Erfolgreicher Frauenfußball: Der Wolfsburger Doppelpass
Der VW-Konzern lockt gute Spielerinnen nach Wolfsburg, indem er ideale Rahmenbedingungen bietet. Das zahlt sich aus: Das Team eilt von Sieg zu Sieg.
HANNOVER taz | Es war ein denkbar knapper Sieg, den die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg am Sonntag davontrugen: Im Top-Duell der Frauen-Bundesliga gegen den SC Freiburg lagen sie zur Halbzeit noch 0:1 zurück. Nach dem Ausgleich in der 64. Minute dauerte es bis zur dritten Minute der Nachspielzeit, bis die Entscheidung fiel. Der 2:1-Siegtreffer gelang Nationalspielerin Conny Pohlers.
Damit sichern sich die Wolfsburgerinnen in der Liga den ersten Tabellenplatz vor dem amtierenden Meister Turbine Potsdam. Es ist ein wichtiger Sieg, dem nur wenige Tage zuvor ein ebenso wichtiger Sieg voranging: Am vergangenen Mittwoch besiegten die VfL-Frauen den russischen Meister FK Rossijanka in der Champions League zu Hause mit 2:1.
Der Ärger, der trotz des Erfolgs entstanden war, sagt eine Menge aus über die gehobenen Ansprüche beim VfL Wolfsburg. Tabellenführer in der Liga, das Pokalfinale erreicht, in der Champions League auf dem Weg ins Halbfinale: Trotzdem legt VfL-Trainer Ralf Kellermann die Messlatte für sein Erfolgsteam immer noch ein Stückchen höher. Für ihn fühlte sich der 2:1-Heimsieg angesichts vieler ausgelassener Torchancen wie eine Niederlage an.
Kommenden Mittwoch reisen die Wolfsburgerinnen, von denen sieben Spielerinnen dem aktuellen Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft angehören, zum Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale nach Moskau. Das Wissen, große Taten vollbringen zu können, ist für Kellermanns Team längst zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Wie es dazu kommen konnte, dass der VfL Wolfsburg innerhalb kürzester Zeit nicht nur die beste norddeutsche Mannschaft, sondern auch gleich das bundesweit beste Team ins Rennen schicken kann, beschäftigt viele Neider und Kritiker.
„Das Vorurteil über uns ist in den Köpfen verhaftet“, sagte Thomas Röttgermann, der als einer von drei Geschäftsführern der VfL Wolfsburg Fußball GmbH für das Projekt Frauenfußball verantwortlich ist. Wie das Männerteam um den Brasilianer Diego, das sich dank millionenschwerer Investitionen in der Bundesliga etabliert hat, werden auch die Frauen vom Volkswagen-Konzern unterstützt. „Wir bieten den Spielerinnen eine sportliche Perspektive und eine berufliche Absicherung. Und ja, wir zahlen auch Geld. Aber weniger als die Konkurrenz aus Frankfurt und Potsdam“, versichert Röttgermann.
Was auch immer Spielerinnen wie Carolin Simon vom Hamburger SV, Viola Odebrecht von Turbine Potsdam oder Alexandra Popp vom FCR 2001 Duisburg zuletzt ins Niedersächsische gelockt hat: Die Konkurrenz erlebt auf schmerzhafte Art mit, wie Wolfsburg die Elite anlockt und Tor für Tor zum Branchenprimus aufsteigt.
Zur Champions-League-Partie in Moskau reisen Kellermann und Co. mit der Empfehlung, in dieser Saison erst ein einziges Pflichtspiel verloren zu haben. Das darf man als Bestätigung für die Arbeit des Trainers, aber auch als Beleg dafür verstehen, dass VW perfekte Rahmenbedingungen bietet.
Martina Müller, eine äußerst erfolgreiche Torjägerin und langjährige Nationalspielerin, hat oft beklagt, dass der hohe Zeitaufwand für ihre Sportart und die Chance auf beruflichen Erfolg in einem ungesunden Verhältnis stehen. Das Zusammenspiel von VW und VfL ermöglicht ihr, in der Abteilung Mobilitätsservice der Autobauer-Firma zu arbeiten und zugleich den nötigen Freiraum für ihren Zweitjob im Fußballtrikot zu bekommen.
An einem solchen Doppelpass finden immer mehr Vorzeigespielerinnen Gefallen. Das sorgt für Gemäkel der Konkurrenz, deren bestes Personal in Wolfsburg aber nicht nur gute Bedingungen geboten bekommt: Der Verein hat auch gewissen Erwartungen, was zählbare Erfolge betrifft. „Noch haben wir nichts erreicht. Noch sind wir ohne Titel“, sagt VfL-Entscheider Röttgermann. „Aber wir bekommen hier Raum und Zeit, um ohne Hast etwas langfristig aufbauen zu können.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!