Erdbeben in Afghanistan: Den Opfern beistehen
Die Menschen in der Erdbebenregion brauchen jetzt schnelle Hilfe. Aufmerksamkeit gilt den Taliban und ihrem Verhalten nach der Katastrophe.
D as Erdbeben in den Paschtunengebieten im Südosten Afghanistans sei „eine Strafe Allahs“ für die Diktatur der Taliban, schreibt ein international preisgekrönter afghanischer Künstler, nun im Exil, in den sozialen Medien. Ein Funktionär der Vorgängerregierung meint, die Rettungsmaßnahmen der Taliban könnten schon deshalb nicht erfolgreich sein, weil deren Regime illegitim sei.
Natürlich ist die Taliban-Politik der Angst eine Hauptursache dafür, dass die staatlichen Institution des Landes – auch die des Katastrophenschutzes – durch die Flucht vieler Fachkräfte geschwächt wurden. Aber sie arbeiten, das bestätigen Afghanen vor Ort – mit Mühen zwar, aber das liegt vor allem an der Isolation der betroffenen Region.
Dass es in Paktika, einer der ärmsten Provinzen in diesem durch 40 Jahre Krieg gebeutelten Land, kaum eine Infrastruktur gibt, ist auch Resultat des Gesamtversagens der USA und ihrer Verbündeten. Gerade dort priorisierten sie die Jagd auf die Taliban, anstatt sich auf einen stabilisierendem Wiederaufbau zu konzentrieren. Eine Entwicklung hat dort kaum stattgefunden.
Es muss jetzt genau darauf geachtet werden, wie die Taliban in dieser Katastrophensituation reagieren: beispielsweise, ob sie internationale oder im Land gesammelte Hilfe veruntreuen; ob sie verletzte Frauen nicht behandeln lassen, wenn keine Ärztin zur Verfügung steht (in Paktika gibt es keine einzige Ärztin); ob sie sich in interne Angelegenheiten der Hilfswerke, etwa die Rekrutierung – auch von Frauen – einmischen.
Vielleicht erweist es sich, wie schon bei der Bekämpfung von Covid-19, dass man mit den Taliban in praktischen Dingen durchaus kooperieren kann. Das könnte auch Möglichkeiten bieten, langfristig an der Überwindung der generellen Armutskrise im Land zu arbeiten.
Doch die Hilfe für die Erdbebenopfer politisch zu instrumentalisieren, zumal mit ethnorassistischen Tönen („Paschtunen = Taliban“) ist unangebracht und schäbig. Die Regierungen der Geberländer sollten trotz ihrer begründeten Ablehnung des Taliban-Regimes jetzt alle Hilfe mobilisieren, die benötigt wird.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel