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Erinnerung an Hamburgs dicksten KomikerKolossal komisch

Emil Naucke war eine Hamburger Berühmtheit. Sein großes Gewicht nutzte er als Markenzeichen und Spaßfaktor für seine Shows. Vor 125 Jahren starb er.

Erfolg dank Abweichung von der körperlichen Norm: Emil Naucke und Peter Hansen radeln über eine Varieté-Bühne Foto: privat

Hamburg taz | Am 25. Januar 1900 veranstaltet der Deutsche Radfahrer-Bund ein großes Fest in den geräumigen Hallen von Sagebiels Etablissement in der Hamburger Innenstadt. Den unumstrittenen Höhepunkt stellt die humoristische Kunstrad-Aufführung von Emil Naucke und Peter Hansen dar, die das Publikum begeistert und amüsiert.

Nach ihrer umjubelten Darbietung fahren die beiden von der Bühne. Emil Naucke fühlt sich schlagartig unwohl und stirbt wenig später an einem Herzinfarkt.

Die Nachricht von Emil Nauckes Tod verbreitete sich wie ein Lauffeuer in Hamburg, denn er war nicht nur berühmt, sondern auch außerordentlich beliebt. Naucke hatte als Unterhaltungskünstler großen finanziellen Erfolg und unterstützte regelmäßig Hilfsbedürftige. So auch an seinem Todestag, als Spenden für Hamburger „Warteschulen“, wie Kindergärten seinerzeit hießen, gesammelt wurden.

Am Tag seiner Beerdigung, dem 28. Januar 1900, erwies ihm eine riesige Menschenmenge zwischen St. Pauli und dem Friedhof Ohlsdorf die letzte Ehre. Damalige Schätzungen kamen auf 50.000, ja sogar bis zu 100.000 Personen, die den Leichenzug an den Straßen säumten, was Emil Nauckes damaligen „Promi-Status“ eindrucksvoll unterstreicht.

Emil Naucke nannte sich in der Werbung „Colossalmensch“: Damit hatte er Erfolg in ganz Europa und in den USA Foto: privat

Zu Hamburg pflegte Naucke eine besonders innige Beziehung. Er selbst war aber kein Sohn der Stadt. Geboren wurde er 1855 auf der Insel Poel bei Wismar und lebte mit seiner Familie anschließend in der mecklenburgischen Hansestadt. Bereits während seiner Bäckerlehre entdeckte er die Schwerathletik für sich und trainierte mit den schweren Mehlsäcken seine Muskeln.

Bald zog es den jungen Naucke hinaus in die große weite Welt, die Welt der Ar­tis­t*in­nen und des Zirkus. 1873 ging er noch als Jugendlicher erstmals nach Hamburg und sorgte am St.-Georg-Theater für artistische Unterhaltung.

Anschließend und mit Zunahme seiner Muskelmasse verdiente er sein Geld als „Preisringer“ und trat in Hamburger Lokalen gegen Widersacher oder auch gegen zwei Pferde an, die er mittels Seilen bändigte. In den 1880er-Jahren tourte er ausgiebig mit einem eigenen Programm und eigener Agentur durch ganz Europa und 1889 sogar auch durch die USA. Dort trat er unter anderem mit einem vermeintlichen Bruder am New Yorker Broadway auf.

Bei einer Körpergröße von 1,70 Metern wog er bis zu 230 kg und bezeichnete sich selbst als „Colossalmensch“. Zu seinem Programm gehörte das Jonglieren mit schweren Gewichten wie Eisenstangen und -kugeln oder einem überdimensionierten Gewehr.

Immer häufiger schlüpfte Naucke mittels Verkleidung in groteske Rollen und entdeckte die Komik für sein Repertoire. Zu seiner Paraderolle entwickelte sich die „Pauline vom Ballet“. Bei der Nummer belustigte Naucke als Balletttänzerin im Kleid mit grazilen Bewegungen die Zu­schaue­r*in­nen.

Als Urahne des queeren Aktivismus kann Emil Naucke allerdings nicht bezeichnet werden: Travestie-Shows erfreuten sich bereits im späten 19. Jahrhundert großer Beliebtheit in St. Pauli. Doch er hält der Gesellschaft den Spiegel vor und findet dafür mit dem kleinwüchsigen Peter Hansen den kongenialen Partner.

Graziös, wenn auch nicht filigran: Emil Naucke in seiner Paraderolle als Baletttänzerin Foto: privat

Naucke und Hansen, Letzterer angeblich 98 cm groß, spielen zusammen ungleiche Paare und stellen sich in die Tradition der Freak Shows. Doch sie ­schreiben ihre Stücke, damals „Burlesken“ genannt, durchgehend selbst. In denen ziehen sie auch Autoritäten wie die Polizei durch den Kakao.

Einen lang gehegten Traum verwirklicht sich Emil Naucke 1896: Er eröffnet ein Varieté unter seinem eigenen Namen direkt am Spielbudenplatz. Etwas links vom heutigen Schmidts Tivoli sind er und Peter Hansen die großen Stars und spielen regelmäßig vor ausverkauftem Haus.

Spezialdisziplin: Schwergewichtsradeln

1898 entdeckt Naucke das Fahrrad für sich und übt mit Peter Hansen eine neue Nummer ein. Als Duo und Naucke als angeblich „schwerster Radfahrer der Welt“ parodieren sie die fulminante Fahrradmode der Jahrhundertwende. Emil Naucke gründet sogar seinen eigenen Fahrradverein, den RC Naucke: Mitglied werden durften nur Personen, die mindestens 100 kg auf die Waage brachten.

Naucke ist dermaßen populär, dass ihn auf der Straße sofort Kinder bedrängen und verfolgen. Er sei, schreibt die Presse am Tag nach seinem Tod, „eine der populärsten Persönlichkeiten nicht nur Hamburgs, sondern wohl von ganz Deutschland“.

Bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges führt seine Frau das Varieté noch weiter, und das Hamburger Abendblatt adelt ihn noch 1972 als „Liebling der Nation“. Doch letztlich verblasst die Erinnerung an den einst so berühmten Unterhaltungskünstler.

Der Obelisk von seinem Grab, der heute direkt am Eingang des Friedhofs Ohlsdorf neben dem Friedhofsmuseum steht, verweist als eines der letzten Zeichen auf seine frühere riesige Popularität.

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4 Kommentare

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  • Herrlich - was ein eine colossal burleske Figur der Zeitgeschichte.



    Mit zunehmender Spannung alles gelesen.



    Danke.

    unterm—btw & entre nous—-



    Dabei wäre mir der Betrag durch die Lappen gegangen. Was schade gewesen wäre. Denn einer meiner Lieblingsonkel - der Bauer & auch der Lieblingsonkel meines Vaters.03 - war. Hatte den Spitznamen “Nauke“ - angeblich nach seinem Lieblingspferd - einem belgischen Kalblut. Und damit schließt sich (endlich) der Kreis “Die massiven Belgier erreichen im Schnitt ein stattliches Stockmaß von 158 bis 175 Zentimeter und ein Gewicht von 700 bis 1.200 Kilogramm. Das Exterieur der Brabanter ist dabei ein purer Ausdruck von Stärke.“



    Mein Onkel Nauke selbst hingegen - ein drahtiger eigenwilliger Stiftekopp mit einem sbrundgrundtiefen norddeutschen Humor gesegnet!



    (Aus dem Skat - beschwerte er sich mit satt über 80 bei seinem jüngeren Bruder - der keinen Hof abbekommen hatte - Artzt in HH werden mußte!;)



    “Du!“ sech hei “ik fall jümmers um!“ “Wie? Du falls jümmers um! Wobie ?“0



    “Biit Nägelsniiden!“ “Ja mookst du dat den inn Steien?!“ “Ja. Wo süss?!“



    Nauke - wer hätte das gedacht! Nix nachm 🐎.



    Nach Emil Naucke - collosal!

    kurz - scheunen Sündach ook

    • @Lowandorder:

      (Warschau - zur Antwort von Lowandorder!)

      ff & Rest



      “…da much et wohl kummen!



      Scheun laut - Dat Brummen!



      Tonn End:



      Jau - Kasperohm Nauke & “Krögers Hans“



      Die strahlten 0ber alle vier Backen!



      Aber ganz.

      (der holländische “Brommfiets“ führt in die Irre: hier! handelt es sich um ein Kinderspielzeug - mit dem ein modelierbares Brummgeräusch erzeugt wird, indem man durch mittig zentrierte vier Löcher - zb ein grösser nicht zu leichter Knopf oder eine Drechslerscheibe - durch je zwei Löcher je zwei gleich lange Bändsel/Bänder führt - die zugehörigen Enden verwahrt(🪢) & rechts & links durch die Schlaufen die Zeigefinger führt - fertig - und jetzt den Knopf/Scheibe solange von sich weg & zu sich her - auf einer Kreisbahn schleudert bis sich die quergehenden Bänder so stark verwunden & verkürzt haben - daß bei Auseinanderziehen der Arme nach außen rechts wie links - der Brummfiits auf derselben Kreisbahn “rückwärts läuft“ & nach etwas Übung das Brummen entsteht - das durch den Außenzug modeliert werden kann!)



      (ps Viel Spaß beim Nachbau - auch mit kleinen Sachen kannste nich nur kleinen Kinnings große Freude machen!;)



      (Kasperohm = Patenonkel) Kaasper 🍒 womit wir wieder bei Humor wär

    • @Lowandorder:

      Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - schlenzt ein;

      “Kopp leicht geneigt über'n Ziehbrunnen halten.



      Dann ist er im tiefen Abgrund zu hören, dieser Humor. Ein Glucksen...



      (Manchmal sind es auch Frösche, die dort unten quaken.



      - ein Zeichen für gute Wasserqualität.)

      Liggers. Ziehbrunnen wsr mir auf den Höfen im Quellgebiet der Bille nicht vergönnt.



      Doch Humor - Glucksen und Quaken 🐸🐸🐸



      Steit - mi ook for Humor sei Qualiteit



      Un nu - Jau - een Sluusohr - wör hei noch dortau!



      Un as uns Ohl mol tonn Oberhof kam - weil Naucke un de Grootmudder em so veel leber warn



      “Een Brummfiiz wis han?!“ - ever n eulichen - gesagt getan.



      Psst. Legte Zeigefinger a den Mund! 🤫



      Liggers - hei wör de Buur - ever ook doch klar



      Dat da noch siin Mouder - Grootmuddern war!



      “Kumm - gaht wi nan Peer(🐎)Stall - dor findsich all.“ Langt nen ollen Peersaddel runner🤫 un sniid met denn Mess🔪n kreisrund Shiif(🥏)rut - groot as sonn Unnertass. Dee Mitt fixiert un drum mit denn Hohlbeitel veer Lökkers gestanzt! Faardig.



      Nu kaamt dat Tüddelband! Dorch dee Lökkers - Gefummel - dee Tung help mit!



      Tweemol Weberknech‘ (🪢) & däh - allens trech!



      Dor floch dee Shiif - dat Bann verdreit - un Zug un Schwung - …ff & Rest

  • Danke Lars Amenda

    „…Fest in den geräumigen Hallen von Sagebiels Etablissement in der Hamburger Innenstadt.“

    Kleine Korrektur:



    Sagebiel Veranstaltungstempel liegt soweit ich weiß, nicht in Innenstadt Hamburgs sondern auf dem Süllberg über Blankenese Altona. Altona war erst ab 1937 nach NS Gebietsreform Teil Groß-Hamburgs, wie Harburg, Wandsbek auch.

    Zuvor zu Lebzeiten Emil Nauckes war Altona ohnehin Teil Hohenzollern Königreich Preußens, wie Wandsbek auch nach Sieg Preußens in Allianz mit Habsburger k, u, k. Donanumonrchie über Königreich Dänemark 1865