Erhalt des Regenwaldes: „Schützen, was noch übrig ist“
Fast 20 Prozent des Regenwaldes sind bereits abgeholzt. Es brauche ein sofortiges Moratorium, sagt die Geschäftsführerin der NGO Amazon Watch.
taz: Frau Salazar-Lopéz, „A Amazônia é vida“, sagen die indigenen Gruppen des Amazonasgebiets. Zu Deutsch: „Amazonien lebt.“ Wer oder was lebt hier eigentlich?
Leila Salazar-Lopéz: Der Amazonas-Regenwald ist eines der vielfältigsten Ökosysteme auf unserem Planeten. Er ist größer als die USA. Hier leben 30 Prozent aller Arten und es fließt ein Drittel unseres Süßwassers. Er ist also Leben. Er ist der größte tropische Regenwald, weil er seit Tausenden von Jahren von indigenen Völkern gepflegt, geschützt und verteidigt wird. Über 500 indigene Gruppen leben hier. Einige sind noch immer abgeschieden von der westlichen Welt. Heute befindet sich 80 Prozent unserer weltweiten Artenvielfalt auf dem Land der Indigenen. Wir müssen diese Vielfalt, den Wald und die Rechte der indigenen Menschen schützen.
Was fordern Sie von der Politik in puncto Regenwaldschutz?
Derzeit läuft bei uns eine Kampagne, um 80 Prozent des Amazonasgebiets bis 2025 zu schützen. Dafür braucht es ein sofortiges Moratorium für die Abholzung des Regenwalds. Das ist ehrgeizig. Aber wenn wir den Kipppunkt abwenden und die Klimakrise stoppen wollen, müssen wir ehrgeizig sein.
Sie ist die Geschäftsführerin von Amazon Watch. Die brasilianisch-amerikanische NGO setzt sich für den Erhalt des Amazonas-Regenwaldes ein.
Warum nicht gleich den ganzen Regenwald schützen?
Wir müssen schützen, was noch übrig ist. Fast 20 Prozent des Regenwaldes sind bereits abgeholzt. Auf dem letzten Weltnaturgipfel im Dezember in Kanada haben sich zwar alle Staaten verpflichtet, 30 Prozent der Natur zu schützen. Aber das geht nicht weit genug. 30 Prozent Amazoniens sind ohnehin indigenes Land. 30 Prozent zu schützen wäre also gleichbedeutend mit Nichtstun. Deshalb braucht es 80 Prozent bis 2025.
Wird die Abholzung des Regenwaldes – nun, da Bolsonaro weg ist – enden?
Nein, nicht sofort. Präsident Lula hat versprochen, die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet bis 2030 zu beenden. Es gibt auch erstmals ein Ministerium für indigene Gruppen, geleitet von Sônia Guajajara. Aber größere Fortschritte werden Jahre dauern. Auch, weil Umwelt- und Vollzugsbehörden unter der Bolsonaro-Regierung stark geschwächt wurden. Die Regenwaldexpertin Ane Alencar hält es für möglich, dass die Abholzung bis 2028 um die Hälfte reduziert werden könnte. Dafür müsste die illegale Besetzung von öffentlichem Land verboten und das organisierte Verbrechen bekämpft werden. Ein Schlüsselfaktor für all das wird die Finanzierung sein – etwa über den von Deutschland und Norwegen initiierten „Amazon Fund“.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden