Kommentar: Erfolgsrezept
■ Hessen: CDU - von der Unterschriftenaktion gegen Ausländer zum Wahlsieger
Die Überraschung ist perfekt. Hessens CDU hat sich vor die SPD gesetzt, eine Koalition mit der FDP ist möglich. Weit mehr als die Tatsache, daß Rot-Grün bedrängt wird, schmerzt der Umstand, mit welchen Mitteln dieser Erfolg erreicht wurde. Offenbar hat die CDU mit ihrer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft über ihre Klientel hinaus Wähler mobilisieren können. Die Emotionen, die mit den Unterschriftensammlungen in den Fußgängerzonen geschürt wurden, hat man in Stimmen ummünzen können. Partei- und Fraktionschef Schäuble in Bonn darf frohlocken. Hatten doch nicht wenige Anhänger des liberalen Flügels seiner Partei die von ihm vertretene Strategie in der Ausländerpolitik kritisiert. Sie werden es nun noch schwerer haben. Der CSU-Chef Stoiber und nicht der Flügel der konservativen Modernisierer um Merkel, Rühe und Rüttgers geht aus dieser Wahl gestärkt hervor.
Was aber bedeutet das Wahlergebnis für die rot-grüne Koalition in Bonn? Der hessische CDU-Spitzenkandidat Koch hatte vor der Wahl erklärt, die Regierung werde ab heute nicht mehr drum herumkommen, mit der Union über einen Kompromiß beim Staatsbürgerschaftsrecht zu reden. Dazu muß es nicht kommen, wenn die Koalition in Bonn zusammenhält. Doch ist anzunehmen, daß innerhalb der SPD jene Stimmen sich nun Gehör verschaffen, die mit dem Projekt der doppelten Staatsbürgerschaft insgeheim haderten. Ein derartiges Reizthema wird man schnell durch einen Kompromiß vom politischen Tableau haben wollen, zumal es ungelöst in den kommenden Landtagswahlen dieses Jahres der Union nur helfen würde. Einmal mehr zeigt sich, daß ein so sensibles Thema wie die Ausländerpolitik von konservativen Parteien erfolgreich instrumentalisiert werden kann. Zumindest hat es der Union geholfen, ihre inhaltlichen Defizite zu verdecken.
Die eigentlichen Verlierer der Wahl sind die Grünen. Affären in Hessen haben ihnen ebenso geschadet wie die Einbindung in die Bonner Koalition, die für den kleinen Partner zwangsläufig ein höheres Maß an Profilverlust bedeutet. Das Ergebnis von Hessen beweist, wie sehr sie auf ihre Stammwählerschaft beschränkt bleiben. Selbst das ministerielle Engagement eines Trittin in der Atompolitik – mit dem in Hessen vor Jahren noch Wähler zu gewinnen waren – zieht nicht mehr. Severin Weiland
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