt, ihr haltet an eurem falschen Verhalten fest, die Präfektin ist eine Freundin von mir.“ Im Dossier sei die Rede von mit der Mafia verbandelten Stadträten – und sein Schweigen habe einen Preis: 466 Euro, „die brauche ich, ich muss jetzt nämlich auf die Bank“. Das Stadtoberhaupt greift in seine Hosentasche, holt ein Geldbündel raus, zahlt anstandslos.

Ein anderes Mal beschwert sich einer der Stadtdezernenten, Maniaci wolle ihm Anti-Mafia-Shirts für 2.000 Euro aufnötigen, „das ist Erpressung“.

Kleiner Ganove

Der große Anti-Mafia-Journalist als kleiner Ganove, der von seinen angeblichen Gegnern vor allem eines gelernt hat: hinter einer respektablen Fassade unrespektable Aktivitäten abzuwickeln. Und die Ermittler haben bei vielem mitgehört. So gelingt es Maniaci, seiner Geliebten eine Anstellung im Rathaus von Partinico zu verschaffen, am Telefon jubelt sie: „Ich arbeite im Büro des Bürgermeisters!“ Und er freut sich: „Hast du gesehen, welchen Respekt sie mir entgegenbringen?“ Gleich darauf legt er nach, er fahre jetzt beim Bürgermeister vorbei, um 100 Euro zu kassieren, „und dann gehst du für dich und deine Kinder einkaufen“. Die Angebetete jubiliert ins Telefon: „Du ganz allein mit deinem Fernsehen bringst alle zum Zittern.“

Seit Jahren schon ist Maniaci weit über Sizilien hinaus bekannt, zum Beispiel weil der Sohn eines Mafiabosses ihm einmal ein blaues Auge schlug und er gleich darauf auf Sendung ging. An der Tür seines Senders prangt ein Schild mit dem Text „Ein Volk, das Schutzgeld zahlt, ist ein Volk ohne Würde.“ Selbst international gewann Maniaci Aufmerksamkeit; auch die taz widmete ihm im Jahr 2010 eine Reportage. Ende 2014 war er wieder in der Presse, nachdem seine zwei Hunde umgebracht worden waren. Sogar Ministerpräsident Matteo Renzi rief persönlich an, um Solidarität im Kampf gegen die Mafia zu bezeugen.

Der Bürgermeister greift in seine ­Hosentasche, holt ein ­Geldbündel raus, zahlt anstandslos

Maniaci allerdings kannte den wahren Täter: den aus ganz privaten Gründen wutentbrannten Mann seiner Geliebten. „Das Schwein bringe ich um!“, brüllt Maniaci, legt aber gleich nach, „jetzt kommt aber nicht raus, dass er das war. Jetzt wird publik, dass das ein Einschüchterungsakt war, dann müssen sie mir Begleitschutz geben.“ Später triumphiert er, sogar „Renzi, dieses Arschloch, hat mich angerufen“! Am Ende träumt Maniaci gar davon, seine permanenten Geldsorgen ein für allemal zu lösen. „Bürgermeister oder Parlamentsabgeordneter in Rom“ wolle er werden, „mit 22.000 Euro pro Monat, Dienstwagen, Begleitschutz, Fahrer“.

Vorerst ist dieser Traum beendet. Maniaci hat ein Verfahren wegen Erpressung am Hals, und die Staatsanwaltschaft erteilte ihm ein Aufenthaltsverbot für die Provinzen Palermo und Trapani. Auf den untadeligen Journalisten waren die Fahnder bei Ermittlungen im Rathaus von Borgetto gestoßen. Sie hatten das Büro des Bürgermeisters verwanzt, weil sie mafiösen Verstrickungen der Stadtspitze nachgehen wollten. Von denen fand sich keine Spur – wohl aber von der bizarren Arbeitsweise Maniacis, der wohl unter dem Fähnchen des furchtlosen Kampfes gegen das organisierte Verbrechen als Provinzboss in eigener Sache agierte.

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