Erdoğan vs. ZDF-Satiriker: Immer Stress mit Böhmermann

Der Präsidenten-Anwalt will durch alle Instanzen gehen. Juncker kritisiert Erdoğans Vorgehen und prominente KünstlerInnen solidarisieren sich mit Böhmermann.

Erdoğan steht am Rednerpult vor türkischen und saudi-arabischen Flaggen

In der Zwischenzeit in Ankara… Foto: reuters

MAINZ/BRÜSSEL/HAMBURG epd/afp | Der deutsche Anwalt des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Hubertus von Sprenger, will im Rechtsstreit mit dem ZDF-Moderator Jan Böhmermann notfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen. Er sei bereit, bis zu den höchsten Gerichten zu gehen, sagte Sprenger am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“. „Wenn ich das Mandat annehme, dann ziehe ich es auch durch.“

Erdoğan hat wegen des Schmähgedichts Böhmermanns in der Sendung „Neo Magazin Royale“ bei der deutschen Justiz Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Böhmermann „sei aufgefordert worden, sich zu verpflichten, das nicht noch mal zu sagen. Es kann ja durchaus sein, dass er klein beigibt“, sagte der Münchner Anwalt. Der Moderator und Satiriker werde „sicher keine erhebliche Strafe bekommen, sondern es wird eine Strafe sein, die erforderlich ist, um ihn auf den rechten Weg wieder zurückzuführen, Satire zu machen und nicht mehr plumpe Beleidigungen“.

Böhmermann hatte dem umstrittenen Gedicht, das er in seiner Sendung verlesen hatte, vorausgestellt, dass er mit diesem die Grenzen dessen überschreite, was Satire dürfe. Das ZDF löschte das Gedicht, in dem Böhmermann den türkischen Staatspräsidenten unter anderem „sackdoof, feige und verklemmt“ genannt hatte, aus der Mediathek.

Die Bundesregierung hat bestätigt, dass die türkische Regierung zudem förmlich eine Strafverfolgung Böhmermanns verlange. Die Regierung in Berlin muss eine Ermächtigung erteilen, wenn weitere Ermittlungen nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches möglich sein sollen.

Juncker: „Das entfernt uns voneinander“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat das Vorgehen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen Satire in Deutschland kritisiert. „Ich kann es überhaupt nicht nachvollziehen, dass ein deutscher Botschafter wegen eines zugegebenermaßen unmöglichen satirischen Liedes einbestellt wird“, sagte Juncker am Mittwoch im Europaparlament. „Das bringt die Türkei nicht näher an uns heran, sondern entfernt uns voneinander.“

Juncker verteidigte in einer Debatte zur Flüchtlingspolitik das Abkommen mit der Türkei. Es sieht unter anderem eine Rücknahme von Flüchtlingen durch Ankara vor, die mit Hilfe von Schleusern nach Griechenland gelangt sind. Im Kampf gegen die Flüchtlingskrise sei die Zusammenarbeit mit der Türkei von allen Lösungen „die beste“, sagte Juncker. An Europas Grundwerten ändere die Vereinbarung aber nichts.

Auch der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), verlangte, dass die türkische Regierung ungeachtet der Vereinbarungen in der Flüchtlingskrise die Meinungsfreiheit in Europa respektiere. „Wir erwarten von Erdoğan Respekt gegenüber diesen Werten“, sagte er in der Debatte.

Offener Soli-Brief in der Zeit

Zahlreiche Schauspieler und Künstler haben sich in einem in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichten offenen Brief mit Jan Böhmermann solidarisiert. In dem Schreiben fordern sie eine Ende der Ermittlungen gegen den Satiriker durch die Staatsanwaltschaft in Mainz. „Diskussionen über und Kritik an Jan Böhmermanns Erdoğan-Gedicht gehören in die Feuilletons des Landes und nicht in einen Mainzer Gerichtssaal“, heißt es darin.

Zu den Unterzeichnern zählen nach Angaben der Zeit unter anderem die Schauspieler Matthias Brandt, Jan Josef Liefers, Peter Lohmeyer und Katja Riemann, der Pianist Igor Levit, die Schriftstellerin Thea Dorn sowie der Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf.

„Kunst kann nicht in einem Klima stattfinden, in dem sich Künstlerinnen und Künstler Gedanken darüber machen müssen, ob ihr Schaffen zur Strafanzeige führt, in dem sie beginnen, sich selber zu zensieren, oder zensiert zu werden“, heißt es in dem offenen Brief. Es sei die Aufgabe von Kunst und Satire, öffentliche Diskurse zu entfachen.

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