Erinnerung an ermordete Sinti und Roma: Mit dem Mahnmal respektvoll umgehen
Organisationen von Rom*nja und Sinti*zze fordern einen respektvollen Umgang mit ihrem Mahnmal. Am Samstag wird gegen eine S-Bahn-Trasse protestiert.
Lernen ließe sich auch einiges über Antiziganismus, über eine spezifische Form des Rassismus gegen Rom*nja und Sinti*zze. Etwa bei einer Kundgebung und Demonstration von mehreren Selbstorganisationen am Samstag in der Nähe des Reichtstagsgebäudes.
Dort befindet sich, etwas versteckt, das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma Europas. Die Nazis hatten Hunderttausende der Minderheit verfolgt und ermordet, ein Genozid, genannt Porajmos, der in den Schulbüchern höchstens in wenigen Sätzen vorkommt und auch sonst meist unerwähnt bleibt. Erst seit 2012 erinnert das Mahnmal an diese Verbrechen, und nun, nur wenige Jahre später, ist es an diesem Standort bedroht – denn die S-Bahn plant hier eine neue Trasse, die möglicherweise direkt am Mahnmal entlangschrammt.
Das Mahnmal soll daher temporär komplett entfernt, abgebaut, teilweise abgebaut oder teilweise gesperrt werden. Sicher ist das alles noch nicht – dass es überhaupt denkbar ist und so in Plänen von Bahn und Bundestag auftaucht, macht die Selbstorganisationen wütend.
Diese zeigen sich erschüttert, dass Deutsche Bahn und Bundestag „keinerlei Idee von der kollektiven Bedeutung und gesellschaftlichen Symbolik des Ortes“ haben: „Erst seit acht Jahren gibt es mit dem Mahnmal/Denkmal ein sichtbares Eingeständnis von Schuld, Verantwortung und der Mahnung. Deutsche Politik und Gesellschaft hat beschämend lange gebraucht, um den rassistischen Genozid an den Rom*nja und Sinte*ze Europas anzuerkennen.
Gedenkort „unberührt“ belassen
Diese Genugtuung kam für viele der Überlebenden zu spät“, heißt es im Demo-Aufruf, den auch das feministische RomaniPhen-Archiv und das Rroma Informationszentrum unterzeichnet haben. Sie wenden sich nun an das Land Berlin, um das Bauvorhaben noch zu stoppen. „Das Mahnmal in seiner jetzigen Gestaltung bleibt! Wir fordern eine Lösung, die unseren Gedenkort unberührt lässt!“ schreiben sie. Statt Abbau sollte der Gedenkort weiter ausgebaut werden – mit einer Informationsstelle und Begleitprogramm soll mehr über den Pojramos vermittelt werden.
Und das scheint dringend nötig: denn auch wenn viel Kraft und Wut aus dem Aufruf zur Kundgebung herauszuhören ist, so schwingt auch die Enttäuschung mit, dass sie selbst es sind, die dazu aufrufen und dagegen auf die Straße gehen müssen. Wo wir das Erinnern und Mahnen doch eigentlich als gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe begreifen sollten.
Die Kundgebung beginnt am Samstag, dem 13. Juni, um 15 Uhr an der Scheidemannstraße vor dem Reichstagsgebäude und zieht dann weiter zur Konzernzentrale der deutschen Bahn am Potsdamer Platz. Die Veranstaltung mit zahlreichen Video-Beiträgen auch von Überlebenden wird unter twitch.tv/savespacecologne auch gestreamt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“