piwik no script img

Ergebnis des AtomgipfelsGroße Koalition der Aussteiger

Bund und Länder einigen sich: Schon vor 2021 sollen weitere AKWs vom Netz gehen. Ein Sieg für die Länderchefs, die Merkel aber nicht das AKW im Wartestand wegstreichen konnten.

Große Runde: Die Kanzlerin mit den Chefs der Länder, in denen Meiler stehen. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Anstrengung war Angela Merkel anzumerken. Als die Kanzlerin am Freitagnachmittag die Ergebnisse ihrer Verhandlungen mit den Ministerpräsidenten der Länder präsentierte, da sprach sie statt von einem "vertrauensvollen" lieber von einem "wichtigen" und "intensiven Gespräch". Das hat seinen Grund: Die 16 Länderchefs haben sich mit der Forderung durchgesetzt, bereits vor 2021 einige der 9 verbleibenden AKW vom Netz zu nehmen. Der Bund plädierte bislang für ein geballtes Abschalten 2021 und 2022.

Die Bundesregierung wolle "nicht gegen die Interessen" der Länder handeln, versicherte Merkel nach dem Gespräch. Beide Seiten seien sich in vielen Punkten einig: Es solle keine Bevorzugung von Windkraftanlagen im Meer gegenüber jenen an Land geben. Die 7 derzeit abgeschalteten Meiler blieben vom Netz, ebenso das seit Längerem abgeschaltete AKW Krümmel. Während dies klar war, überraschte Merkels Zugeständnis bei den Restlaufzeiten der noch laufenden Atomkraftwerke angeht: "Es wird bis 2022 eine stufenweise Abschaltung geben."

Die Ministerpräsidenten haben darauf gedrungen. Ebenso wie auf weitere Änderungen am Ausstiegsplan der Bundesregierung. Darauf hatten sie sich vor dem Zusammentreffen mit Merkel bei einer Sondersitzung geeinigt.

Bleibt Streitpunkt: Wer darf künftig Großprojekte planen

Zwar wissen auch die 16 Regierungschefs, dass die Bundesländer keinen direkten Einfluss auf die acht Gesetze haben, die den Rahmen für den Umbau der Energieversorgung abgeben sollen. Aber die Länderfürsten kalkulieren, dass Merkel einen möglichst breiten Konsens anstrebt, um ihren atompolitischen Reißschwenk nach allen Seiten abzusichern. Bereits kommende Woche sollen die parlamentarischen Beratungen der Gesetzentwürfe beginnen. Deshalb stellten die Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Reiner Haseloff (CDU, Sachsen-Anhalt) und Kurt Beck (SPD, Rheinland-Pfalz) offene Forderungen an den Bund.

Die Länderchefs konnten sich nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, auf ein Atomkraftwerk im Wartestand zu verzichten. Dieses soll nach den Regierungsplänen bei einem akuten Stromengpass hochgefahren werden können. Die SPD hält das nicht für technisch machbar. Die Länder sind weiter für die Notversorgung durch schnell einsatzbereite Kohle- und Gaskraftwerke.

Uneins sind Bund und Länder noch in der Frage, wer künftig Großprojekte im Energiebereich planen darf. Der Bund sei nicht gut beraten, Höchstspannungstrassen selbst zu planen, hatte Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister vor dem Treffen verkündet. Die Bundesebene habe "in diesem Thema bisher keine Erfahrung, keine Kompetenzen und kein Personal". "Das Raumordnungsverfahren könnte auf den Bund übertragen werden, die Planfeststellungsverfahren sollten allerdings bei den Ländern verbleiben." Das ist nun auch die Kompromisslinie, die eine eigens eingesetzte Arbeitsgruppe beider Seiten festklopfen soll.

Für die Grünen wird es nun schwerer, ihre skeptische Haltung zum Ausstiegsplan zu begründen. Sie konzentrierten ihre Kritik bislang auf den Weiterbetrieb von neun AKWs bis mindestens 2021.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • KF
    Öko Fritz

    Der Ausstieg ginge auch schneller:

     

    "Die Regierung glaubnt Ihren eigen Experten nicht"

     

    http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/4117.pdf

     

    Es geht nur um Machterhaltung! Sonst gar nichts!

     

     

    Sobald erneuerbare Energie 100 % dezentral in "Bürgerhand" oder staatlich verfügbar wäre, also nicht in Händen von wenigen Oligopolisten, würden sich Machtverhältisse massiv ändern!

  • M
    Marvin

    Na super! Volksbefriedung.

    Der Atomkraft-Ausstieg wäre "schon" 1990 oder 2008 möglich gewesen. Richtig ist es, nicht "verstärkt", sondern ganz und gar ausschließlich auf "erneuerbare Energien" zu setzen, alles andere ist Quark.

     

    Welch ein tolles Hin-und-her, von einem rotgrünen Konsens, der schon damals faul war, zu einer schwarzgelben Schrecksekunde und nun, dank zweitem (dritten? vierten?) Чернобыль, ein später Ausstieg, bei dem sich scheinbar alle auffe Schulter klopfen können?

     

    Quark, denn erst bei hundertprozentiger "erneuerbarer" Energie ist ein Anfang gemacht.

  • C
    cosmicspirit

    Nur wenige sind's ...

     

    Wenn die musikalischen Kompetenzen einer Person sich darauf beschränken, dass sie auf der Blockflöte "Alle meine Entchen" spielen kann, sollte sie sich nicht als Musiker bezeichnen.

    Wenn jemand die SPD und/oder die Grünen wählt und mal irgendwann irgendwo äußert, dass er/sie gegen Atomkraft ist, solte er/sie sich nicht als Atomkraftgegener/in bezeichnen.

    Denn irgendwie können die laut jahrelangen Meinungsumfragen 67% Atomkraftgegener

    aller Deutschen wohl keine tatsächlichen Atomkraftgegner sein, denn sonst sähe die

    Wirklichkeit bezüglich Plutoniumproduktion (=Stromerzeugung durch AKW) anders aus.

     

    Die feste Größe, mit denen die Machthaber, Wirtschaftsmanager und Politiker immer rechnen können,

    ist, dass die allermeisten, wenn überhaupt, "den Hintern" (bzw. Herz, Hand und Verstand) nur für ein Kreuz auf dem Wahlzettel "hochkriegen".

     

    Es gibt daher sehr gute Gründe eine(n) Atomkraftgegner/in folgendermaßen zu definieren:

    Ein(e) Atomkraftgegner/in ist ein Mensch der aktiv Widerstand leistet, indem er/sie bereits seit

    vielen Jahren keinem Plutoniumproduzenten (AKW-Betreiber) sein Geld gibt und/oder

    häufig auf Demonstrationen und Blockaden seinen Unmut öffentlich äußert, außer dass er/sie eine Anti-AKW Partei wählt.

    Ich halte die Wahl eines ökologischen Stromversorgers für die weitaus effektivere und stilvollere Methode.

     

    Gemäß jahrelangen Meinungsumfragen sind ca. 67% der Deutschen gegen Atomkraft.

    Ein eindrucksvolles Beispiel dafür was Umfragen bzw. Statisiken taugen, denn deutlich weniger als fünf Prozent beziehen Ökostrom und noch viel weniger beteiligen sich häufig auf Demonstrationen und Blockaden.

    Umfragen und Statisiken sind oft das Papier nicht wert auf dem sie gedruckt sind, bzw. bieten zahlreiche Auswertungs- also Deutungsmöglichkeiten.

     

    In diesem Fall dokumentieren sie, dass es massenhaft Schwätzer und Schwätzerinnen gibt oder massenhaft Menschen mit einer schäbigen "Wisch-mir-den-Hintern-ab-mach-mir-ein-Butterbrot bind'- mir-die Schuhe zu"-Mentalität herumlaufen.

    Es kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass die Politiker die "Energiewende" nicht alleine hinkriegen können, oder?

     

    Woran liegt es, dass laut etlichen Umfragen seit Jahren schon ca 2/3 aller Deutschen gegen Atomkraft sind, etliche auch "Grün wählen" aber nur ganz wenige den Strom bei einem Ökostromanbieter kaufen? Woran?

     

    Diese Anti-AKW-Gesellschaft wollte nun insbesondere seit "Tschernobyl" keine Atomkraft mehr. Politisch aktive Menschen hatten es im Jahr 1998 geschafft, endlich den Strommarkt zu liberalisieren.

    Die AKW-Skeptiker bekamen nun endlich alternativ zu "Plutonium-Strom" etwas anderes , nämlich "Öko-Strom" angeboten und wollten den offenbar nun auch nicht und blieben daher beim "Plutonium-Strom". Passt zwar nicht so ganz... "macht aber nicht's"...

    Letzeres erinnert mich sehr an eine Gruppe von grundlos verdrehten-motzigen Kindern.

     

    Wie sollen sich regenerative Energien in einem vernüftigen, also starkem Maß ausbreiten, wenn kaum

    jemand diese kauft? Wie soll das gehen?

     

    Welche Rolle spielen hier die Lehrerinnen und Lehrer in der Schule? Überhaupt das ganze Erziehungswesen? (und Eltern, die eben genau dieses zulassen oder gar gutheißen?)

    Lehrerinnen und Lehrer hinken zu oft ihrer besonderen (!) Verantwortung sehr weit hinterher, auch weil sie selbst häufig charakterlich sehr defizitär sind

    und daher unter anderem z.B. eine ausgeprägte "Geiz ist geil" Mentalität pflegen.

    Sie sind in oft in ihrer Wahrnehmung und ihrem Charakter so eingeschränkt, dass sie ein temporäres Glücksgefühl beim Kauf von (vermeintlich) billigem "Plutonium-Strom" wichtiger finden, als einen Strom, der ihren eigenen(!) Maßstäben (wie z.B. Vernuft, Gesundheit, Friedlichkeit, Nachhaltigkeit etc.) gerecht wird.

    Eine "Megamäßige" Heuchlerei. Es ist als drehe sich mir der Magen um. Man möchte fliehen, aber wohin? Die armen Menschen, die wegen einer Krebserkrankung viel zu früh sterben oder einen geliebten Menschen viel zu früh verlieren!

    In einem gut recherchierten Wortbeitrag im Radio hies

    es einmal: "Schule ist ein denkbar schlechter Ort um Demokratie zu lernen".

    Lernen die Menschen "von klein auf", dass sie sowieso nicht viel machen können und kaum eine Mitbestimmung haben können? Lernen die Menschen, dass andere für sie die Arbeit erledigen bzw. erledigen sollen?

    Schule hat immer noch sehr viel damit zu tun, Kinder und Jugendliche zu etwas zu zwingen!

    Der Hauptgrund ist die allgemeine Angst.

    Gruppen, egal welcher Größe, sehen sich in Konkurrenz zu anderen Gruppen ... Eine Erklärung würde hier zu umfangreich.

     

    Ich wünsche mir mehr Menschen, die sich darüber im Klaren sind, dass durch bloßes Reden noch nie "Weizen gesäht und Brot gebacken wurde" und Demokratie ganz besonders zur aktiven Mitgestaltung verpflichtet, anstatt alle vier Jahre die Verantwortung, an, in vielen Fällen, höchst zweifelhafte Charaktere, abzugeben.

     

    Gewissermaßen ist es die Wirklichkeit (* jaja, ich weiß, es gibt so viele Wirklichkeiten...sogar eine Plutomiumart, die alle Vitamine enthält und die Libido steigern soll. *) die die Wahrheit konstituiert.

     

    An der Tatsache, dass immer noch massenhaft extrem giftiges Plutonium erzeugt wird, erkenne ich, dass es nur sehr wenig Atomkraftgegner(innen) gibt.

  • M
    michael

    "Die Länder sind weiter für die Notversorgung durch schnell einsatzbereite Kohle- und Gaskraftwerke." Zumindest die 15 Länder ohne Ba-Wue. Und nicht nur das, sie würden auch gern noch weitere Kohlekraftwerke bauen, zumindest Herr Haseloff oder Frau Kraft. Der Klimaschutz ist CDU und SPD ziemlich egal.

    Das ist nur eines der faulen Eier dieses Geschacheres. Ein anderes ist das Festhalten an Gorleben. Bitte bleibt auf kritischer Distanz.

  • HP
    H. P. Petersen

    Ja, wenn sich mal wieder alle Parteien einig sind, dann ist höchste Vorsicht geboten. Denn diese Einigkeit hat uns immer etwas gebracht, was die Bürger mehrheitlich nie wollten.

    Den Euro

    Kriegseinsätze der BW.

    Gen-Food

    usw.

    Immer waren sich alle Parteien einig, dass das Volk einfach nur zu dumm ist, die "wahren Vorzüge" zu erkennen und haben ihre Entscheidung mutig gegen die Bürger durchgepeitscht.

     

    Nun wird zwar viel von Atomausstieg und Energiewende geredet. Nur, wo diese Wende denn hingehen soll, darüber schweigt man sich lieber aus.

     

    Derzeit sind schon über 20 neue Kohlekraftwerke in Bau/Planung und es werden sicher noch weitere folgen. Der Atomausstieg geht zurück in die Steinkohlezeit, deren "wertvolle" Bestandteile Uran, Thorium, Radium über Feinstaub und als "umweltfreundlicher" Baustoff verscherbelter Asche großflächig verteilt allen Bürgern "zu Gute" kommt. Ja, deshalb ist man ja auch so schweigsam.