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Erinnerung an Grüne Revolution im IranDie Toten sind nicht vergessen

Im Iran erinnern Frauen an die Gefangenen und Opfer der Grünen Revolution. Auch im Ausland gibt es Unterstützung für die Mütter.

Einige Protestler der Grünen Revolution wurden brutal niedergeschlagen und starben unter Folter. Foto: dpa

Berlin taz | In diesem Monat jährt sich zum sechsten Mal der Aufstand der Mütter im Iran gegen Verhaftung, Folterung und Hinrichtung ihrer Söhne und Töchter. Anlass waren die Massenverhaftungen bei den Protesten gegen die Wahlmanipulationen, die 2009 dem Land eine zweite Amtszeit von Präsident Mahmud Ahmadinedschad bescherten.

Die Proteste der Grünen Bewegung wurden von den Basidsch-Milizen und Revolutionsgarden brutal niedergeschlagen. Es gab mehrere tausend Verhaftungen. Die Gefangenen wurden nachweislich gefoltert und zu falschen Geständnissen gezwungen. Einige starben unter der Folter. Revolutionsgerichte verhängten langjährige Gefängnisstrafen. Mehrere hundert Gefangene sind immer noch in Haft. Die führenden Politiker der Bewegung, Mir Hossein Mussawi, seine Frau Sarah Rahnaward und Mehdi Karrubi leben seit als vier Jahren ohne Gerichtsurteil im Hausarrest.

Machtlos gegen die Willkür versammelten sich mehrere hundert Frauen im Teheraner Laleh-Park zu einer Kundgebung. „Wir fordern die Verantwortlichen auf, zu erklären, warum unsere Söhne und Töchter festgenommen, ins Gefängnis gesteckt, gefoltert und getötet wurden“, hieß es in der Erklärung der Mütter. „Wie lässt sich das Vorgehen der Miliz, der Garden und der Justiz mit der Verfassung und den Gesetzen der Islamischen Republik vereinbaren? Warum werden die Eltern daran gehindert, für ihre Toten Trauerfeiern zu veranstalten?“

Die Frauen beschlossen damals, sich jeden Samstag im Laleh-Park zu treffen. Die Aktion machte Schule. Mütter in einigen anderen Städten schlossen sich an, auch jene, die ihre Töchter und Söhne bei den Massenhinrichtungen von 1988 verloren hatten. Kurz vor dem Ende des achtjährigen Iran-Irak-Kriegs wurden auf Befehl von Revolutionsführer Ajatollah Chomeini mehrere tausend Gefangene binnen weniger Tage hingerichtet. Jahrelang blieb es geheim, wo die Hingerichteten begraben wurden, bis sich herausstellte, dass sich das Massengrab in Chawaran, in der Nähe der Hauptstadt Teheran neben dem Friedhof für Anhänger der Bahai-Religion befand.

Forderungen werden auch im Ausland verbreitet

Die Aktion der Mütter, die nun „Mütter des Laleh-Parks“ genannt wurden, drohte aus der Sicht des Regimes zu einer politischen Bewegung zu werden. Sie wurde verboten. Als die Mütter sich dem Verbot widersetzten, griffen die Ordnungskräfte ein. Die Versammlung wurde auseinander getrieben, einige Frauen wurden festgenommen und zu zwei bis drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Da seitdem das wöchentliche Treffen in Laleh-Park nicht mehr möglich ist, nutzen die Mütter jede Gelegenheit wie Trauerfeiern oder Protestkundgebungen dazu, ihre Forderungen publik zu machen. Sie verlangen neben der Freilassung politischer Häftlinge die Abschaffung der Todesstrafe und die gerichtliche Verfolgung der Verantwortlichen für die willkürlichen Hinrichtungen.

Auch aus dem Ausland erhalten die Mütter Unterstützung. Es gibt in den USA und Europa Gruppen von Frauen und Männern, die sich Woche für Woche sich mit denselben Forderungen versammeln und die Öffentlichkeit über die Lange der Menschenrechte im Iran informieren. So wie in Hamburg, wo sich eine Gruppe bereits vor sechs Jahren sich der Aktion der „Mütter des Laleh-Parks“ anschloss und seitdem jeden Samstag in der Hamburger Innenstadt eine Kundgebung abhält. „Wir sind an keine Partei gebunden“, sagte Mina, die die Hamburger Gruppe mitgegründet hat. „Jeder, der die Forderung der Mütter unterstützt, ist willkommen.“

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3 Kommentare

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  • Beschämend, dass das Mullahregime, mit seiner Spitzenstellung an Hinrichtungszahlen, mit seinen Folterknästen, mit seinen sonstigen Menschenrechtsverstößen, seiner Korruption und den massiven sozialen Verwerfungen im an sich reichen Land neuerdings aus rein taktischen und wirtschaftlichen Gründen wieder als hoffähig erklärt wird und sogar die taz Leser_innenreisen dorthin anbietet.

    • @Khaled Chaabouté:

      Beschämend? Für wen?

       

      Haben Sie schon mal von "Wandel durch Annäherung" gehört? Nein? Nie? Dann sollten Sie ganz schnell mal Google danach fragen.Und wenn sie dem nicht trauen, jemand anderen. War ein verdammt erfolgreiches Prinzip. Nicht schnell, doch dafür ziemlich nachhaltig.

       

      Was aber die Leser_innenreisen der taz angeht: Glauben Sie bloß nicht, dass Gastgeber sich blamieren wollen, nur weil sie im Iran zu Hause sind. Ob Sie das nun glauben oder nicht: Auch Iraner sind Menschen. Und zwar ganz überwiegend solche, die gut sein wollen oder wenigstens nicht völlig schlecht. Die selbe Psyche, die uns und diesen Menschen den Ärger miteinander beschert, kann auch Probleme lösen verhelfen. Natürlich nur, wenn die, die angeblich viel klüger oder besser sind, nicht böse oder blöd genug sind, sie mit einem besonders großen Knüppel zu erschlagen, nur weil sie das womöglich gerade können.

      • @mowgli:

        Ich habe selber lange im Iran gelebt und kenne viele Iraner_innen dort und hier bei uns im Exil. Ich arbeite viel mit Iraner_innen zusammen, kenne und liebe die Kultur des Iran, die viel älter und viel reichhaltiger ist, als der Islam.

         

        Für mich ist klar, dass das Mullahregime eines Tages fallen wird, wie auch die Berliner Mauer fiel, das geht aber nicht, indem man den Iran hofiert und nur aus strategischen und wirtschaftlichen Interessen die katastrophale Menschenrechtslage, die bei jedem Westbesuch in China/Russland/Vietnam/Kuba und anderen lateinamerikanischen Ländern und neuerdings Syrien immer ganz oben auf der Agenda steht, draußen vor lässt.

         

        Der Iran und seine Menschen hat etwas Besseres verdient als die Mullahs, aber er hatte auch etwas besseres verdient als den Schah.

        Die Wurzeln des Islamismus wurden mit der Operation Ajax bereits 1953 gepflanzt, damit hatte Chile 1973 einen Vorläufer nach gleichem Schema.