Erdbeben in der Türkei und Syrien: Mehr als 2.400 Tote
Die Zahl der Todesopfer in der Türkei und Syrien ist nach den verheerenden Beben auf 2.400 gestiegen. Allein in der Südosttürkei stürzten Tausende Gebäude ein.
In Syrien stieg die Zahl der Toten auf mehr als 780. Das teilten der stellvertretende Gesundheitsminister Ahmed Dhamirijeh sowie die Rettungsorganisation Weißhelme mit. In dem Bürgerkriegsland seien bei der Katastrophe mehr als 2.200 Menschen verletzt worden.
Die Wetterbedingungen erschwerten die Rettungsarbeiten, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. In den betroffenen Provinzen herrschen zurzeit Minusgrade, in einigen Gegenden schneit es. Das Erdbeben mit Epizentrum im südtürkischen Kahramanmaras hatte die Südosttürkei am Montagmorgen erschüttert. Der türkische Katastrophendienst Afad korrigierte am Mittag die Stärke des Hauptbebens von 7,4 auf 7,7.
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Hilfe aus 45 Ländern
Mehrere Flughäfen in besonders von dem Erdbeben betroffen Regionen der Türkei blieben vorerst für zivile Flüge geschlossen. Dabei gehe es um die Flughäfen in Hatay, Kahramanmaras und Gaziantep, sagte Vizepräsident Fuat Oktay am Montagmorgen. Der Sender CNN Türk zeigte Bilder von einem tiefen Riss in einer Landebahn am Flughafen Hatay.
Hilfsorganisationen und Gemeinden in den betroffenen Regionen riefen neben Blutspenden auch zu Sachspenden auf und baten etwa um Decken, Heizer, Winterkleidung, Essenspakete und Babynahrung.
Der türkische Präsident Erdogan erklärte, 45 Länder hätten bereits Hilfe angeboten. Erste Angebote kamen unter anderem aus zehn Ländern der EU, Israel und den USA. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte auf Twitter, ihre Gedanken seien bei den Angehörigen der Opfer und allen, die um ihre Familie, Freunde, Nachbarn bangten. „Wir werden mit unseren Partnern rasch Hilfe auf den Weg bringen.“ Innenministerin Faeser sagte, das Technische Hilfswerk (THW) könne Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungseinheiten bereitstellen. Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken bereite das THW ebenfalls bereits vor. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin bot Syrien und der Türkei Unterstützung an. Russland erklärte zudem, eigene Militäranlagen in Syrien seien bei dem Erdbeben nicht beschädigt worden.
Das Erdbeben war das schwerste in der Türkei seit 1999, als mehr als 17.000 Menschen bei einem Beben der Stärke 7,6 ums Leben kamen. Die Erdstöße trafen damals die Stadt Izmit und eine dicht besiedelte Region am Marmarameer nahe Istanbul.
Mindestens 20 Nachbeben
Auf beiden Seiten der Grenze wurden die Bewohner mehrere Stunden vor Sonnenaufgang von den Beben aus dem Schlaf gerissen und eilten in einer kalten, regnerischen und verschneiten Winternacht nach draußen. Dutzende Gebäude stürzten in den Städten der Grenzregion ein. Rettungskräfte und Anwohner suchten verzweifelt nach Überlebenden unter den Trümmern.
Auf der syrischen Seite der Grenze erschütterte das Beben von der Opposition kontrollierte Regionen, in denen rund vier Millionen Menschen leben, die wegen des Bürgerkriegs aus anderen Teilen des Landes vertrieben wurden. In einer Stadt, Atmeh, kamen mindestens elf Menschen ums Leben, und viele weitere wurden unter den Trümmern begraben, wie der Arzt Muhib Kaddur sagte. „Wir befürchten, dass die Zahl der Toten in die Hunderte geht“, sagte Kaddur mit Blick auf den von Rebellen kontrollierten Nordwesten.
Aus den kurdisch kontrollierten Gebieten im Nordosten Syriens hieß es, auch hier sei das Beben deutlich spürbar gewesen. Der Schaden könne jedoch noch nicht eingeschätzt werden.
Die US-Erdbebenwarte verortete ein Beben der Stärke 7,8 etwa 33 Kilometer von Gaziantep entfernt, der Hauptstadt der gleichnamigen türkischen Provinz, unweit der Grenze zu Syrien. Die Tiefe wurde mit 18 Kilometern angegeben. Mindestens 20 Nachbeben folgten, manche davon Stunden später nach Tagesanbruch. Das größte hatte nach türkischen Angaben eine Stärke von 6,6.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilte auf Twitter mit, es seien umgehend Such- und Rettungsteams in die betroffenen Gebiete entsandt worden. „Wir hoffen, dass wir diese Katastrophe gemeinsam so schnell wie möglich und mit dem geringsten Schaden überstehen werden“, schrieb er.
Traumata im Libanon
Auch im Libanon war das Beben mit einer Stärke von rund 4,7 auf der Richter-Skala zu spüren, Tote wurden nicht gemeldet. Dennoch sind viele Libanes*innen tief geschockt. Sie wurden durch das Erdbeben aufgeweckt, suchten einen sicheren Ort im Haus unter Tischen oder evakuierten sofort ihre Häuser.
Im Süden der Hauptstadt Beirut bildete sich ein Stau, weil Menschen in ihren Autos ausharrten. Viele wurden an Luftangriffe oder auch an die Explosion vom 4. August 2020 im Hafen Beiruts erinnert. Damals war zunächst ein Beben der Erde zu spüren, bevor die Druckwelle der Explosion durch die Stadt fegte.
Das kollektive Trauma im Libanon, ausgelöst durch Kriege oder die Explosion, ist noch immer kaum aufgearbeitet. Das Erdbeben zeigt, dass viele seelische Wunden noch offen sind. Hinzu kommen dieser Tage im Libanon wie auch in Syrien starke Regenfälle, Blitze und Gewitter, die bei vielen die Angst noch verstärken.
Libanons geschäftsführender Innenminister Bassam Mawlawi forderte die Bürger*innen am Montagmorgen auf, baufällige Gebäude zu verlassen. Wohin sie gehen sollten, sagte er nicht. Das Land befindet sich in einer starken Wirtschaftskrise. Arme Menschen, darunter viele Geflüchtete aus Syrien, leben in unfertigen oder baufälligen Gebäuden, weil die Mieten zu hoch sind.
Tsunami-Warnung in Italien
Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken. Auch Israel will der Türkei humanitäre Hilfe leisten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant wies Armee und Verteidigungsministerium am Montag an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.
Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken. „Mit Bestürzung verfolgen wir die Nachrichten vom Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion“, schrieb Scholz auf Twitter.
In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht zu Montag eine Tsunami-Warnung aus, die wenige Stunden später zurückgenommen wurde. Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bot der Türkei und Syrien Hilfe an.
Mitarbeit: Julia Neumann
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